Rot-Weiss Essen Hennefs Gegner RW Essen hat stürmische Zeiten erlebt

BONN · Ein Anruf bei Willi Lippens, Restaurantbesitzer mit niederländischem Pass, vor allem aber: Fußball-Legende von Rot-Weiss Essen, ein Original. "Und wenn da Helmut Schmidt dran is, ich bin nich da", schalt es im feinsten Ruhrgebietsdeutsch aus dem Hintergrund, während seine Frau versucht zu verbinden.

Essener Idol: Kultfußballer Willi "Ente" Lippens, der mitten im Pott ein Restaurant betreibt.

Essener Idol: Kultfußballer Willi "Ente" Lippens, der mitten im Pott ein Restaurant betreibt.

Foto: WDR/dpa

434 Mal lief Lippens für RWE auf. Vereinsrekord. 233 Tore erzielte er dabei. Noch ein Vereinsrekord. Trotzdem sind es weniger seine Einsätze und Tore, die ihn bis heute zum Idol machen. Lippens verkörpert den Arbeiterverein aus dem Essener Norden: Ehrlich, nie um einen flotten Spruch verlegen, bejubelt, geliebt - und ein wenig chaotisch und glücklos.

Mit "ich danke Sie" antwortet er 1965 einem Schiedsrichter, der nach einem Foul auf ihn zugelaufen kam und ihm zurief: "Herr Lippens, ich verwarne Ihnen." Für den Spruch flog er vom Platz. Mehr als Platz acht in der Bundesliga sprang für die "Ente", wie Lippens ob seines Gangs gerufen wurde, nie heraus. Für die WM 1974 mit der holländischen Nationalmannschaft reichte es nicht, weil seine Mitspieler ihn, gebürtig in Kleve mit holländischem Vater, nicht als Niederländer akzeptierten. Nach nur einem Länderspiel (in dem er traf) wurde er nie mehr nominiert.

Für Rot-Weiss Essen hingegen stehen in 107 Jahren Vereinsgeschichte zwar eine Meisterschaft (1955) und ein Pokalsieg (1953) zu Buche, doch Profifußball haben sie an der Hafenstraße im Ortsteil Bergeborbeck schon lange nicht mehr gesehen. 2007 stieg RWE in die Regionalliga ab, 2010 ging es in die Insolvenz und damit in die fünfte Liga. Seither erholt sich der Verein langsam. Eine neue Geschäftsführung wurde eingesetzt - und Willi "Ente" Lippens zurück in den Verein geholt, von dem er sich in den 90ern im Streit getrennt hat. Heute sieht man ihn wieder regelmäßig als Gast an der Hafenstraße, eine Ente wurde zum Vereinsmaskottchen gemacht.

Beste Gelegenheit also, sich mit der RWE-Legende zum Gespräch zu verabreden. Obwohl am anderen Ende der Leitung nicht der ehemalige Bundeskanzler ist, drückt Frau Lippens ihrem Mann den Hörer in die Hand. "Wat is? Ach, über RWE wollense reden? Können wa gerne machen, ich bin am Sonntach beim Spiel, 13 Uhr inne Geschäftsstelle."

Die fünfte Liga hat Rot-Weiss Essen schon 2011 wieder hinter sich gelassen, doch seit zwei Jahren stagniert der Verein nun in der vierten Liga - trotz neuem Stadion, das seit vergangener Saison fertig ist und für das die Fans nach der Insolvenz zu Tausenden demonstrierten. "Was Rot-Weiss ausmacht, sind die Emotionen, die Liebe der Fans", weiß Dirk Helmig, noch so ein alter Haudegen. In zwölf Jahren schnürte er 342 Mal die Schuhe für RWE, von der zweiten bis in die vierte Liga.

Während für Vereine wie den kommenden Essener Gegner FC Hennef die große Fanschar des Traditionsvereins organisatorische Hürden verursacht, sind und waren sie für RWE stets das größte Kapital. 14.000 Zuschauer sind an diesem Oktobersonntag gegen Wattenscheid 09 gekommen, Rekordkulisse für ein Spiel der Regionalliga-West - "das war schon immer so", sagt Helmig. Natürlich, bei allem sportlichen Auf und Ab, herrschten auch unter den Fans oftmals chaotische Zustände.

Die Westkurve im ehemaligen Georg-Melches Stadion hat manch unrühmliche Schlagzeile geschrieben. "Immer Ärger mit den Jungs aus der Westkurve", heißt daher nicht umsonst ein Dokumentarfilm aus den 70er Jahren über die Fanszene von RWE. Auch in dieser Saison versuchten die Fans schon einmal, die Kabine zu stürmen, nachdem das Duell mit dem Essener Ortsverein FC Kray verloren ging.

Läuft es aber einmal rund, herrscht an der Essener Hafenstraße auch in der Regionalliga eine Atmosphäre, die mindestens Zweitligatauglichkeit erreicht. Dann singen sie in der Westkurve vom "Deutschen Meister, RWE" oder verabschieden den Gast mit dem höhnischen Gesang: "Wir steigen auf, und ihr steigt ab."

Hart, herzlich - chaotisch. Wer am Ende des "Sonntachs" nicht auftaucht, ist Willi "Ente" Lippens. Kein Gespräch über "Ich danke Sie", aber immerhin, seine Rot-Weissen besiegen Wattenscheid mit 6:0 und rutschen auf Platz zwei. Es scheint, es gehe langsam wieder aufwärts.

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