Martin stolz auf Merckx-Vergleich

Mulhouse · Nicht nur gelb - schwarz-rot-gold sind die angesagtesten Farben der 101. Tour de France. Tony Martin setzte mit seiner Solofahrt nach Mulhouse "im Stil von Eddy Merckx", wie sein Teammanger Patrick Lefevere schwärmte, das i-Tüpelchen auf die bemerkenswerte deutsche Dominanz beim Radsport-Gipfeltreffen in Frankreich.

 Tony Martin hat seinen Vertrag noch nicht verlängert. Foto: Nicolas Bouvy

Tony Martin hat seinen Vertrag noch nicht verlängert. Foto: Nicolas Bouvy

Foto: DPA

Fünf von bisher neun Etappen gingen auf das Konto der Sprinter Marcel Kittel und André Greipel sowie Martin. Der deutsche Rekord von sechs Etappenerfolgen in einer Tour, im Vorjahr und 1977 aufgestellt, dürfte nur noch einige Tage Bestand haben. In die Erfolgsbilanz gehört auch der fast 43 Jahre alte Jens Voigt, der sich mit 17 Teilnahmen zusammen mit dem Australier Stuart O'Grady und George Hincapie (USA) die Tour-Treueprämie teilt. Am zweiten Tag trug er das Bergtrikot, Kittel sogar Gelb.

"Das war eine der größten Fahrten, die ich je im Radsport gesehen habe - und ich bin schon lange dabei", hatte Lefevere die Martin-Vorstellung bestaunt. Den auslaufenden Millionen-Vertrag mit seinem Kapitän will der Belgier unbedingt verlängern. "Es gibt nicht viele, die so etwas können", stellte Martin, in seinem belgischen Omega Pharma-Quickstep-Team "Le Panzer" genannt, ganz treffend nach seinem Parforceritt im Elsass fest. Spätestens in diesem Jahr hat der 29 Jahre alte Zeitfahr-Weltmeister, der in Cottbus aufwuchs, gemerkt, dass er mehr kann, als in seiner Spezialdisziplin zu glänzen. Bei der Tour-Generalprobe in der Schweiz trug er lange das Gelbe Trikot und trotzte der Konkurrenz bis fast zum Schluss auch in den Bergen. Bei der Baskenland-Rundfahrt schloss er ein Solo mit knappem Vorsprung ab. Aber auf der neunten Etappe von Gérardmer nach Mulhouse war alles noch größer und perfekter.

"Martin, das andere Deutschland, das siegt", titelte das Tour-Organ "L'Équipe" am Montag, nachdem der Wahlschweizer mit Cottbuser Wurzeln die Radsport-Welt in Erstaunen versetzt hatte. 15 Kilometer nach dem Start hatte er zusammen mit dem Italiener Alessandro De Marchi zu seiner Alleinfahrt über sechs Berge und insgesamt 155 Kilometer angesetzt. Martin, der 60 Kilometer vor dem Ziel auch seinen letzten Begleiter stehen ließ, konnte auch eine hochkarätig besetzte Verfolgergruppe mit dem viermaligen Zeitfahr-Weltmeister Fabian Cancellara (Schweiz) und Tony Gallopin nichts anhaben. Der Franzose versöhnte seine bescheiden gewordenen Landsleute einen Tag vor dem Nationalfeiertag mit der (vorübergehenden) Eroberung des Gelben Trikots. Sie jubelten am Montag ausgelassen, während die "L'Équipe" fand, die "deutschen Medien boykottieren den Erfolg der eigenen Landsleute".

Martin, Kittel und John Degenkolb verkörpern die Spitze der im Moment erfolgreichen Generation, die auf Olaf Ludwig und Jan Ullrich/Erik Zabel folgten. Alle haben ihre Wurzeln im Osten. Im Gegensatz zu den Vorgängern, die als Aktive oder Teamchefs in den Doping-Strudel gerieten, distanzieren sich Martin und Co. eindeutig von Medikamentenmissbrauch, fordern sogar Gefängnisstrafen für Doper und gelten als glaubwürdig.

Spielchen spielen - das ist auch auf dem Asphalt nichts für den Etappensieger von Mulhouse. "Ich bin nicht der Typ fürs Pokern in Ausreißergruppen. Ich mache das lieber alleine. Wenn ich einen Vorsprung habe, kann ich richtig schnell fahren", sagte Martin, der wie Kittel und Degenkolb das Radsport-ABC in Erfurt beim gemeinsamen Manager Jörg Werner erlernte.

"Ich denke, ich bin inzwischen bekannt für verrückte Aktionen. Das funktioniert nicht immer - diesmal schon", hatte sich Martin nach seinem Coup gefreut, der ihm auch die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz ersparen dürfte. "Die Verhandlungen laufen und es wäre schön, wenn wir sie bis zum Ende der Tour abschließen könnten. Wenn er bei uns bleibt, kann er 2016 den Stunden-Weltrekord in Angriff nehmen", erklärte sein Boss Lefevere, der weiß: "Tony kommt aus Ostdeutschland und Olympiasiege sind dort sehr viel wert. Ein Flug von Rio nach Mexiko-City ins Velodrom ist keine große Sache".

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