Idylle mit steilen Abfahrten Der GA testet Etappen der Deutschlandtour

BONN · GA-Mitarbeiter Sebastian Knauth fuhr dem großen Feld der Deutschland-Tour schon einmal voraus und erkundete die Strecke von Windhagen über die Bonner Innenstadt bis nach Niederadenau.

Wenige Häuser, alte Höfe und ein betonierter Unterstand, der als Bushaltestelle dient. Das Örtchen Hohn strahlt an diesem Morgen eine idyllische Ruhe aus. Doch damit könnte es am kommenden Donnerstag vorbei sein. Die Neuauflage der Deutschland-Tour rollt mit dem gesamten Tross von Fahrern und Begleitfahrzeugen durch den beschaulichen Ort oberhalb des Wiedtals. Für die Akteure geht es dann um viel, denn im kleinen Ortsteil von Windhagen befindet sich die einzige Bergwertung auf der 157 Kilometer langen ersten Etappe von Koblenz nach Bonn.

Bis zum Sonntag auf dem Weg nach Stuttgart wird es noch einige Höhenmeter zu absolvieren geben. Wer am Donnerstagabend das schwarz-weiße Bergtrikot überstreifen möchte, muss jedoch in Hohn als erster über den Berg kommen. Ich selbst starte meine Streckenerkundung durch das GA-Verbreitungsgebiet an der Bergwertung und schenke mir den Anstieg – schließlich liegen noch knapp 80 Kilometer Strecke vor mir.

Zunächst geht es in engen Kurven bergab in Richtung der Landesgrenze von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Fachwerkhäuser und kleine Ortschaften lassen den Trubel im Rheintal noch nicht erahnen. Die Rennfahrer werden die schöne Landschaft sicher nicht genießen können. Knapp 35 Kilometer vor der Ziellinie in Bonn werden die Teams ihre Topfahrer bereits in Stellung bringen. Unmittelbar an der Brücke über den Schweifelder Bach, kurz hinter der gleichnamigen Ortschaft, kreuzt ein Rehkitz die Straße. Für mein kontrolliertes Tempo kein Problem. Ich bremse ab und werde stummer Zeuge dieser seltenen Begegnung. Nach Rederscheid geht es über die Landesgrenze nach Rottbitze. Die Tour erreicht Nordrhein-Westfalen. Über die Landstraße 143 lässt es sich bei leichtem Gefälle sehr angenehm rollen, es geht über die Orte Aegidienberg, Nonnenberg und Uthweiler nach Birlinghoven. Kleinere Wellen im Streckenprofil sorgen bei mir für überhöhten Puls.

Bevor das Fahrerfeld der Deutschland-Tour Stieldorf erreicht, sorgt eine automatische Geschwindigkeitsanzeige für gedrosseltes Tempo bei den Autofahrern. Am Donnerstag dürfte das darauf abgebildete lächelnde Gesicht durchgehend verärgert sein. Die Geschwindigkeit des Pelotons wird deutlich höher sein als die erlaubten Vorgaben. Ein besonderer Reiz in Stieldorf ist eine Zeitbonifikation. Bedeutet: Die ersten drei Fahrer bekommen am Ende der Etappe noch Zeitgutschriften in Höhe von drei, zwei und einer Sekunde.

Nach einer rasanten Abfahrt über die Oberkasseler Straße geht es erstmals über die Bonner Stadtgrenze nach Beuel. Nichts ist mehr von der Ruhe und Idylle an der südlichen Seite des Siebengebirges zu spüren. Dichter Verkehr und Baustellen sorgen bei der Anfahrt zur Ziellinie auf der Adenauerallee für Unmut. Entlang der Universität geht es am Hofgarten auf die Adenauerallee. Von dort in Richtung Süden. Am Bonner Trajektknoten macht das Feld einen 180-Grad-Bogen und sprintet dem Ziel am Koblenzer Tor entgegen. Wer nicht zur Siegerehrung darf, kann sich im Hotel für die zweite Etappe ausruhen. Diese führt über 212 Kilometer von Bonn nach Trier.

Ich verzichte auf eine Nacht Pause und fahre direkt weiter zum nächsten Etappenstart am Poppelsdorfer Schloss. Vor historischer Kulisse kommt es am Freitag zum fiktiven Start, und das Fahrerfeld rollt direkt bergauf – ausgerechnet über die Trierer Straße Richtung Trier. Nach einer, zumindest für meine Verhältnisse, langen Kletterpartie erfolgt in Röttgen der reguläre Start. Ab sofort darf attackiert werden.

Wenige Meter später sind Baumschulen und Apfelbäume stumme Zeugen bei der Anfahrt auf Meckenheim. Bei Temperaturen um die 30 Grad schwitze ich stark und freue mich über etwas Wind. Wie man es trotz hoher Temperaturen wohl ganz gut aushalten kann, zeigt ein älterer Herr vor mir: Lediglich mit einer Feinrippunterhose bekleidet, radelt dieser entspannt seinem Ziel entgegen. Ich nehme Kurs auf Adendorf und erreiche über kleinere Ortschaften der Gemeinde Grafschaft die Kalenborner Höhe. Dort bietet sich ein toller Ausblick auf das Siebengebirge und den Neubau von Haribo. Eine kurvenreiche Abfahrt bringt mich hinunter ins Ahrtal.

Motorradfahrer und Touristen sorgen für volle Straßen in Altenahr. Hoch über dem engen Tal liegt die Ruine der Burg Are. Als Zeuge vergangener Jahrhunderte dürfte dem alten Gemäuer ein Kameraüberflug mit dem Hubschrauber sicher sein. Wanderer erhalten von der Burg am Tourtag einen besonderen Blick auf das Geschehen. Flussaufwärts in Altenburg sitzen Camper mit Stühlen in der Ahr und verschaffen sich Abkühlung. Am Renntag sollten diese Plätze aber vorübergehend verlassen werden, denn der Blick auf die erhöhte Straße wird hier durch Bäume und Gebüsch erschwert. Eine Flussbiegung weiter liegt der Ort Kreuzberg. Wie in Altenahr wird die Kulisse von einem stummen Zeugen der Vergangenheit geprägt: Burg Kreuzberg liegt auf einem kleinen Felsen im Tal. Sie befindet sich in Privatbesitz.

Auf der Bundesstraße 257 geht es weiter entlang des kleinen Flusses zu meinem persönlichen Zielort Niederadenau. Trucks von Motorsportteams parken an der Straße und lassen die Nähe zum Nürburgring erahnen. Ohne Hilfe von Pferdestärken erreiche ich das Ziel. Für die Fahrer ist es auf der zweiten Etappe die erste Sprintwertung des Tages. Weitere 157 Kilometer müssen bis Trier absolviert werden. Ich steige an diesem Punkt aus und stelle fest, dass mich die Ruhe und Idylle wie am Anfang der Entdeckungsfahrt wieder eingeholt haben – wenn nicht ein vorbeifahrender Lkw den Lautstärkepegel nach oben treiben würde.

Fazit: Die beiden Tage im Rheinland werden für die Fahrer alles andere als leicht. Viele und teilweise sehr enge Kurven werden bei der Zielankunft in Bonn immer wieder für Tempowechsel sorgen und den Sprinterteams einiges an Führungsarbeit abverlangen. Der Start in die zweite Etappe über die Trierer Straße hat mich einiges an Kraft gekostet. Dem Hauptfeld wird die Kletterpartie hingegen nicht schwerfallen. Volle Konzentration ist auf der Abfahrt von der Kalenborner Höhe nach Altenahr gefordert. Steiles Gefälle, enge Kurven und viel Verkehr erlauben nur wenige Blicke an den Seitenrand. Es hat trotzdem Spaß gemacht.

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