Bonn läuft Marathon Jeder jagt seine eigene Traummarke

Bonn · Auch die Topstarter aus der Region haben eine Bestmarke vor Augen: Die zweifache Mutter Marlen Günther und Moritz auf der Heide, ein Mann der Extreme, wollen die 2:30-Stunden- bzw. die Drei-Stunden-Marke knacken.

Ein Lächeln wird Marlen Günther auch im Zieleinlauf des Deutsche Post Marathons auf den Lippen haben, sofern sie die 42,195-Kilometer-Distanz in weniger als drei Stunden zurücklegt.

Ein Lächeln wird Marlen Günther auch im Zieleinlauf des Deutsche Post Marathons auf den Lippen haben, sofern sie die 42,195-Kilometer-Distanz in weniger als drei Stunden zurücklegt.

Foto: GA-Archiv

Vor Jahrzehnten wurde darüber diskutiert, ob je ein Mensch die 100 Meter unter zehn Sekunden laufen würde. Als Erster schaffte das bei Olympia 1968 der US-Amerikaner Jim Hines (9,95) in der Höhenluft von Mexiko-Stadt, seit 2009 stehen die 9,58 Sekunden von Usain Bolt nur scheinbar wie gemeißelt in Stein. Jamaikas Sprintstar lief die Fabelzeit in Berlin. Dort wurde auch der Marathon-Weltrekord aufgestellt, der Kenianer Dennis Kimetto trommelte 2:02:57 Stunden über die 42,195 Kilometer mit Start und Ziel am Brandenburger Tor in das Pflaster der deutschen Hauptstadt. Ob es nur die Berliner Luft macht?

Längst ist von der Zwei-Stunden-Schallmauer im Marathon die Rede. Inwieweit das dann noch eine menschliche Leistung ist, hängt von der Betrachtungsweise ab. Doch egal, inwieweit Kommerz und Doping den Sport beeinflussen: In messbaren Disziplinen wie dem Langstreckenlauf wird die Zeit das Maß aller Dinge bleiben. Das trifft auf Ausdauersportler aller Leistungsklassen zu – auf die Weltklasse der Männer genauso wie auf die der Frauen. Sie müssen sich an den unglaublich anmutenden 2:15:25 Stunden der Britin Paula Radcliffe messen, die sie bereits 2003 auf den Londoner Asphalt zauberte.

Die Vergleichbarkeit fasziniert jeden Läufer, ganz unabhängig vom Leistungsniveau. Ob es nun der Wunsch von Dieter Normalläufer ist, die klassische Distanz unter vier Stunden zu schaffen. Oder das Unterbieten der Drei-Stunden-Marke, die jeden Freizeitläufer adelt. Der gebürtige Hamburger Arne Gabius hat erst im Oktober 2015 in Frankfurt den deutschen Rekord auf 2:08:33 Stunden verbessert.

Jeder hat seine Traummarke. So auch die aktuell besten Langstreckler der Region. Für Marlen Günther und Moritz auf der Heide, die beide für das LAZ Puma Rhein-Sieg starten, sind es die 2:30-Stunden- bzw. die Drei-Stunden-Marke. Manchem Gelegenheitsjogger mag schon dieses Ziel wie eine Besteigung des Mount Everests erscheinen.

Auf der Heide selbst muss die Marathonstrecke (fast) wie eine Kurz-Distanz empfinden. 2015 wurde der 28-Jährige Dritter der deutschen Meisterschaften über 100 Kilometer. Neben langen Strecken mag der gebürtige Bonner vor allem Bergläufe. Ebenfalls im letzten Jahr belegte er Platz 24 bei der Marathon-Berglauf-Weltmeisterschaft. Dabei waren 1900 Höhenmeter zu überwinden.

Überhaupt war 2015 sein bisher erfolgreichstes Jahr: Er gewann den Eco Trail Paris (30 km) und den Tarawera-Ultramarathon in Neuseeland (60 km). Seine Bestzeit über die 42,195 Kilometer steht seit 2013 bei 2:30:55 Stunden (in Melbourne). In Bonn will auf der Heide „definitiv unter 2:30 Stunden laufen“ – so schnell die Beine ihn tragen. Moritz auf der Heide, ein Mann der Extreme, sein Motto, auch auf Facebook zu lesen: „Weiter, immer weiter, egal, was passiert.“ Auf den Marathon-Sonntag gemünzt bedeutet das in leicht abgewandelter Form: Endlich schneller, endlich unter die zweieinhalb Stunden.

Nach vielen Jahren Auslandsaufenthalt (Australien, Frankreich) lebt auf der Heide seit Sommer 2015 in München und bereitet sich seit dem 1. Januar im süddeutschen Raum intensiv auf den Marathon in seiner Heimatstadt vor. Trainingsumfänge von 200 Kilometern in der Woche sind für den Eventmanager keine Seltenheit. In der Vorbereitung lief auf der Heide oftmals über 40 Kilometer, so wie zuletzt beim Bienwald-Marathon, als Drei-Stunden-Pacemaker.

Am kommenden Sonntag wird „Mo“, der letzte Woche noch eine Leistungsdiagnostik absolvierte, wohl alleine laufen müssen. Bonner Stadtmeister kann er zwar nicht werden, die Unterstützung seiner Familie und vieler Freunde an der Strecke ist ihm aber sicher.

Marlen Günther kennt in Bonn nur ein Ziel: „Endlich die Drei-Stunden-Marke knacken.“ Dass die LAZ-Athletin dieses persönliche Ziel erreichen kann, sollte aufgrund ihrer aktuellen Leistungsstärke über zehn Kilometer eigentlich kein Problem sein. Zuletzt rannte die zweifache Mutter in Leverkusen persönliche Bestzeit (37:05 Minuten). Auf den Langstrecken fehlt der Läuferin aus Hennef allerdings neben der Erfahrung noch ein wenig die mentale Härte.

Bis 2010 probierte sie ein paar Mal die 42,195 Kilometer und gewann sogar zweimal (2005 im Siebengebirge, 2010 in Koblenz). Danach startete die mittlerweile auch als Trainerin tätige 32-Jährige überwiegend auf Kurzdistanzen und gewann (fast) alle Läufe in der Region. Nach jahrelanger Abwesenheit von der Marathonstrecke, wagte sie im Herbst 2015 einen Start beim Köln-Marathon und scheiterte in 3:01:45 Stunden nur knapp an ihrer Traummarke. Intensiv hat Günther sich auf ihr „Heimspiel“ in Bonn vorbereitet – mit mehr als einem halben Dutzend langer Läufe über Distanzen zwischen 30 und 35 Kilometer und bis zu sieben Trainingseinheiten in der Woche. Kein Zweifel, ihre Traummarke wackelt, am Sonntag sollte die „2“ vorne stehen bei ihrer Endzeit. Sofern gesundheitlich nichts mehr dazwischenkommt.

Mitte März hatte ihr Immunsystem rebelliert. Eine Bronchitis zwang Günther zu einer längeren Laufpause. Vollständig erholt, will sie nun „angreifen“. Mit der Gewissheit, „dass alles möglich ist“. Selbstverständlich bezogen auf ihre persönliche Traummarke.

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