Marathon in Bonn Lauf der großen Gefühle

BONN · Der Deutsche Post Marathon ist die größte Sportveranstaltung Bonns, Spitzenleistungen sind jedoch Mangelware. Das tut der Stimmung keinerlei Abbruch. Der Blick in die Gesichter der Läufer zeigt: es geht um Freude an der Bewegung. 13 560 Teilnehmer bedeuten Rekord.

Wenn der Frühling kommt, dann fahren Gefühle mitunter Achterbahn, Menschen spielen verrückt. Gestern taten sie das massenweise – beim Marathon in Bonn. Wohl noch nie seit seiner Geburtsstunde im Jahr 1989 ist das Laufevent so weit von einem Spitzensportereignis entfernt gewesen wie diesmal. Die Siegerzeiten: Unbedeutend im nationalen, erst recht im internationalen Maßstab. Auch wenn die Gewinner – schon fast traditionell – wieder einmal aus Afrika kamen. Dennoch: es war maximal die zweite und dritte Liga.

Der Sache tat das keinerlei Abbruch. Eher im Gegenteil. Vielleicht ist der Verzicht auf Spitzensport sogar der Grund, warum Bonn in der Laufbewegung anno 2016 so gut ankommt. Nie spielte die absolute Leistung bei dem Frühjahrsklassiker in der Bundesstadt eine geringere Rolle als beim 16. Deutsche Post Marathon. Obwohl nie zuvor so viele Ausdauersportler an den Start gingen: 13 560 Teilnehmer waren mit allen Nachzüglern registriert. Rekord!

Der Wettergott tat sein Übriges – womöglich ist er Bonner. Zwölf Grad beim Halbmarathonstart am frühen Morgen, anfangs noch windstill. Die Bedingungen eigneten sich für gute Zeiten – dem jeweiligen persönlichen Leistungsanspruch entsprechend. Und sie belasteten den Kreislauf wenig. „Keine nennenswerten Zwischenfälle“, bilanzierte Marathon-Sprecher Kai Meesters am frühen Nachmittag. Da waren die meisten schon gut im Ziel. Und hatten ihren Spaß gehabt, so wie Andreas Barth (siehe Aufmacherbild). Seine Endzeit im Halbmarathon: Respektable 1:47:55 Stunden. Platzierung: Nebensache.

Für die Läufer ganz vorne freilich galt das nicht. Vor allem nicht für Joe Körbs, den Bonner Stadtmeister, der sich unglaublich über seine persönliche Bestzeit im Alter von 47 Jahren freute (Bericht unten). Auch nicht für Moritz auf der Heide. Der gebürtige Bonner, der in München lebt und arbeitet, musste seinen lange vorbereiteten Angriff auf eine Zeit unter 2:30 Stunden schon nach 15 Kilometern beenden und meinte frustriert und voller Selbstzweifel, die jeden Marathoni im bitteren Augenblick des Scheiterns überkommen: „Woran es lag? Ich weiß es nicht. Vielleicht habe ich doch falsch trainiert.“

Mit seinem Wunschergebnis wie auch seiner persönlichen Bestzeit (2:30:55) wäre auf der Heide auf dem Treppchen gelandet. Denn hinter dem in 2:16:07 Stunden konkurrenzlosen Sieger Edwin Kosgei aus Kenia lag der äthiopische Vorjahresgewinner Siyoum Lemma (2:27:52) nach 42,195 Kilometern völlig erschöpft weit zurück. Dritter wurde der Marokkaner Mohammed Rity (2:31:43). Anfangs hatte Kosgei sogar auf Streckenrekordkurs gelegen, lieferte Kilometer-Durchgangszeiten von 3:06 und 3:07 Minuten am Fließband ab. Dann aber bekam der 27-Jährige die berühmt-berüchtigte Einsamkeit des Langstreckenläufers zu spüren, später den „Mann mit dem Hammer“. Im Ziel keuchte er: „Vor allem der Wind hat mir zu schaffen gemacht.“ Gut 2000 Euro Preisgeld nahm Kosgei mit, berechnet nach der „Bonner Tabelle“, einer Mischung aus 500 Euro Grundsiegprämie plus Boni für Altersklasse und Zeit.

Das ausgedünnte Spitzenfeld bescherte den vielen Zuschauern entlang des Zieleinlaufs vor dem Alten Rathaus ein Kuriosum: Bevor der zweitplatzierte Lemma in Sicht kam, rauschten bereits Hand in Hand die schnellsten Staffelläufer über die Ziellinie, die Aachener TG mit Martin Heuschen, Lothar Wyrwoll, Julia Kümpers und Gero Pietsch (2:27:49). Auch die Siegeszeit der Kenianerin Prisca Kiprono (2:46:24) war kein Hochkaräter.

Der Halbmarathon bescherte dem für den sauerländischen TuS Deuz startenden gebürtigen Äthiopier Yohannes Hailu Atey in 1:09:03 Stunden seinen dritten Erfolg in Serie vor dem Aachener Berufsfeuerwehrmann Christian Nießen (1:10:55) und André Rinke. Der Kölner steht in der Liste mit einem echten kölschen Resultat: 1:11:11 Stunden. Irgendwie passte das dann auch wieder zu diesem Tag, dem Verrücktsein – und den Frühlingsgefühlen.

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