„Die Spieler müssen mir helfen“ Interview beim Rollstuhlbasketball-Zweitligisten ASV Bonn

Bonn · Als neuer Spielertrainer des Rollstuhlbasketball-Zweitligisten ASV Bonn muss Thomas Becker seine Rolle erst noch finden. Am Sonntag geht es für die Mannschaft des früheren Nationalspielers zu den Hot Rolling Bears Essen.

 Spieler, Co-Trainer und nun Spielertrainer: Thomas Becker ist beim ASV Bonn nicht wegzudenken. FOTO: WUNDERL

Spieler, Co-Trainer und nun Spielertrainer: Thomas Becker ist beim ASV Bonn nicht wegzudenken. FOTO: WUNDERL

Foto: Steffie Wunderl

Vor dieser Zweitligasaison hat der 39-Jährige beim Absteiger als Spielertrainer die Position des langjährigen Head-coachs Jörg Hilger übernommen. Mit Becker sprach nach dem Auftaktsieg gegen Hannover II und vor dem Spiel am Sonntag in Essen Guido Hain.

Herr Becker, sportlich mussten Sie den Abstieg verkraften, hätten aber dennoch beinahe weiter im Konzert der besten deutschen Vereine mitgespielt.

Becker: Ja, weil Rekordmeister München zurückgezogen hat. Er hat dies jedoch sehr spät bekanntgegeben. Wir sind dann gefragt worden, ob wir uns eine weitere Erstligasaison vorstellen können.

Zu spät?

Becker: Wäre das früher passiert, wären wir in der Lage gewesen, mit den Spielern zu reden. So aber standen die meisten Abgänge bereits fest. Das Zeitfenster war zu kurz, um eine Mannschaft auf die Beine zu stellen, die erstligatauglich gewesen wäre. Das hätte keinen Sinn ergeben.

Würden Sie einen erneuten Aufstieg annehmen, selbst wenn die Konkurrenz dann übermächtig erscheint?

Becker: Ja, auf jeden Fall. Das gehört für mich zu einem sportlichen Wettbewerb dazu. Wenn wir auf Platz eins stehen, das ist klar, gehen wir hoch. Auch wenn die 1. Liga dann für alle Beteiligten wieder eine große Herausforderung wäre.

Zunächst einmal gilt es, die Herausforderung 2. Liga zu meistern.

Becker: Unser Vorteil ist, dass wir zwar einen kleinen Kader haben, aber immer gemeinsam trainieren können. Das bringt einen weiter. Aber der kleine Kader birgt auch Schwierigkeiten, wenn wir im Training teilweise nicht mal Fünf gegen Fünf spielen oder mal mit unserer kompletten Starting Five trainieren können.

Wie stehen denn die Chancen für eine direkte Rückkehr?

Becker: Die Osnabrücker haben sich gut verstärkt, sie wollen auch aufsteigen. Aber sie haben dann die gleiche Situation wie wir in der vergangenen Spielzeit. Dass eben die Holländer nicht regelmäßig trainieren können, weil sie oft im niederländischen Stützpunkt sind.

Und Ihre Mannschaft?

Becker: Unser Kader ist ja im Kern zusammengeblieben. Wir haben mit dem Grundgerüst Marcel Gerber, Olli Hoffmann und mir ein starkes Trio. Gerade im Centerbereich sind wir sehr gut aufgestellt. Vom Leistungsvermögen her sollten wir uns schon unter den ersten Drei einordnen.

Reicht der Kader aus?

Becker: Bisher hatten wir nur Abgänge. Aber Sven Fischer bringt ebenso genug Erfahrung mit wie Marc Hermanns und Miriam Palm. Zudem sollen mit Marc Sarrazin und Tim Kremer zwei junge Spieler bei uns reinschnuppern. Uns fehlt allerdings ein dritter Center, der Hoffmann und mich entlasten kann.

Bereitet Ihnen das Sorgen?

Becker: Nein, wir haben zwar keinen tiefen Kader, aber eine Sechser-, Siebenerrotation, die gute Leistung verspricht. Dahinter wird's ein bisschen enger. Wichtig ist, dass sich keiner verletzt.

Müssen Sie personell nachjustieren?

Becker: Wir schauen nach Möglichkeiten, jemanden nachzuverpflichten. Das Problem ist: Gute Spieler haben mittlerweile entsprechende Forderungen. Vor einigen Jahren fingen die Topvereine an, den Spielern richtig Geld zu bieten. Immer mehr Akteure konzentrieren sich komplett auf den Rollstuhlbasketball und arbeiten als Profis oder Teilzeitprofis. Die haben natürlich entsprechend finanzielle Forderungen, die wir eben nicht erfüllen können. Mehr als Fahrtkostenerstattung und eine kleine Aufwandsentschädigung sind nicht drin.

Wie schätzen Sie die 2. Liga ein?

Becker: Unser Ziel ist es, die Geschwindigkeit, die wir aus der ersten Liga mitbringen, auch in der 2. Liga umzusetzen. Das wird allerdings nicht einfach. Die Spielweise in der Bundesliga ist strukturierter. Da ist es teilweise leichter, das Spiel zu lesen. In der 2. Liga stellt sich der Gegner hinten rein, macht die Zone eng. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen.

Ihre Erstligaerfahrung dürfte ein Pluspunkt sein, oder?

Becker: Ja, es haben alle Spieler profitiert. Die Erfahrung, gegen internationale Topgegner zu spielen, bringt einen immer weiter. Auch wenn es während des Spiels natürlich frustrierend ist, wenn man mit 50 Punkten Differenz nach Hause geschickt wird. Aber wir haben zumeist ganz gut mitgehalten. Es macht aber auch einfach Spaß gegen solche Topmannschaften zu spielen. Im Fußball würde sich ja auch jeder freuen, gegen Real Madrid anzutreten. Selbst wenn man weiß, man verliert höchstwahrscheinlich.

Dann trifft also die alte Weisheit zu, dass Geld Tore wirft?

Becker: Nicht nur, eine große Rolle spielt auch das Funktionieren einer Gruppe, die Eingespieltheit.

Dafür sind Sie nun als Headcoach verantwortlich. Welche Handschrift von Ihnen soll zu erkennen sein?

Becker: Mein Ziel ist es, ein wenig moderneren Basketball zu spielen. In den vergangenen Jahren in Köln, Frankfurt oder der Nationalmannschaft habe ich viele Trainer kennengelernt. Und diese Eindrücke und Erfahrungen möchte ich in meine Arbeit einfließen lassen.

Moderner?

Becker: Mit moderner spielen meine ich die Abkehr von der klassischen Aufstellung im Rollstuhlbasketball. Das ist vergleichbar mit der Entwicklung im Fußgängerbasketball, bei dem es immer weniger klassische Center gibt und die Spieler oft mehrere Positionen spielen können und das Spiel dadurch immer variabler wird.

Als Spielertrainer sind Sie auf zwei Ebenen gefordert?

Becker: Da fällt mir die Differenzierung noch nicht leicht. Ich bin ja immer beides, ob ich gerade auf dem Feld bin oder eben nicht. Ich lege viel Wert auf Kommunikation. Es funktioniert ja nicht, wenn ich als Trainer als harter Hund auftrete und dann plötzlich Spieler bin. Es muss sich die Waage halten.

Drängt es Sie nicht immer noch vermehrt aufs Feld?

Becker: Klar, als Spieler möchte man natürlich immer spielen, aber als Trainer muss man auch den Überblick behalten und lenken und dirigieren. Da muss ich noch einen Mittelweg finden und schauen, wie gut ich eben vom Spielfeld aus selbst das Spiel leiten kann. Da bin ich auch auf die Mithilfe der Spieler angewiesen.

Müssen Sie sich nicht langsam ein wenig schonen?

Becker: Das stimmt, ich werde ja bald 40. Aber man kann viel durch Erfahrung wettmachen, wenn man weiß, wie man den Rollstuhl stellen muss. Wenn man weiß, wann man wo sein muss. Man kann den Rollstuhl auch als aktives Hindernis nutzen. Dafür muss man nicht der Schnellste sein.

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