Kommentar Der Patient muss in Kur

Wenn an einem Wochenende zur Ferienzeit 170.000 Zuschauer in die Eifel strömen, um am Nürburgring einen Truck-Grand-Prix zu erleben und gleichzeitig ganze 52.000 Motorsportfans die Formel 1 am Hockenheimring sehen wollen, dann muss das Gründe haben. Doch mit Erklärungen für das immer größer werdende Desinteresse am PS-Zirkus der Königsklasse gerade im Autoland Deutschland tun sich die Protagonisten schwer.

Gerne werden die Ticketpreise - in Hockenheim lagen sie zwischen 165 und über 500 Euro - als Ursache für den scheinbar unaufhaltsamen Zuschauerrückgang genannt. Den echten Fan haben solche Preise aber noch nie abgeschreckt. Dass der Patient Formel 1 dringend eine Frischzellenkur benötigt, hat andere, tiefer greifende Ursachen.

Nach der Ära eines Michael Schumacher ist die Zahl der Charakterköpfe im Feld - sagen wir - überschaubar. Erst siegt sich Sebastian Vettel vier Jahre lang zur Langeweile, jetzt ist einzig noch die Frage, welcher Silberpfeil als erster die Ziellinie überquert. Jede Sportart aber braucht Spannung, vermarktbare Helden. Talentfreie Bezahlfahrer, die noch Geld mitbringen, helfen da nur kurzfristig weiter. Viele Teams sind nur Staffage, um das Feld aufzufüllen. Finanziell wettbewerbsfähig sind die wenigsten.

Wenn dann auch noch das Regelwerk ständig in einem Maße verändert wird, dass der "normale" Fan nicht mehr wissen kann, was erlaubt ist und was nicht ("Auto, Motor, Sport" hat 77 gravierende Regeländerungen seit 2005 aufgelistet) - dann hat die Formel 1 ein wirkliches Problem.

Rennen an die Fleischtöpfe in Russland, Bahrein oder Malaysia zu vergeben, hilft da nur bedingt weiter. Diese Länder sind zwar bereit, die horrenden Antrittssummen, die Bernie Ecclestone verlangt, ohne Wenn und Aber zu bezahlen, einen Expansionsmarkt etwa für Mercedes bieten sie jedoch kaum.

Die Formel 1 muss neue Wege gehen. Kostenreduzierung ist der erste und wichtigste Punkt. Sonst hat bald niemand mehr Lust, den im Kreis fahrenden Piloten zuzusehen.

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