Interview mit Sascha Stegemann "Eine klare Linie ist wichtig"

NIEDERKASSEL · Wenn am Freitag, 22. August, die neue Saison der 1. Fußball-Bundesliga eingeläutet wird, dann ist auch ein Aktiver aus dem Kreis Sieg mit von der Partie: Sascha Stegemann aus Niederkassel darf ab sofort als Schiedsrichter Begegnungen der deutschen Eliteliga leiten. Mit dem Senkrechtstarter unter den deutschen Referees sprach GA-Mitarbeiter Wolfgang Ley.

 Klare Linie, eigener Stil: Der Niederkasseler Sascha Stegemann ist in den Kreis der Bundesliga-Schiedsrichter aufgestiegen.

Klare Linie, eigener Stil: Der Niederkasseler Sascha Stegemann ist in den Kreis der Bundesliga-Schiedsrichter aufgestiegen.

Foto: dpa

Haben Sie überhaupt schon realisiert, dass Sie künftig mittendrin in der 1. Liga sind?
Sascha Stegemann: Anfangs war dies nicht so wirklich greifbar, aber in und mit der Vorbereitung auf die neue Saison wird einem dies so langsam bewusst. Nichtsdestotrotz bin ich ja im Augenblick eigentlich nur auf dem Papier Erstliga-Schiedsrichter. Noch habe ich kein Spiel gepfiffen. Dementsprechend könnte es jetzt allmählich losgehen.

Aber die Aufregung wird größer, je näher der Bundesliga-Start rückt. . .?
Stegemann: Die Aufregung nicht, aber die Vorfreude wächst von Tag zu Tag. Du bereitest dich eben so gewissenhaft wie möglich vor, um am Tag X fit zu sein.

Wie sieht denn Ihre Vorbereitung aus?
Stegemann: Seit Mitte Juni bin ich wieder im Training. Erst waren drei Wochen Grundlagenausdauer angesagt, dann zwei Wochen Schnelligkeitsausdauer. Es folgte ein DFB-Lehrgang in Grassau am Chiemsee mit dem Schwerpunkt der Weltmeisterschafts-Nachbereitung. Außerdem war ich auch schon zweimal international im Einsatz.

Bei welchen Anlässen?
Stegemann: Bei der Qualifikation zur Europa-League war ich bei Spielen in Montenegro und Serbien als vierter Offizieller eingeteilt. Ich bin jetzt quasi schon "Balkan-Experte". Das waren hochinteressante Erfahrungen; der Blick über den Tellerrand hinaus ist nicht schlecht.

Was halten Sie vom Freistoßspray?
Stegemann: Als ich das erste Mal davon hörte, war ich skeptisch - allerdings muss ich nach vier Wochen WM sagen, dass der Einsatz des Sprays im Einzelfall doch nützlich sein kann. Insoweit bin ich auf die Erfahrungsberichte unseres WM-Schiedsrichters Felix Brych gespannt.

Fühlen Sie sich denn nun gerüstet für die deutsche Eliteklasse?
Stegemann: Ja, absolut. Ich kenne die 1. Liga ja bereits aus meiner Tätigkeit als Schiedsrichterassistent. Die Bundesliga hat technisch noch einmal ein deutlich höheres Niveau; zudem wird dort wesentlich schneller gespielt. Aber ich ha-be mich professionell vorbereitet und im Vorfeld alles getan, um den Anforderungen gerecht zu werden.

Was bedeutet das für die Spielleitung?
Stegemann: Wir haben beim DFB-Lehrgang noch einmal die Sinne geschärft, so zum Beispiel auch im Bereich Disziplinarkontrolle. Wann ist ein Foul rücksichtslos, wann gesundheitsgefährdend? Klare Vergehen erfordern entsprechende Maßnahmen, andernfalls erhöht sich die Gefahr, dass sich ein Spiel in die falsche Richtung entwickelt.

Heißt das, dass Sie auf dem Spielfeld die harte Linie fahren?
Stegemann: Sagen wir: eine klare Linie. Dies ist wichtig, da Gutheit und Nachsichtigkeit leider häufig falsch verstanden werden. Das hat sich in meiner Laufbahn immer wieder gezeigt.

Aber das muss nicht gleichbedeutend sein mit einem "Kartenspiel". . .
Stegemann: Nein. Es gibt auch andere Mittel und Wege, um ein Spiel in die richtigen Bahnen zu lenken. Im Spiel hast du mit zahlreichen verschiedenen Charakteren zu tun. Also musst du dir quasi einen Handwerkskoffer zurechtlegen, in dem sich möglichst viele Werkzeuge befinden. Nur so kannst du auf entsprechende Situationen und Spielerpersönlichkeiten angemessen reagieren. Oberste Priorität hat jedoch die Klarheit beziehungsweise Nachvollziehbarkeit für alle Beteiligten. Bei einem Kartenspiel werden viele ebenso mit dem Kopf schütteln wie bei fehlenden Reaktionen auf unauslegbare, harte Vergehen.

Gibt es unter den zahlreichen deutschen Top-Schiedsrichtern, vielleicht auch unter den Fifa-Referees, Vorbilder, an denen Sie sich orientieren?
Stegemann: Nein. Du musst deinen eigenen Stil und deine eigene Persönlichkeit entwickeln. Du darfst aber nicht stur mit dem Kopf durch die Wand gehen, sondern musst dich auch stets selbst kritisch hinterfragen. Du sollst ein Spiel schließlich leiten - mit Sinn und Verstand.

Glauben Sie, dass sich Ihr Leben durch die Popularität als Bundesliga-Schiedsrichter ändern wird?
Stegemann: Natürlich ist das Leben von Juli bis Mai absolut dem Fußball unterstellt. Darüber hinaus bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich als Bundesliga-Schiedsrichter noch mehr im Fokus der Öffentlichkeit stehe, als das bislang in der 2. Liga schon der Fall war. Derzeit ist jedoch noch alles beim Alten - in Niederkassel jedenfalls kann ich noch ganz normal durch die Straßen gehen, ohne ständig angesprochen zu werden.

Was machen Sie, wenn Sie mal nicht pfeifen?
Stegemann: Schiedsrichterei ist mehr als die 90 Minuten auf dem Spielfeld. Es entfällt viel Zeit auf das Verfolgen des Tagesgeschehens, die Nachbereitung der eigenen Spielleitungen sowie das Training im Fitnessstudio, auf der Tartanbahn oder meiner Lieblingslaufstrecke am Rheidter Werthchen. Die restliche, knapp bemessene Freizeit verbringe ich gerne mit Freunden und Familie - vorzugsweise bei einem guten Essen.

Zur Person

Sascha Stegemann, geboren am 6. Dezember 1984, ist von Beruf Diplom-Verwaltungswirt. Mit der Schiedsrichterei begann er bereits 1997 als Jung-Schiri, damals noch für den FC Hertha Rheidt. Seit 2008 steht der 1,89 Meter große Niederkasseler auf der DFB-Liste, seit 2012 leitet er bereits Spiele der 2. Bundesliga.

Fixgehalt und Honorar

Im Jahre 2012 führte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Rahmen der Professionalisierung des Schiedsrichterwesens ein Grundgehalt für die Unparteiischen der höchsten deutschen Spielklassen ein, das zur vergangenen Saison noch einmal erhöht wurde.

Denn insbesondere die Erstliga- und Fifa-Referees sind im Dienste ihres "Hobbys" quasi dauernd unterwegs und haben für ihren eigentlichen "Hauptberuf" kaum noch Zeit. Schließlich kommen zu den Spielleitungen noch diverse Fortbildungen, Lehrgänge, DVD-Studien und Trainingseinheiten, um fit für die Anforderungen des Profifußballs zu sein.

In der abgelaufenen Spielzeit erhielten die Fifa-Schiedsrichter der Top-Klasse ein Grundgehalt von 60.000 Euro (vorher 40.000); bis zur Saison 2016/17 soll der Betrag jedoch schrittweise noch auf 75.000 Euro steigen. Fifa-Schiris und Bundesliga-Unparteiische mit mehr als fünf Jahren Erfahrung bekommen seit der vorigen Saison 50.000 (statt bislang 30.000) Euro; für alle anderen Erstliga-Schiris ist ein Festbetrag von 40.000 Euro vorgesehen, der sich bis 2016/17 auf 55 000 Euro erhöhen soll.

Zu diesen Beträgen kommen die Honorare für die Spielleitungen: Diese liegen in der 1. Liga bei 3800 Euro, in der 2. Liga bei 2000 Euro pro Einsatz.

Die Erstliga-Referees

Insgesamt gehören 24 Unparteiische dem Kreis der deutschen Erstliga-Schiedsrichter an. 18 weitere Referees kommen in der 2. Liga zum Einsatz. Die Erstliga-Schiedsrichter der Saison 14/15:

  • Deniz Aytekin (Oberasbach)
  • Felix Brych (München)
  • Bastian Dankert (Rostock)
  • Christian Dingert (Lebecksmühle)
  • Jochen Drees (Münst.-Sarmsheim)
  • Marco Fritz (Korb)
  • Peter Gagelmann (Bremen)
  • Manuel Gräfe (Berlin)
  • Robert Hartmann (Wangen)
  • Thorsten Kinhöfer (Herne)
  • Knut Kircher (Rottenburg)
  • Florian Meyer (Burgdorf)
  • Günter Perl (Pullach)
  • Markus Schmidt (Stuttgart)
  • Daniel Siebert (Berlin)
  • Peter Sippel (München)
  • Wolfgang Stark (Ergolding)
  • Sascha Stegemann (Niederkassel)
  • Tobias Stieler (Hamburg)
  • Michael Weiner (Giesen)
  • Tobias Welz (Wiesbaden)
  • Markus Wingenbach (Mainz)
  • Guido Winkmann (Kerken)
  • Felix Zwayer (Berlin)
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