Olympia-Tagebuch Ach Düsseldorf, wir passen nicht

Meinung | Rio de Janeiro · Es ist ja immer so eine Sache mit dieser Form der Selbstbespiegelung in den Tagebuch-Kolumnen. Es ist Lust und Last für uns Reporter bei Großereignissen wie Fußball-WM oder Olympia - und es fällt längst nicht immer leicht, die eigenen, persönlichen Erlebnisse zu präsentieren.

 Die Olympia-Schlussfeier im Maracana-Stadion.

Die Olympia-Schlussfeier im Maracana-Stadion.

Foto: Berthold Mertes

Teilweise in der Ich-Form – immer auf dem schmalen Grat zwischen Selbstdarstellerei und Platitüden. Aber Leser mögen das, heißt es. Sagen zumindest Umfragen.

Dabei geht es nicht um uns. Wir sind Beobachter, ordnen ein. Den Sport und das Drumherum. Manche von uns neigen leider dazu, im Lauf der Jahre fast nur noch das Negative zu sehen. Was an den Tagen von Rio kaum verwundert. Die Transporte zwischen Unterkünften, Medienzentrum und Wettkampfstätten, dazu das abseits gelegene Deutsche Haus. Das alles bedeutete angesichts weiter Wege und chaotischer Verkehrsverhältnisse extreme Belastungen. Ach ja: das Schreiben fast vergessen. Manchmal im überfüllten und holpernden Bus mit dem Laptop auf den Knien – bis zur Übelkeit.

Die Journalisten zweiter Klasse – das sind wir Schreiber verglichen mit den lieben Fernsehschaffenden – landen so in einer eigenen Welt. Drohen unter sich zu bleiben wie in einem Kokon, ähnlich abgekapselt wie die olympische Familie. Einige bewegen sich nur noch zwischen Mediendorf, Arenen und Pressezentrum. Wenn‘s gut läuft, gelingt in zweieinhalb Wochen ein Abstecher zur Christus-Statue. Atemnot, weil die Heimatredaktionen immer mehr wünschen. Schneller Bericht fürs Internet, Fotos, Video, Hintergrund für die Zeitung. Ach ja, Tagebuch – mit Tiefgang bitteschön.

Da kann es passieren, dass man sich gegenseitig hochschaukelt und ins Zynische abdriftet, wenn es nicht so läuft, wie es laufen soll. Der Bus beispielsweise mal wieder nicht pünktlich fährt - oder schon weg ist, wenn man nur eine Minute zu spät kommt. Dann werden auch die aus der überbordenden Emotionalität der Brasilianer resultierenden Buhrufe schon mal überinterpretiert statt festzuhalten, dass wirkliche, körperliche Aggressivität unter de Zuschauern nie zu erkennen war und es sich nur um schäumende Emotionen handelte.

Auf diese Gedanken bin ich gekommen, weil ich soeben die online-Kolumne eines Reporters aus Düsseldorf gelesen habe, der dies thematisiert und für sich persönlich schlussfolgert: „Ach Rio, wir passen einfach nicht zusammen.“

Ich habe das Glück gehabt, nicht mit der Herde im Mediendorf gewohnt und die Spiele vielleicht deshalb anders wahrgenommen zu haben. Mal die Meinung einer Minderheit zu vertreten, hat auch was. Das wissen etwa die Menschen im Kölner Norden, die an Rosenmontag in die S11 nach Düsseldorf einsteigen und nicht in die Gegenrichtung. Dieses Bild kommt mir in den Sinn, weil ich eine halbe Stunde nach dem offiziellen Ende der Schlussfeier noch auf dem Oberrang des Maracana-Stadions zur Samba-Musik wippte und fasziniert betrachtete, wie im Innenraum einige Hundert Darsteller, Volunteers und Athleten weiter Karneval feierten. Obwohl die TV-Kameras längst ausgeschaltet waren.

Ach Düsseldorf, wir passen einfach nicht zusammen. Das zu schreiben, ist mein oberflächlicher Reflex, der mir hoffentlich nicht die Sympathien des geschätzten Kollegen verscherzt. Jedenfalls fühlte ich mich insbesondere Köln und Bonn ganz nahe, während gleichzeitig vor dem Stadion die Menschenschlange zum Einsteigen in die Medienbusse wieder auf Hunderte von Metern anwuchs.

Dennoch bin auch ich froh, mein Tagebuch an dieser Stelle zuzuklappen. Tchau Rio, wir passen zusammen.

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