Hallenproblematik in Bonn Der Sport rückt zusammen

Bonn · Noch können die Bonner Clubs einander helfen, aber bald droht vielen ein Kampf ums Überleben

Fast 13 Millionen Menschen sahen am vergangenen Sonntag das EM-Finale der deutschen Handballer gegen Spanien im Fernsehen. Darunter viele Kinder. Und wie immer in solchen Fällen hatte der deutsche Erfolg Aufforderungscharakter. "Im Moment ist es wieder so, dass Eltern in den Vereinen anrufen und sagen, dass ihre Kinder Handball spielen wollen", sagt Mathias Kurth.

In jeder anderen Situation würde sich der Vorsitzende des Handballkreises Bonn-Euskirchen-Sieg jetzt auf einen kleinen Boom freuen. Wie 2007, nach dem Gewinn des WM-Titels. Im Moment jedoch sagt er: "Es ist traurig." Traurig, dass der Handball Kinder fasziniert, aber die Hallen knapp werden. Schon jetzt rücken die Vereine zusammen, und wenn im Herbst die neue Saison beginnt, wird es in Bonn wahrscheinlich kaum noch Orte geben, wo man zusammenrücken kann. Noch in diesem Jahr werden, so sieht es derzeit aus, alle Wettkampf-tauglichen Hallen mit Flüchtlingen belegt sein.

Immerhin, der besondere Zuschnitt des Handballkreises ermöglicht noch die eine oder andere Notlösung. So trug die SpVgg Lülsdorf-Ranzel neulich ein Heimspiel in Mechernich aus. "Andere Vereine teilen sich Trainingszeiten", weiß Mathias Kurth. Der Funktionär registriert eine erfreuliche Solidarität, seit er die Vereine angeschrieben und darum gebeten hat: "Jetzt regeln die Mannschaften das untereinander auf dem kurzen Dienstweg."

Allein im Bereich des Stadtsportbundes Bonn spielen mehr als 900 Kinder und Jugendliche Handball. Die wollen nicht nur spielen, sondern auch trainieren. Gerade in Bonn aber könnte die Lage bald dramatisch werden. Die Gesamtschule Beuel-Ost etwa steht weit oben auf die Liste der anstehenden Schließungen. Wenn es im März/April so weit sein wird, bekommt die HSG Geislar/Oberkassel ein Problem. Nicht für die laufende Saison, aber für die nächste. Oder der TSV Bonn rrh.: Die Halle der Realschule Beuel ist bereits belegt, die angestammte TSV-Halle an der Ringstraße wird es irgendwann im Frühjahr sein. Dann haben viele höherklassige Teams des TSV kein Heimspielhalle mehr.

Auf Kreisebene ist die Spielzeit Mitte März beendet, auf Verbandsebene Mitte April. "Ich denke, diese Saison kriegen wir über die Bühne", sagt Matthias Kurth. "Aber die nächste. . ." Vorsorglich hat Bonns oberster Handballer das Sport- und Bäderamt gebeten, in jedem Bonner Stadtbezirk eine Dreifachhalle für den Sport offen zu halten. Und als letzte Konsequenz könnten Vereine auch irgendwohin in das riesige Kreisgebiet ausweichen. "In Swisttal, Rheinbach oder Euskirchen ist die Lage ja noch einigermaßen okay", weiß Kurth. Für den Fall der Fälle denkt er aber auch schon an eine ganz pragmatische Lösung: "Denkbar wäre etwa, dass die unteren Ligen übergangsweise nicht mit Hin- und Rückrunde, sondern nur eine einfache Runde spielen."

Noch bleiben die Mitglieder ihren Vereinen treu. Es gibt keinen Exodus. Weder beim Handball noch beim Basketball oder Volleyball. Allerdings glauben viele, dass es einen großen Mitgliederverlust geben wird. "Wenn die Angebote in der Halle immer weniger werden, gehen die Kinder irgendwann alle zum Fußball", meint Jochen Scheler.

Der Trainer der Oberliga-Handballer des TSV sieht eigentlich nur einen Ausweg: "Eine eigene Halle bauen. Bloß warten, das ist nichts. Vielleicht kriegt ein großer Verein wie der TSV das ja hin, wenn er eine Mitgliederumlage beschließt und Fördermittel beantragt. Wir Handballer können ja nicht ins Foyer der Beethovenhalle." Dass Scheler zum Saisonende nach 16 Jahren sein Traineramt abgibt, hat allerdings nichts mit der dramatischen Hallenproblematik zu tun. Er wollte das ohnehin.

Ein gewisser Zynismus hat sich bei Fritz Hacke breitgemacht. Der Vorsitzende des Volleyballkreises schlägt scherzhaft mögliche Ausweichorte vor, ehe er sehr ernst wird: "Kameha-Hotel, das wäre schön. Und die Rotunde auf dem Petersberg ist auch hoch genug für unseren Sport." Der Funktionär im Volleyballer hat allerdings noch keine Idee, wie und vor allem wo die nächste Saison bestritten werden soll. Schon jetzt sind die Mondorfer nach Tannenbusch ausgewichen, andere Zwangsumzüge werden folgen.

Auch beim Volleyball wollen knapp 1800 Aktive untergebracht werden. Hacke befürchtet, "dass der Wettkampfbetrieb nächste Saison auf links gedreht wird. Wenn eine Mannschaft keine Heimhalle hat, muss sie eben zweimal beim Gegner antreten - falls die Spieler das mitmachen." Weil die Hardtberghalle ganz hinten auf der Schließungsliste steht, sind zumindest die aktuellen Probleme beherrschbar. Die Drittliga-Volleyballer der SSF Fortuna Bonn etwa beenden die Saison bereits am 19. März.

Den Tischtennisspielern stellt sich ein besonderes Problem: Sie können nicht einfach umziehen. Ein gut bestückter Verein müsste seine Tische nicht nur transportieren, sondern am neuen Ort auch unterbringen können. Bei Viktoria Bonn hat das bereits zu Konsequenzen geführt. Nachdem dem Verein die Trainingshalle entzogen worden war, meldete er eine Mannschaft vom Spielbetrieb ab. Immerhin 39 Clubs spielen in Meckenheim, Bornheim, Wachtberg und Bonn um Punkte.

Mit welchen Fragen sich Vorstände befassen müssen, wenn sie keine Hardware, sprich keine Hallen mehr anbieten können, zeigt das Beispiel BG Bonn. Deutschlands siebtgrößter Basketballverein verteilt seine rund 600 Mitglieder auf vier Hallen: Pennenfeld, Elisabeth-Selbert-Gesamtschule, Nicolaus-Cusanus-Gymnasium, Wasserland. Alle Hallen werden irgendwann mit Flüchtlingen belegt. Die Halle Wasserland sehr früh, der Sportpark Pennenfeld recht spät. "Wir prüfen gerade, ob unsere Mitglieder in solchen Fällen ein Sonderkündigungsrecht haben", sagt Thorsten Müller, der Vorsitzende. Müller hat im Gespräch mit einem Radiojournalisten erfahren, "dass Bonn und Bremen deutschlandweit die einzigen Städte sind, die fast ausschließlich Sporthallen mit Flüchtlingen belegen. Die anderen Städte haben verstanden, dass Sport ein Integrationsfaktor ist. Ich frage mich, weshalb die Stadt Bonn noch nie an Wohnwagen gedacht hat."

Was nach dieser Saison passiert, weiß der BG-Vorsitzende noch nicht. "Wir müssen alle Möglichkeiten durchspielen. Auch die, den Betrieb einzustellen."

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