Sebastian Vettel Die Titelverteidigung ist utopisch

HOCKENHEIM · Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel fährt aktuell nur noch hinterher. Silberpfeile sind außer Reichweite.

 Mit seiner "Gurke" nicht konkurrenzfähig ist derzeit Weltmeister Sebastian Vettel.

Mit seiner "Gurke" nicht konkurrenzfähig ist derzeit Weltmeister Sebastian Vettel.

Foto: dpa

Sebastian Vettel kennt das Gefühl zu gewinnen. Erst am vergangenen Mittwoch feierte der Heppenheimer mal wieder einen Sieg, wenn auch nur einen kleinen. Beim Benefiz-Fußballspiel "Kick for Kids 2014" gewann Vettel mit einer Auswahl aus Stars und Freunden gegen ein weiteres Prominenten-Ensemble um die ehemalige Weltfußballerin Birgit Prinz mit 3:2. Ein kleiner Erfolg, aber eine Genugtuung für eine geschundene Seele.

Nach vier WM-Titeln in Folge, 39 Grand Prix-Triumphen und 64 Podestplätzen sowie der Ehrung zum Weltsportler des Jahres 2014 ist Sand ins Getriebe des deutschen Hoffnungsträgers gekommen. Bei seinem Heimrennen auf dem Hockenheimring, unweit seines Geburtsortes Heppenheim, reichte es immerhin zu Platz vier. Aber allem voran steht wieder nur die Erkenntnis, den Anschluss an die WM-Führenden verpasst zu haben. Die vierte Titelverteidigung ist utopisch. "Ich habe heute das Optimum rausgeholt", erklärte der Heppenheimer: "Es ist natürlich schade, dass außer Apfelschorle heute nix drin ist."

Es bleibt also dabei: Mehr als zwei dritte Ränge in Malaysia und Kanada hat der erfolgsverwöhnte 27-Jährige in diesem Jahr noch nicht erreicht. Ein ungewohntes Bild. Vettel ist ein Erfolgsmensch. Als Ersatz für den verletzten Robert Kubica fuhr der damals 19-Jährige 2007 bei seinem Debüt im BMW Sauber sensationell in die Punkte. 2008 folgte im Toro Rosso die erste Pole-Position und der erste Grand-Prix-Sieg - nur einer von vielen. So zum Beispiel 2009 in Abu Dhabi, mit dem sich Vettel die Vize-Weltmeisterschaft sicherte.

Vettel prägte eine ganze Ära. Vier Weltmeistertitel in Serie, Sportler des Jahres, Weltsportler des Jahres. "Wir sind die Generation nach Michael Schumacher. Wir haben zu ihm aufgeschaut", erklärte Vettel den aktuellen deutschen Formel-1-Piloten-Boom. Tatsächlich sehen viele in ihm den würdigen Nachfolger des besten Formel-1-Fahres des Landes.

In diesem Jahr will es jedoch einfach nicht laufen. Bereits drei Rennen musste Vettel frühzeitig aufgeben. In der Fahrerwertung belegt er den sechsten Rang, mittlerweile 108 Punkte hinter dem WM-Führenden Nico Rosberg. Vettel muss zurzeit ausgerechnet einem Landsmann den Vortritt lassen. Der Wiesbadener hat Vettel zumindest für diese Saison den Rang abgelaufen.

Doch viel schlimmer schmerzt die Rangordnung im eigenen Lager. Zwar konnte Vettel seinen Stallkollegen in Hockenheim auf Distanz halten, der 25-jährige Australier Daniel Ricciardo belegt in der Gesamtwertung jedoch hinter den übermächtigen Silberpfeilen den dritten Platz.

Doch Vettel ist Sportsmann durch und durch. Er lernt zurzeit die Schattenseiten des Sports kennen, weiß aber damit umzugehen. Nicht umsonst gab er sich vor dem Heim-Grand-Prix kämpferisch. "Natürlich wäre es schön, auf dieser Strecke zu gewinnen. Ich hoffe auf die Wende", erklärte er, aber: "Wir sind sicherlich nicht die Favoriten." Recht sollte er behalten. Die Favoriten tragen den Stern auf dem Helm. Und bewiesen in Vettels "Wohnzimmer" wieder einmal ihre Ausnahmestellung: Rosberg dominierte das Rennen vom Start weg, Hamilton startete eine atemberaubende Aufholjagd und belegte Rang drei - vor Vettel.

Seit Beginn der Saison hadert der Heppenheimer mit den Regeländerungen. Die von ihm heftig kritisierte Punkte-Reform, nach der es im letzten Rennen die doppelte Punktzahl gibt, könnte sich für ihn noch als wertvoll herausstellen, wenn er im Ranking einen Sprung nach vorne machen will. Wenn er sich bis dahin auf seinen Boliden eingestellt hat. Denn durch die komplexen Regeländerungen wurde Red Bull gezwungen, einen komplett neuen Wagen zu bauen. Regeländerungen, die allerdings schon lange bekannt waren. Im Vergleich zu den Silberpfeilen ist "Suzie" nicht konkurrenzfähig, sondern - wie er sagt - eine "Gurke". Ricciardo fuhr seinen Boliden allerdings schon sechs Mal in die Top-Vier, in Montreal feierte der 25-Jährige seinen ersten Grand-Prix-Sieg überhaupt - vor Weltmeister Vettel.

Das Rennen in Hockenheim hat bewiesen, dass Vettel auch weiterhin nicht in der Lage ist, die Wende einzuleiten. Vorerst muss er sich über die kleinen Triumphe freuen - und wenn es die in einem Benefizspiel gegen eine Handvoll Prominenter sind.

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