Vettels Teamchef Arrivabene: "Kosten reduzieren"

Monte Carlo · Sebastian Vettels Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene hält eine Budgetgrenze in der Formel 1 für notwendig.

 Maurizio Arrivabene hat die Scuderia Ferrari fest im Griff. Foto: Srdjan Suki

Maurizio Arrivabene hat die Scuderia Ferrari fest im Griff. Foto: Srdjan Suki

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"Du kannst natürlich eine Menge Geld ausgeben, wenn sich die Show auszahlt. Aber wenn die Show verbessert werden muss, darf man nicht das Geld aus dem Fenster werfen", sagte der 58-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview vor dem Großen Preis von Monaco. Arrivabene sprach außerdem über einen Unfall als kleiner Junge, den Menschen Sebastian Vettel und sein Verhältnis zu Fiat-Chef Sergio Marchionne.

Herr Arrivabene, beim Großen Preis von Spanien mussten Sie Ihren linken Arm noch in einer Schlinge tragen. Wie geht es Ihrem Arm jetzt?

Arrivabene: Er ist jetzt okay.

Wie kam es denn zu der Verletzung?

Arrivabene: Als kleines Kind habe ich mir beim Fußball die Hand gebrochen und habe dann den Bruch selbst gerichtet. Später hat der Knochen auf die Nerven gedrückt. Jetzt haben die Ärzte einen Eingriff vorgenommen und es funktioniert wieder. In Bahrain hatte ich fast kein Gefühl mehr in der Hand.

Wie fühlt sich denn Monaco als Ferrari-Teamchef an?

Arrivabene: Ich komme seit mehr oder weniger 25 Jahren zu diesem Grand Prix. Früher stand mehr die Historie des Rennens im Vordergrund. Mittlerweile nimmt der Glamour den größten Raum ein. Dieses Formel-1-Rennen ist ein Bestandteil einer großen Party, die sich um den Glamour dreht. Das ist aber nicht mein Style.

Nach dem Australien-Rennen sagten Sie, die Schwierigkeit Ferrari-Teamchef zu sein, liege auf einer Skala zwischen 0 und 10 bei 11. Ist es mittlerweile leichter geworden?

Arrivabene: Sie liegt noch immer bei Elf. Zu Beginn des Jahres habe ich gesagt, dass ich ehrlich und transparent sein will. In Barcelona zum Beispiel, mussten wir entscheiden, wer mit dem neuen, wer mit dem alten Auto fährt. Kimi (Räikkönen) sagte ganz natürlich: 'Ich will das alte.' Dann höre ich in den Medien, dass wir eine Münze geworfen hätten, um darüber zu entscheiden. Ich dachte: 'Sind wir in der Formel 1 oder beim Glücksrad?' Alles was wir tun, wird oft größer gemacht als es in der Wirklichkeit ist. Oder wenn man nur einmal etwas in Eile ist, wird gleich gemutmaßt, es handle sich um ein Drama. Einmal zum Beispiel musste ich nur dringend auf die Toilette, aber dann fragten alle besorgt: 'Warum ist er so in Eile?' In diesem Team zu sein, ist eine Ehre. Aber manchmal nehmen die Dinge eine Dimension an, die bis in den Himmel ragt.

Wie wichtig ist in Ihrem Job Geduld?

Arrivabene: Wir müssen die Erwartungen dämpfen. Nach Malaysia haben wir im Vergleich zum letzten Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht. In Barcelona hatten wir einen Rückstand von 45 Sekunden, in der Saison davor lag er aber bei einer Minute und 27 Sekunden. Nun haben wir nach fünf Rennen fünf Podestplatzierungen und einen Sieg. Das hatte vor dieser Saison niemand erwartet. Nach Malaysia dachte ich mir aber: 'Das kommt zu früh.' Weil die Leute seitdem erwarten, dass wir die Weltmeisterschaft holen. Wir brauchen aber Demut und müssen unsere Füße auf dem Boden behalten.

Das fällt in einem erfolgshungrigen Umfeld wie bei Ferrari aber sicher nicht leicht.

Arrivabene: Wir haben auf der ganzen Welt viele Tifosi. Sobald man ein bisschen den Kopf aus dem Wasser gestreckt hat, rechnen die ersten schon damit, dass man die Weltmeisterschaft holt. Noch nicht jetzt, aber nächstes Jahr werden wir es auf jeden Fall versuchen.

Müssen Sie Ihren Vorgesetzten, Fiat-Chef Sergio Marchionne, bremsen?

Arrivabene: Es ist genau andersherum. Er erzählt mir die ganze Zeit, dass man die Füße auf dem Boden behalten muss (lacht). Ich arbeite mit großen Bossen schon lange zusammen. Alle sind unterschiedlich, alle haben hohe Ziele. Sie setzen Ziele und wollen sie erreichen. Dieses Jahr haben wir das Ziel, drei Rennen zu gewinnen, vier wären fantastisch. Nächstes Jahr werden wir andere Ziele setzen.

Welche Chancen rechnen Sie sich in Monaco aus?

Arrivabene: Monaco ist als Gradmesser ein etwas merkwürdiges Rennen. Manchmal kommt ein Wagen mit einem Fahrer ins Ziel, das man gar nicht erwartet hätte. Manchmal ist es hier tatsächlich wie beim Roulette. Man braucht hier im Gegensatz zu den anderen Rennen ein ganz anderes Setup. Wir werden natürlich unser Bestes geben, ein echter Maßstab ist dieser Grand Prix aber nicht.

Vettels früherer Teamchef bei Red Bull, Christian Horner, hat Sie dafür gelobt, für Ihren Starfahrer eine erfolgversprechende Atmosphäre hergestellt zu haben, wie sie der Heppenheimer früher auch bei Red Bull hatte. Wie haben Sie das angestellt?

Arrivabene: Als ich das erste Mal mit Sabine Kehm (Managerin von Michael Schumacher) gesprochen habe, die versucht hat, Seb für uns zu kontaktieren, war eine seiner größten Sorgen die Atmosphäre bei Ferrari. Sabine beruhigte ihn dann: 'Sie sind sehr professionell, es ist eine große Firma. Du wirst überrascht sein von der Infrastruktur, der Rennabteilung. Du wirst aber in erster Linie eine Familie entdecken.' Seb hat diese Familie entdeckt mit seinem Enthusiasmus und seiner echten Leidenschaft für Ferrari.

Was für ein Mensch ist Vettel?

Arrivabene: Er ist ein normaler Junge, er hat nicht das Gehabe eines Superstars. Die Menschen werden heute nach der Anzahl ihrer Follower bei Twitter oder Instagram bemessen. Seb ist da anders, weil er eine normale Person ist. Manchmal brauchen wir aus Marketingsicht diese Werkzeuge wie Soziale Medien. Manchmal brauchen wir aber auch Normalität, manchmal brauchen wir jemanden wie Seb.

Ferrari ist ein Rennstall mit vielen Erfolgen und hohen Erwartungen. Wie schwer wiegt die Geschichte der Scuderia auf Ihnen und Ihrem Team?

Arrivabene: Als Teamchef trage ich natürlich die Verantwortung. Unsere Philosophie besteht aber darin, die Last auf viele Schultern zu verteilen. Man kann das mit dem Fußball vergleichen. Auf der einen Seite gibt es den FC Barcelona mit einem Messi, einem Neymar. Auf der anderen Seite gibt es Juventus Turin. Das hat keinen Messi, keinen Neymar, ist aber ein Team. Beide stehen im Finale der Champions League, haben das aber mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen geschafft. Die eine basiert auf dem Prinzip Superstar, die andere auf dem Team. Ich bevorzuge das Team.

In der vergangenen Woche hat die Formel-1-Strategiegruppe einige Vorschläge für eine attraktivere Rennserie unterbreitet. Unter anderem ging es darum, dass die Autos schneller, die Motoren lauter werden sollen. Waren Sie mit den Vorschlägen zufrieden?

Arrivabene: Wir alle zusammen haben die Themen beschlossen, an denen wir arbeiten müssen. Entschieden ist aber noch nichts. Wir haben jetzt eine Zahl von klar definierten Themen, an denen jeder arbeiten und dazu Lösungen oder konkrete Vorschläge machen muss.

Welche Rolle spielen dabei die Kosten?

Arrivabene: Der wichtigste Aspekt besteht darin, wieder eine Show für die Öffentlichkeit herzustellen. Zugleich müssen wir aber die Kosten reduzieren. Du kannst natürlich eine Menge Geld ausgeben, wenn sich die Show auszahlt. Aber wenn die Show verbessert werden muss, darf man nicht das Geld aus dem Fenster werfen. Vor allem nach all diesen finanziellen Krisen in diesem Jahr ist Geld ein wichtiges Thema. Geld ist ein Luxusgut. Wir müssen Respekt davor haben, denn genug Menschen haben damit jeden Tag zu kämpfen. Da ist es nicht korrekt, wenn wir riesige Summen ausgeben. Wenn sich aber die Show auszahlt, ist alles gut. Dann können die Menschen die Show genießen und für eine Sekunde oder eineinhalb Stunden ihre Probleme vergessen.

Wie steht Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone dazu?

Arrivabene: Ihm ist das auch sehr wichtig. Die FIA und FOM arbeiten daran mit uns in derselben Richtung. Zu einem bestimmten Zeitpunkt müssen aber die Big Player eine Entscheidung treffen. Ich will damit keinem Ingenieur zu Nahe treten und bei allem Respekt: Aber wenn man Ingenieuren das Feld überlässt, reicht ihnen niemals das Geld. Irgendwann musst du eine Budgetgrenze setzen, über die man nicht hinausgehen darf.

ZUR PERSON: Maurizio Arrivabene (58) stammt aus Brescia. Der frühere Vize-Präsident eines Tabak-Konzerns ist seit November 2014 Teamchef bei Ferrari. Der Mann mit dem grau melierten Haar hat in dieser Saison einen Stimmungsumschwung bei der Scuderia bewirkt.

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