Fechten in Bonn Das Wunder bleibt aus

BONN · „Löwe von Bonn“: Nach großem Kampf ereilt die Herrenflorettfechter das Olympia-Aus. Der Engländer Davis triumphiert.

 Bundestrainer Uli Schreck (rechts) und sein jüngster Schützling, André Sanita.

Bundestrainer Uli Schreck (rechts) und sein jüngster Schützling, André Sanita.

Foto: Wolfgang Henry

"Wunder gibt es immer wieder“, sang einst Katja Ebstein. Beim Weltcupturnier „Löwe von Bonn“ hofften die deutschen Herrenflorettfechter darauf allerdings vergebens. Im entscheidenden Wettbewerb für die Olympia-Qualifikation war für die Schützlinge von Bundestrainer Uli Schreck im Viertelfinale gegen Frankreich Endstation (41:45). Sie hätten gestern mindestens Zweiter werden müssen, um noch das Ticket nach Rio zu lösen.

Im Einzelwettbewerb hatte am Samstag James-Andrew Davis Geschichte geschrieben. Bei der 44. Auflage des traditionsreichen Turniers, das seit jeher vom OFC Bonn ausgerichtet wird, trug er sich als erster Engländer in die Siegerliste ein. Als er im Finale aber den entscheidenden Treffer gegen den Amerikaner Miles Chamley-Watson gesetzt hatte, reagierte er eher unterkühlt – als wenn es das Normalste der Welt wäre.

Dabei ist sein Sieg ein Zeichen dafür, wie sehr sich die Kräfteverhältnisse im Fechten in den vergangenen Jahren verändert haben. „Früher haben wir über die Engländer gelacht“, blickte OFC-Urgestein Wilfried Wolfgarten zurück, der früher selbst Florettfechter und später unter anderem Leiter des Bundesleistungszentrums in Bonn war.

Gestern im Team-Wettbewerb mussten die Klingenkünstler von der Insel aber zunächst zittern. Denn die deutsche Équipe packte die Chance beim Schopfe, die ihr von der Turnierauslosung präsentiert wurde: ein Duell mit den Briten schon im Achtelfinale. Nach einem packenden Kampf wurde André Sanita zum umjubelten Interims-Helden.

Der OFC-Fechter hatte den Vorzug vor seinem enttäuschten Vereinskollegen Moritz Kröplin bekommen und war hinter Peter Joppich (Koblenz), Sebastian Bachmann und Benjamin Kleibrink (beide Tauberbischofsheim) als Ersatzfechter nominiert worden. Als es bei Kleibrink nicht so gut lief, schickte Schreck seinen jüngsten Schützling auf die Planche.

Sanita fand beim 34:32-Zwischenstand aber zunächst gegen Löwen-Gewinner Davis nicht die richtige Einstellung, lag mit vier Punkten zurück, um dann eine leidenschaftliche Aufholjagd zu starten. Mit Ablauf der Uhr schaffte er den 40:40-Ausgleich. Im Sudden Death musste der nächste Treffer entscheiden. Der Bonner stürmte entschlossen nach vorn, um unter dem frenetischen Jubel der Zuschauer und seiner Teamkameraden den entscheidenden Treffer zum Viertelfinaleinzug zu setzen. „Davis hat auf Abwarten gefochten, um mich zu überraschen, aber ich wollte diesen Treffer unbedingt“, erklärte Sanita. „Hut ab vor den Jungs. Das haben sie richtig gut gemacht, und die Stimmung war riesig. Echte Heimatmosphäre“, durfte sich Schreck da noch freuen. Im weiteren Turnierverlauf hätte sein Team die 25 Punkte Rückstand auf die Briten mit Platz zwei wettmachen können.

Gegen die Franzosen wurden diese Hoffnungen zu Beginn eher noch beflügelt. Kleibrink brachte sein Team mit 15:7 nach vorn, zwischenzeitlich war der Vorsprung sogar neun Punkte groß. Als aber Bachmann beim 20:14 auf Joppich übergab, wurde der Koblenzer vom Franzosen Julien Mertine überrollt: 23:25. Kleibrink hielt den Rückstand noch im Rahmen (27:30), doch nach Bachmanns Gefecht gegen Erwan Le Pechoux – Dritter im Einzel – enteilte der Gegner vorentscheidend auf 35:28.

Wie kraftlos sackten die Schreck-Schützlinge nach dem entscheidenden Treffer auf die Stühle in der deutschen Box – tief enttäuscht, mit leerem Blick, lange nicht ansprechbar. „Wir haben alles gegeben und als Team gefochten, aber leider hat es nicht gereicht. Gegen Weltklassefechter kann man auch einen Neun-Punkte-Vorsprung verlieren“, sagte Sanita dann. So sah es auch Uli Schreck. „Im Mannschaftskampf kann das Momentum schnell wechseln. Die Franzosen haben individuell großes Potenzial, das haben sie dann abgerufen“, sagte der 53-Jährige. Die Einzel-Ergebnisse beim „Löwen“ verdeutlichen das. Unter den ersten 20 waren vier Franzosen, Erst auf Rang 19 kam Peter Joppich, weiter hinten landeten André Sanita (42.), Sebastian Bachmann (52.), Marius Braun (OFC, 80.), Benjamin Kleibrink (91.) und Moritz Kröplin (97.).

In den Platzierungsgefechten des Mannschaftswettbewerbs gegen Korea (42:45) und Japan (40:45) war die Luft raus, sodass die Deutschen im Gesamtklassement auf Rang acht landeten. Den Sieg trugen die Russen davon, die im Finale Italien mit 45:39 bezwangen. Auf Rang drei landeten Frankreich und China.

„Wir müssen nun unseren Blick in die Zukunft richten. Es muss einen Neuaufbau geben. Zunächst gilt es aber, den Fokus auf das Einzel zu richten. Alle aus dem Team müssen mithelfen, dass Peter Joppich sich optimal auf Rio vorbereitet“, erklärte Dieter Lammer, kommissarischer Präsident des Deutschen Fechter-Bundes. Joppich qualifizierte sich über die Einzel-Rangliste für Rio. Wie besagter Neuaufbau aussehen könnte, wird sich erst im November abzeichnen, wenn das DFeB-Präsidium neu gewählt wird.

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