GA-Serie "Die Sonntagskicker" Vereinsliebe: Rheinische Frohnatur mit Torgarantie

BONN · Der Ball wird genau durch die Gasse gepasst. Die Spielerin mit der Rückennummer 7 reagiert sofort. Mit ihrer hohen Geschwindigkeit lässt sie die Gegenspielerin stehen, noch ein geschickter Schlenker und schon ist die Torhüterin des Gegners machtlos. Carolin Schraa vollendet souverän zum zwischenzeitlichen 8:0 gegen den FC Hertha Rheidt.

Für die Mannschaftskolleginnen bei den Sportfreunden Ippendorf ist das Tor nichts Besonderes, denn die Stürmerin trifft nicht zum ersten Mal. Im Gegenteil: Schraa hat gerade das 94. Tor in ihrem 47. Pflichtspiel erzielt. Zwei Treffer pro Begegnung - ein Wert, von dem FC-Stürmer Anthony Modeste im Moment nur träumen kann.

"Wenn ich auf dem Platz stehe, will ich immer das Maximale erreichen. Ich bin sehr ehrgeizig", sagt Schraa. Diese Eigenschaft hat sie schon in ihrer Kindheit gezeigt. Bereits in jungen Jahren kickte Schraa mit den Jungs aus der Nachbarschaft auf der Straße. Der Vater eines Freundes schlug damals vor, sie mit zum VfL Lengsdorf zu nehmen. Dort spielte sie zunächst in der D-Jugend. Ihr Talent wurde früh erkannt. Scouts luden sie in verschiedene Auswahlmannschaften ein.

Unter anderem spielte Schraa für ein Team unter Frauenfußball-Weltmeisterin Bettina Wiegmann. "Ich traue ihr auf jeden Fall zu, auch ganz oben mitzuspielen. Sie ist schnell, fit und hat einen super Schuss", sagt Mitspielerin Miriam Max, die bereits für zahlreiche Bundesligisten aktiv war. "Carolin kann jederzeit den Unterschied ausmachen. Sie hat eine eingebaute Torgarantie."

Doch Fußball ist nicht alles in Schraas Leben. Ihre sportliche Laufbahn begann in einem Tennisverein. Schließlich sind ihre Eltern begeisterte Tennisspieler und steckten mit dieser Leidenschaft die ganze Familie an. Dem Tennis ist die gebürtige Bonnerin beim TC Grün-Weiß Am Kreuzberg bis heute treu geblieben. Sie ist im Besitz eines Trainerscheins, gibt Tennisunterricht für den Nachwuchs und betreut zusätzlich noch zwei Damenmannschaften. Ganz nebenbei studiert die 24-Jährige. Das Studium der Medizin brach sie nach dem Physikum ab.

Fußball trotz vollen Terminkalenders

"Die Entscheidung ist mir schwergefallen. Aber ich habe gemerkt, dass das nichts für mich ist", sagt sie. Schraa ist zielstrebig. Nicht nur vor dem Tor. Sie weiß, was sie will. Jetzt studiert sie Biologie und Deutsch auf Lehramt. Trotz des vollen Terminkalenders darf der Fußball dabei nicht zu kurz kommen.

Doch das war nicht immer so. Zur Juniorenzeit hatte sich Schraa gegen das Leder entschieden, die Schuhe an den Nagel gehängt. Erst im Sommer 2012 fand sie zurück auf den Sportplatz. Sie heuerte bei den Sportfreunden Ippendorf an - und startete ihre beeindruckende Torjagd. Neben den 94 Treffern bereitete Schraa im selben Zeitraum auch noch 37 Tore vor. "Carolin hat schon eine enorme Qualität", sagt auch Hertha Rheidts Trainer Markus Thüren an diesem Nachmittag. "Aber deswegen kann ich keine Einzelbewachung für sie abstellen."

Doch die hätte Schraa nötig. Auch in dieser Spielzeit hat sie bereits zwölf Tore in sechs Spielen geschossen und führt damit souverän die Torjägerliste der Mittelrheinliga an. "Es ist klar, dass dazu auch immer eine Mannschaft gehört. Ohne diese tollen Pässe könnte ich nicht so oft treffen", sagt die 24-Jährige bescheiden.

Der Erfolg weckt Begehrlichkeiten. Die Sportfreunde wollen in dieser Saison den Aufstieg in die Regionalliga perfekt machen. "Das wäre für Bonn schon eine Wahnsinnssache", sagt Schraa. Die Chancen stehen gut. Zurzeit belegen die Sportfreunde in der Mittelrheinliga den dritten Platz. Der Aufstieg ist bei einem Spiel weniger und zwei Punkten Rückstand auf den Spitzenreiter in Reichweite und das erklärte Ziel der ambitionierten Mannschaft. In einigen Tests gegen Regionalligisten schnupperte Ippendorf sogar bereits erfolgreich in die höhere Klasse hinein.

"Caro ist die Seele unserer Mannschaft"

Den Wechsel zu einem höherklassigen Verein könnte sich Schraa schon vorstellen, doch momentan fühlt sie sich bei ihrer Mannschaft wohl. "Caro ist die Seele unserer Mannschaft. Sie zieht mit ihrer Qualität meistens zwei Gegenspielerinnen auf sich, das bietet wieder mehr Raum für die anderen", sagt Sportfreunde-Trainer Wilfried Klein über seine Ausnahmestürmerin.

Gegen Hertha Rheidt will es diesmal nicht so richtig klappen. Trotz zahlreicher Chancen bleibt es bei dem einen Treffer. Sehr zur Freude ihrer Mannschaftskolleginnen, die sich den einen oder anderen Spruch nicht verkneifen können.

Schraa trägt das mit Humor. Sie ist Rheinländerin durch und durch, liebt den Karneval, die rheinische Mentalität. Auch wenn es mal nicht rundläuft, bleibt sie gelassen. Denn gerade im Rheinland weiß man: Selbst ein Stürmer mit Torgarantie hat schon mal Ladehemmungen.

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