Badminton Durch die Talsohle an die Spitze

BONN · Nach einer Ergebniskrise kämpfte sich die Beuelerin Luise Heim zurück – und krönte sich zum Champion.

 Noch etwas ungläubig schaut Luise Heim nach ihrem DM-Titel. FOTO: CLAUDIA PAULI

Noch etwas ungläubig schaut Luise Heim nach ihrem DM-Titel. FOTO: CLAUDIA PAULI

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Gerade erst hatte Luise Heim ihren dritten Matchball verwandelt, da machte Hallensprecher Christian Holzmacher vor versammeltem Publikum auch mit Worten klar: „Jetzt ist es amtlich. Wir haben eine neue deutsche Meisterin: Luuuuuise Heiiiiiim.“ Während der Applaus von den Rängen der Bielefelder Seidensticker-Halle donnerte, fasste sich die 20-Jährige mit einem breiten Grinsen ungläubig an den Kopf. Doch es war kein Traum: Soeben hatte sie durch einen klaren 21:16 und 21:11-Finalerfolg gegen Fabienne Deprez ihre erste Badminton-Einzelmeisterschaft gewonnen.

Auch zwei Wochen nach diesem Triumph ist der Spielerin des Bundesligisten 1. BC Beuel das Erreichte noch nicht wirklich bewusst geworden. „Um ehrlich zu sein, habe ich das bislang nicht ganz realisiert, auch weil es danach ziemlich stressig war. Meine Familie habe ich seitdem noch gar nicht gesehen“, sagt Heim. Kein Wunder, schließlich ging es anschließend direkt in der Liga mit den Beuelern gegen den TSV Trittau und nun mit dem deutschen Mixed-Team bei der Europameisterschaft im polnischen Lubin weiter.

Der Erfolg Heims könnte nun schnell als die erwartete erste Krönung eines großen deutschen Nachwuchstalents kategorisiert werden. Im Fall der gebürtigen Bad Dürkheimerin ist das jedoch zu kurz gegriffen. Denn noch vor drei Monaten hätten wohl selbst eingefleischte Fans der 20-Jährigen einen Meistertitel für nahezu unmöglich gehalten – und mit ihnen womöglich auch Heim persönlich. Zu diesem Zeitpunkt steckte sie in einem handfesten Ergebnistief, das ihr jegliches Selbstvertrauen raubte.

Aus ihren ersten sechs Saisoneinsätzen im Beueler Trikot holte Heim nur einen Sieg. In den Partien, an deren Ende sie das Feld als Verliererin verließ, war sie selten die spielerisch unterlegene Akteurin. Aber eben die, der in den wichtigen Momenten nicht die entscheidenden Punkte gelangen. „Ich habe mich unter Druck gesetzt, weil ich gedacht habe, dass ich gewinnen muss. Und als es nicht lief, habe ich begonnen an allem zu zweifeln“, erzählt Heim rückblickend und ergänzt: „Wenn ich in einem Satz schon mit 8:2 geführt habe, habe ich mir selbst gesagt: Bitte gewinn den Satz irgendwie.“

Es war nicht das erste Mal in ihrer Laufbahn, dass Heim mit einer Reihe von Niederlagen klarkommen musste: Dieses Gefühl kannte sie bereits aus der ersten Saison beim 1. BC Beuel. Mit 17 Jahren wechselte sie 2013 zu den Rechtsrheinischen und wurde sofort im Einzel des Bundesligisten eingesetzt. „Ich bin damals nach Beuel gegangen, weil der Verein nicht nur aus dem Bundesligateam besteht, sondern es auch die große Jugendabteilung und ein tolles Vereinsleben gibt. Für mich ist so etwas sehr wichtig“, betont Heim, die als Sechsjährige mit Badminton begann.

Während die Eingewöhnung in den neuen Verein reibungslos klappte, musste sie auf dem Feld als Nachwuchshoffnung Lehrgeld zahlen: Nach der ersten Saison standen einem Sieg neun Niederlagen gegenüber. Obwohl niemand im Verein gleich auf Anhieb Erfolge erwartete, setzten Heim die vielen verlorenen Spiele zu: „Mir haben die Niederlagen wehgetan, weil sich der Verein so toll um mich gekümmert hat, ich aber nichts zurückzahlen konnte. Ich habe erst später realisiert, dass das Sammeln von Erfahrung im Mittelpunkt stand.“

Diese Erkenntnis zahlte sich jüngst bei der deutschen Meisterschaft vor allem im Halbfinale gegen die amtierende Titelträgerin Olga Konon aus. Gegen die Spielerin vom 1. BC Bischmisheim hatte Heim das Vorjahresfinale wie auch ein Ligaduell zwei Wochen zuvor verloren. Wie immer machte sie sich auch nach diesem Spiel darüber Notizen, was verbessert werden muss, und nutzte das gewonnene Wissen in jenem Halbfinale. „Mir hat aber auch geholfen, dass bei der DM mit der alten Zählweise bis 21 je Satz gespielt wurde. Denn ich brauche manchmal etwas länger, um in ein Spiel hineinzufinden, und profitiere bei längeren Sätzen von meiner Fitness“, sagt Heim. Das Ergebnis: Nach drei spannenden Sätzen machte die 20-Jährige ihre zweite Finalteilnahme perfekt.

Das Endspiel gegen Fabienne Deprez entwickelte sich schließlich zu einer eindeutigen Angelegenheit. Nach einem 21:16 im ersten Satz ließ Heim ihrer Kontrahentin ab der Mitte des zweiten Abschnitts keine Chance mehr und gewann diesen klar mit 21:11. „Ich habe einfach alles gegeben und mir nur gesagt: los jetzt“, erinnert sie sich an die Gedanken während des Spiels.

Auch wenn die Erwartungshaltung von außen an eine Meisterin nun steigt, verzichtet Heim auf das Formulieren von bestimmten Zielen für die nächsten Jahre. Selbst die Olympischen Spielen in Tokio 2020 spielen mehr im Hinterkopf eine Rolle, wie Heim betont: „Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Für mich geht es jetzt auch nicht darum, nur auf die Ergebnisse zu schauen, sondern den Fokus auf die Verbesserung meines Spiels zu legen.“

Dafür trainiert sie zweimal täglich jeweils zweieinhalb Stunden am Stützpunkt in Mülheim an der Ruhr und widmet sich daneben noch ihrem Soziologie-Studium in Duisburg. Training, Bundesliga, internationale Turniere und Studium – Zeit für private Dinge bleibt da kaum noch. Ein Klagelied ist von Luise Heim dennoch nicht zu hören. Momente wie in Bielefeld erklären, warum.

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