Serie "Etwas andere Sportarten" TKSV Duisdorf - Kultstätte des Ringens

BONN · Noch herrscht eine familiäre Atmosphäre in der in die Jahre gekommenen Halle an der Schmittstraße. Doch gleich ist es in der 1959 errichteten rustikalen Sportstätte mit der Ruhe vorbei. Es ist Samstagabend in Bonn-Duisdorf, gleich beginnt ein Ringer-Kampfabend des TKSV Duisdorf in der ersten Bundesliga Nord. Rund 400 Zuschauer sind gekommen. Sie verwandeln die Bonner Sport-Kultstätte in einen Hexenkessel.

 Ausgehebelt: TKSV-Ringer Sylwester Charzewski (rot) hat einen Moment nicht aufgepasst.

Ausgehebelt: TKSV-Ringer Sylwester Charzewski (rot) hat einen Moment nicht aufgepasst.

Foto: Horst Müller

Die meisten sind seit Jahren treue Fans. Sie drücken die Daumen, feuern lautstark an, beschweren sich aber auch über die teils schwer zu verstehenden Schiedsrichterurteile. Die Ringer-Regeln sind nicht einfach. In den in Deutschland etwas in Vergessenheit geratenen Ringersport muss man sich erst hineinfinden.

Zehn Kämpfe in sieben Gewichtsklassen und zwei Stilarten stehen auf der in helles Licht getauchten Ringermatte an. Schon nach kurzer Zeit spürt man die Faszination des Kampfes Mann gegen Mann, in dem jedes Nachlassen gnadenlos ausgenutzt wird. Sobald die muskuläre Anspannung, das Gleichgewicht, die Konzentration oder die psychische Stärke nachlassen, kostet dies zumeist Punkte. Die maximal fünf Kampfrunden zu je zwei Minuten vergehen wie im Fluge.

Ringen auf diesem Niveau hat großen Unterhaltungswert und ist weit entfernt von einem wilden Raufen. Schläge, Tritte, Stöße und Würgen sind streng verboten. Wer seinen Gegner aus dem Stand in die Bodenlage, bestenfalls mit beiden Schultern auf die Matte bringen möchte, braucht ein großes technisches Repertoire. Schnelle Würfe, Schleuder- und Aushebelaktionen sind gefragt.

Beim Freistil darf der gesamte Körper, vom Kopf bis zu den Füßen, angegriffen werden. Beim Griechisch-Römischen Stil, auch Greco abgekürzt, gilt indes nur der Körper oberhalb der Gürtellinie als Angriffsfläche. In Duisdorf versteht man sich auf ein zielführendes technisches Repertoire in beiden Stilarten. Die populärste Sportabteilung des großen TKSV Duisdorf, der etliche Sportarten anbietet, mischt seit 1976/77 in der ersten und zweiten Bundesliga mit. 19 Jahre Erstklassigkeit kann der Bonner Club bis dato vorweisen - die Nummer eins in NRW.

In der ersten Liga mitzuhalten, wird immer schwieriger, weil teurer. Spitzenkönner aus Osteuropa werden für Bundesligakämpfe eingeflogen. Das ist gängige Praxis in der ersten Liga und irgendwie "suboptimal", wie Abteilungsleiter Dirk Schubert findet. Auf die kommende Saison darf man sich schon jetzt freuen, zumal Bonn offenbar gute Neuzugänge verpflichtet hat. Beim Deutschland Grand Prix in Dortmund gewann Edgar Babayan (Greco) in der vergangenen Woche in der Gewichtsklasse bis 74 Kilo die Silbermedaille, Lukas Höglmeier erkämpfte sich Bronze im Greco in der Klasse bis 55 Kilogramm.

"Die Diskussion, dass Ringen aus dem olympischen Programm gestrichen werden soll, hat uns bisher nicht geschadet, sondern eher geholfen", sagt Abteilungsleiter Dirk Schubert. Schließlich sei Ringen wieder verstärkt im Gespräch. Nachdem das Olympia-Aus in erster Instanz abgewendet worden ist, hoffen auch die Duisdorfer auf eine Entscheidung im Sinne ihrer Sportart bei der Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) im Herbst.

In Bonn hat Ringen große Tradition. Nach dem zweiten Weltkrieg fanden hier zahlreiche deutsche Meisterschaften und Länderkämpfe statt, teilweise begleitet von mehreren tausend Zuschauern. Duisdorf hat seine Ringer-Ikone: Peter Nettekoven. Er kämpfte erfolgreich bei sechs Weltmeisterschaften, den Olympischen Spielen in Mexiko 1968 und bei drei Europameisterschaften. Nettekoven prägte den TKSV später auch als erfolgreicher Coach.

Die jetzigen TKSV-Trainer Rolf Monschau und Roman Mysliewitz waren einst Schützlinge von Nettekoven. Sie kümmern sich zusammen mit Heiko Luther und Dirk Holzapfel (sportliche Leitung) um die Belange des Bundesligateams, das in wenigen Wochen (31. August) in die neue Saison startet. Dann werden die Bonner Freunde des Ringens wieder regelmäßig an Samstagen dafür sorgen, dass in der Halle an der Schmittstraße der Putz von den Wänden bröckelt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort