Fechten Neue Motivation für die Fecht-WM in Leipzig

BONN · Die Herrenflorettfechter wollen in Leipzig einen Schritt in Richtung Olympische Spiele 2020 in Tokio machen. Nur André Sanita vertritt den OFC Bonn.

 Einziger Vertreter des OFC Bonn ist bei der WM in Leipzig Herrenflorettfechter Andre Sanita.

Einziger Vertreter des OFC Bonn ist bei der WM in Leipzig Herrenflorettfechter Andre Sanita.

Foto: Wolfgang Henry

Im eigenen Land Gastgeber der Weltmeisterschaften zu sein, ist für die deutschen Fechter schon etwas Besonderes. Den nach den Olympischen Spielen wichtigsten Wettkampf will der Deutsche Fechterbund (DFeB) knapp ein Jahr nach dem Tiefpunkt von Rio für einen Neustart nutzen. In Brasilien holten deutsche Fechter erstmals seit 1980 keine olympische Medaille. Eine Überraschung war das nicht, denn die Entwicklung hatte sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet. Schon bei der letzten WM 2015 in Moskau gab es mit zweimal Bronze ein historisch schlechtes Ergebnis.

Doch der DFeB sieht Licht am Ende des Tunnels, bittet allerdings um Geduld. „Wir versuchen einen Neustart, aber wir brauchen noch Zeit“, blickte Sportdirektor Sven Ressel in Richtung WM, die an diesem Mittwoch in Leipzig beginnt. Die deutsche Equipe startet mit acht Debütanten. Die Vorgabe eines Medaillenziels wird deshalb vermieden. „Es tut uns gut, wenn wir erfolgreich sind, doch da würde ich nicht zu kurzfristig denken“, sagte Säbel-Europameister Max Hartung dem Sportinformationsdienst (sid) und fordert „ein bisschen Gelassenheit und Weitsicht. Leipzig ist natürlich etwas Besonderes, weil es eine Heim-WM ist, aber wir müssen schon Richtung Tokio 2020 blicken.“

Dieser Blick war für die Herrenflorettmannschaft aus Bonn bis vor gut fünf Wochen verboten. Denn aufgrund eines Rotationssystems – von sechs Teams setzten in der Vergangenheit alle vier Jahre abwechselnd zwei aus – wären sie zusammen mit den Degenkolleginnen in Japan nicht dabei gewesen. Doch am 9. Juni gab das Internationale Olympische Komitee (IOC) bekannt, alle Fechtwettbewerbe wieder ins olympische Programm aufzunehmen.

„Das war für mich eine große Überraschung. Ich habe es aus dem Internet erfahren. Die Nachricht hat sich sofort in allen Medien verbreitet. Symbolisch haben bei uns die Sektkorken geknallt“, erklärte Bundestrainer Uli Schreck. André Sanita, einziger Athlet des OFC Bonn bei der WM, konnte es zunächst kaum glauben. „Ich habe von der Entscheidung über Facebook erfahren und habe mich riesig darüber gefreut“, sagte der Bonner.

Große Zuversicht, gedämpfte Erwartungen

Für Schreck und Co. haben sich völlig neue Perspektiven ergeben. Denn eigentlich war ein kompletter Umbruch in der Mannschaft absehbar. Die Routiniers Peter Joppich (34, Koblenz) und Benjamin Kleibrink (31, Tauberbischofsheim) standen kurz vor dem Ende ihrer Karriere, machen aber jetzt weiter, weil sie deutlich größere Chancen sehen, noch einmal bei Olympischen Spielen dabei zu sein.

Hintergrund: Die Qualifikation über die Einzelweltrangliste ist ein steiniger Weg, denn nur die besten 16 sind olympisch dabei. Derzeit wäre nur Joppich (Rang 13) qualifiziert. Ganz anders das Bild bei den Teams. Dort qualifizieren sich die besten vier der Weltrangliste direkt, dahinter die jeweils besten der vier Fecht-Kontinente. Die Deutschen sind Neunte der Weltrangliste und hätten ganz aktuell als beste Europäer (Platz neun) hinter dem Spitzenquartett Frankreich, Russland, USA und Italien das Tokio-Ticket sicher. Das Sahnehäubchen: Drei Teamfechter dürfen automatisch auch im Einzel mitmachen, egal, wie gut oder schlecht sie in der Weltrangliste stehen.

Schreck dämpft die Erwartungen: „Bis Tokio ist es noch weit. Frankreich, Russland und Italien müssen unter den Top vier bleiben, und wir müssen andere europäische Teams wie Großbritannien hinter uns halten.“

Doch die Zuversicht ist groß. Sanita: „Wir haben eine starke Mannschaft. Auf jeden Fall hat die IOC-Entscheidung für einen Riesenmotivationsschub gesorgt.“ Darüber hinaus sieht der Bundestrainer noch andere erfreuliche Auswirkungen: „Es ist auch ein positives Signal für die jungen Fechter im erweiterten Kader.“

Joppich als Hoffnungsträger

Mit dem Sprung ins Viertelfinale hoffen die Herrenflorettfechter, ihre Weltranglistenposition zu stabilisieren, wenn nicht sogar zu verbessern. Im Einzel ist der viermalige Weltmeister Joppich das heißeste Eisen im WM-Feuer. „Ich orientiere mich immer an den Weltcupleistungen. Von daher hat Peter, der ja unter anderem den Löwen von Bonn gewonnen hat, die besten Aussichten“, so Schreck.

Sanita hofft auf den Sprung unter die besten 32 Fechter. „Es wäre ihm zu gönnen, wenn er bei solch einem Turnier mal unter die besten 16 käme. Das würde ihm einen weiteren Schub geben“, wünscht sich Schreck.

Die WM in Leipzig dauert bis kommenden Mittwoch. Das Einzel im Herrenflorett wird am Donnerstag und Freitag ausgetragen, die Mannschaft ist am Sonntag dran.

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