Kleine Tore für die Knirpse FVM passt Höhe der Junioren-Tore an

Bonn · Der Fußballverband Mittelrhein passt im F-Juniorenbereich die Torgröße altersgerecht auf die Spieler an. Acht von neun Kreisen wollen mit den "abgehangenen" Toren zeitnah starten. Die Bonner Vereine müssen voraussichtlich noch ein wenig warten.

 F-Jugendliche spielen bereits mit den abgehangenen Toren.

F-Jugendliche spielen bereits mit den abgehangenen Toren.

Foto: FVM

Die Nummer auf dem blauen Trikot verschwindet in der Hose. Nur der obere Balken der acht oder neun ist noch zu sehen, bei einem Mitspieler liegt es dagegen viel zu eng an. Die Größenunterschiede im F-Juniorenbereich sind enorm. Nervös zupft ein Spieler an seinen Schienbeinschonern, ein anderer sucht hektisch etwas auf dem Grün.

Der Ball ruht dagegen auf dem Mittelpunkt. Der Junge am Leder wirkt stämmiger, ist auf jeden Fall größer als die meisten anderen Nachwuchsspieler. Der Schiedsrichter pfeift die Partie an und der Junge nimmt drei Schritte Anlauf. Mit all seiner Kraft tritt er gegen den Ball. In einer Bogenlampe fliegt das Leder in Richtung Tor. So langsam, dass ein Torhüter ihn eigentlich halten muss – vorausgesetzt er ist groß genug. Dieser Keeper ist es nicht. Der Ball schlägt oben ins Netz ein. „Und dass, obwohl der Torhüter alles richtig gemacht hat“, beschreibt Oliver Zeppenfeld, Jugendbildungsreferent des Fußballverbandes Mittelrhein (FVM) die Szene. „Er ist einfach zu klein.“

Eine Szene, die im Jugendfußball Woche für Woche tausendfach vorkommt. Hohe Bälle sind beim Torabschluss der ganz Kleinen ein probates Mittel. Es gibt Trainer, die ganze Übungseinheiten im Juniorenbereich darauf verschreiben. „Immer wieder haben uns, unsere Auswahl- und Stützpunktrainer von Situationen erzählt, in denen der Torhüter überhaupt keine Abwehrchance hat“, so Zeppenfeld. „Da läuft einfach etwas nicht richtig.“ Also suchte der FVM nach einer Lösung. Im Handball wurde man fündig. Auch hier hatten sich Nachwuchsspieler eine „falsche“ Technik angeeignet, weil sie den Ball einfach in einer Bogenlampe so über den Torhüter warfen, dass dieser keine Abwehrmöglichkeit besaß. Der „Bogenwurf“ wurde automatisiert. Viele Nachwuchstrainer hatten Schwierigkeiten, den falsch erlernten Wurf wieder zu korrigieren. Die Lösung: ein verkleinertes Tor.

„Wir haben die Idee vom Handball adaptiert und uns überlegt, welche Höhe für unsere Junioren angemessen sei“, sagt Zeppenfeld weiter. Gemeinsam mit der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS) wurde untersucht. Es wurde die Durchschnittsgröße der Kinder ermittelt und die ins Verhältnis zu den Top-Torhütern der Senioren und deren Toren gesetzt. So kam man auf einen Wert von 1,65 Metern.

„Wenn man das Verhältnis der Junioren mit dem der Weltklasse-Keeper vergleicht, müsste das Tor eines Manuel Neuer 45 Zentimeter höher sein“, erklärt Zeppenfeld. „Es gibt aber einen Grund, warum die Top-Torhüter im Schnitt 1,90 Meter groß sind. Sie haben die perfekte Größe, um an die Bälle zu kommen. Und diese Voraussetzung wollen wir auch für die Junioren schaffen.“ Nach ersten Versuchen mit einer weiteren Latte wurde schließlich eine Netzkonstruktion in den Toren installiert. So, dass das Gehäuse eine Höhe von 1,65 Metern aufweist. Das abgehangene Tor wurde dann auf einem Pilotturnier der DSHS Köln getestet. „Wir haben ein Wettkampf für die F-Jugendlichen organisiert, bei dem wir eine Runde auf die großen Tore und eine Runde auf die kleinen Tore gespielt haben“, sagt Sebastian Schwab vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der DSHS. „Dabei haben wir eine signifikante Erhöhung der Schüsse aus kurzer Distanz festgestellt. Ohne die Kinder instruiert zu haben, haben sie keine halbe Stunde benötigt, um andere Wege und Lösungen zum Torerfolg zu finden.“ Auch die Passquote habe sich von 0,7 auf 1,5 Pässe vor dem Torabschluss verbessert. „Man darf ja nicht vergessen, wie in dem Alter Fußball gespielt wird. Insofern ist die Erhöhung der Passquote ebenfalls signifikant.“

Technik wird geschult

Mittlerweile gibt es zwei Anbieter der Netze. Im Sommer 2018 habe es Gespräche mit dem 1. FC Köln gegeben, der für den Kreis Köln die Finanzierung der Konstruktion übernahm. Auch im Kreis Berg wird mit den verkleinerten Toren bereits fleißig gekickt. In Euskirchen gibt es einen Sponsoren, der die Kosten der Konstruktion für die Vereine übernimmt. Die Resonanz ist groß. Auch, weil eine rein positive Entwicklung im Spiel zu sehen ist. Anfängliche Vorbehalte waren schnell verstummt. „Natürlich gab es zunächst die Sorge, dass durch die Maßnahme viel weniger Tore fallen“, so Zeppenfeld. „Es fallen aber mehr Tore – wenn auch nicht signifikant. Und: Die Treffer fallen aus kürzerer Distanz. Die Junioren spielen, dribbeln und passen bis kurz vor das Tor.“

Unterm Strich schult die Maßnahme die Technik der Spieler. Und es gibt einen weiteren positiven Effekt: „Die Spieler sind nicht mehr so fest an Positionen gebunden“, erklärt Zeppenfeld. „Es muss nicht mehr der lange, schlaksige Spieler ins Tor, weil er aufgrund der Größe einen Ball hält, sondern der der Lust oder das größte Talent hat.“ So sei auch eine Rotation möglich, die Sportwissenschaftler ohnehin für richtig halten. „Ein guter Trainer setzt in dem Altersbereich die Spieler auf verschiedenen Positionen ein“, sagt Schwab.

Die Kreise Berg, Köln, Düren, Euskirchen und Aachen starten bei den kleinen Kickern also mit der Netzkonstruktion in die neue Saison. Die Kreise Rhein-Erft und Heinsberg denken noch darüber nach. Im Sieg-Kreis ist die Entscheidung eigentlich schon gefallen. Auch hier will man so schnell wie möglich mit den Netzen arbeiten. Die Kosten übernimmt der Kreis. Allerdings befindet man sich mit den Herstellern noch im Austausch über die Preise. Doch zur nächsten Saison sind die neuen Netze eingeplant.

Eine sinnvolle Angelegenheit findet auch Michael Pütz, Jugendleiter des FC Hennef 05. „Wir begrüßen die Maßnahme sehr“, sagt Pütz. „Salopp gesagt, gewinnt in der Altersklasse dann nicht mehr die Mannschaft mit dem stärksten Schuss, sondern die, die technisch gut spielt.“ Tatsächlich hat der FC bereits erste Erfahrungen sammeln dürfen. Einer der Hersteller der Netze kommt aus Hennef, der Sohn spielt in der U15 der 05er. „Man hat uns die Konstruktion zur Verfügung gestellt und die Erfahrung ist durchweg gut“, sagt Pütz. Angst, dass die Kluft zwischen technisch begabten Mannschaften und rustikalen Teams durch die Maßnahme größer wird, hat er nicht. „Im Gegenteil: Die Spieler müssen mit dem neuen System andere Lösungen finden, um zum Erfolg zu kommen. Das schult doch jeden einzelnen Spieler im Fußball.“

Befürworter im Kreis Bonn

Auch im Kreis Bonn befürworten viele Vereinsvertreter die Konstruktion. „Wir haben die Spielfelder für die Junioren angepasst, wir haben den Spielball für die Junioren angepasst, da ist es nur naheliegend, dass wir nun auch die Torgröße anpassen“, so Oliver Daniels, Jugendleiter des Bonner SC. Allerdings müssen die Bonner Vereine auf die Konstruktion vorerst noch warten. „Ich denke, dass wir frühestens in drei bis vier Jahren mit den Konstruktionen arbeiten können“, sagt Lars Pollmann, Vorsitzender des Kreisjugendausschusses des FVM Bonn. „Wir wollen das nicht machen, bevor die Sicherheit nicht komplett gewährleistet ist. Es gibt noch kein TÜV-Siegel. Außerdem können und wollen wir gerade den kleinen Vereinen nicht noch mehr Kosten aufs Auge drücken.“

Die Stadt Köln habe laut Zeppenfeld die Konstruktion bereits getestet und für sicher gehalten. Eine Kipp- oder Reißgefahr bestünde demnach nicht. Durch das Netz seien die Tore auch nicht windanfälliger. Und die Kosten? „Es geht ja um die Ausbildung der Kinder. Da sollte dem FVM daran gelegen sein, dass man sich einigt“, schlägt Martin Parkob, Jugendleiter des SC Widdig, vor. Eine Teilung der Kosten zwischen Vereinen und Verband wäre für ihn sinnvoll. „Die reduzierten Kosten sollten für jeden Verein mit ein wenig Unterstützung zu stemmen sein.“ Von der Idee der verkleinerten Tore profitieren schließlich alle – vor allem die Kleinen.

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