Sperre für Blatter und Platini im FIFA-Beben

Zürich · Bei seinem schmachvollen Abgang aus der FIFA-Zentrale versuchte Joseph Blatter vergeblich sein Gesicht auf der Rückbank einer schwarzen Luxus-Limousine zu verdecken.

 Am Abend verließ Joseph Blatter in einer Luxus-Limousine das FIFA-Hauptquartier in Zürich. Foto: Dominic Steinmann

Am Abend verließ Joseph Blatter in einer Luxus-Limousine das FIFA-Hauptquartier in Zürich. Foto: Dominic Steinmann

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Der gefallene Weltverbandspräsident musste nach 6331 Tagen im Amt sein Büro auf dem Zürichberg räumen, und auch Michel Platini hat es im größten Beben der Fußball-Geschichte erwischt. Die Ethikkommission des Weltverbands entmachtete mit einem Schlag die Spitze der beiden führenden Verbände und verbannte den FIFA-Chef und den Präsidenten der Europäischen Fußball-Union UEFA für 90 Tage.

Um kurz nach 19 Uhr ließ sich Blatter im Blitzlichtgewitter aus dem Home of FIFA fahren. Während der 79-Jährige gewohnt selbstgewiss von seiner Rückkehr in das geliebte Amt ausgeht, dürften sich die Ambitionen von Platini auf die Nachfolge des Schweizers erledigt haben. Nicht nur DFB-Präsident Wolfgang Niersbach rückt langsam von seinem Intimus ab. Bis zur Dringlichkeitssitzung der UEFA-Exekutive am kommenden Donnerstag "soll Michel Platini Dinge ins Feld führen, die ihn entlasten", sagte Niersbach am Abend bei RTL.

Platini wird Einspruch gegen die Sanktion einlegen und gab sich kämpferisch: "Ich weise alle Anschuldigungen, die bloßer Anschein und erstaunlich vage sind, gegen mich zurück", teilte er mit. Aufgrund des Einspruchs sprach ihm das UEFA-Exekutivkomitee das Vertrauen aus und nominierte überraschenderweise keinen Interimschef. Damit steht die UEFA aktuell ohne handelnden Präsidenten dar. Platini gehe aktuell nicht seinen offiziellen Pflichten nach und habe "diverse Reisen gestrichen", erklärte die UEFA.

DFB-Chef Niersbach zeigte sich erschüttert über den Ausmaß des Korruptionsskandals. "Was heute passiert ist, ist der absolute Super-GAU, dass wir an der wichtigsten Stelle des Weltfußballs nun eine Führungslosigkeit haben", sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes. "Da ist der absolute Tiefpunkt gekommen. Die Zukunft kann nur gemacht werden ohne Sepp Blatter."

Der Bann gegen Blatter und Platini kann noch um maximal 45 Tage ausgedehnt werden, während dieser Zeit sind beide Top-Funktionäre von allen Fußball-Aktivitäten auf nationaler und internationaler Ebene ausgeschlossen. Das teilte die rechtsprechende Kammer der Ethikkommission unter Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert mit.

Auf einen möglichen Einspruch will zumindest Blatter verzichten und Urlaub im Heimatkanton Wallis machen. "Nein, es hat gar keinen Sinn das zu strecken", sagte sein Berater Klaus J. Stöhlker der Deutschen Presse-Agentur. "Er wurde jetzt fußballerisch gesagt an die Seitenlinie gestellt und er wird in 90 Tagen wieder da sein, denn er muss den großen FIFA-Kongress vorbereiten." Am 26. Februar soll sein Nachfolger gewählt werden.

Bis dahin rückt der ebenfalls skandalumwitterte und gesundheitlich angeschlagene Vize Issa Hayatou in das wichtigste Amt des Weltfußballs. Der Kameruner betonte direkt, er strebe den Posten nicht dauerhaft an. "Genug ist genug. Wir hoffen, dass nun jeder bei der FIFA verstanden hat, dass man nicht passiv bleiben darf", sagte Thomas Bach, Chef des Internationalen Olympischen Komitees, in ungewohnter Schärfe und forderte einen "glaubwürdigen, externen Präsidentschaftskandidaten mit hoher Integrität".

Platini kann er damit nicht mehr gemeint haben. Der Franzose wird vorläufig allerdings nicht wie von der Satzung vorgesehen vom Spanier Ángel María Villar als UEFA-Boss vertreten. Dem UEFA-Exko sei "bewusst, dass der UEFA-Präsident sofort alle notwendigen Schritte unternehmen wird, um gegen die Entscheidung der FIFA-Ethikkommission Einspruch einzulegen und sich zu rehabilitieren", begründete das Gremium seine Entscheidung. Es brauche "eine sehr schnelle finale Entscheidung", erklärte das Exko, dem auch Niersbach angehört. Am Donnerstag kommende Woche kommt die UEFA-Exekutive in Nyon zusammen.

Platini will weiter um seine Kandidatur als FIFA-Präsident kämpfen. Er habe am Donnerstagmorgen die nötigen Unterstützerstimmen für eine Bewerbung eingereicht, teilte der 60-Jährige in einem schriftlichen Statement mit - kurz bevor das laut Statuten nicht mehr möglich gewesen wäre. "Ich weigere mich, zu glauben, dass dies eine hastige politische Entscheidung ist, die getroffen wurde, um einen lebenslangen Anhänger dieses Spiels zu beflecken oder meine Kandidatur als FIFA-Präsident zu zerstören", erklärte er.

Mit der Sanktion ist Platini noch nicht automatisch aus dem Rennen als potenzieller FIFA-Chef. Allerdings müsste er eine Prüfung durch die Wahlkommission überstehen - schwer vorstellbar, dass dies als suspendierter Präsident der Europäischen Fußball-Union gelingen würde. "Vor 14 Tagen war noch alles klar. Er hatte über 100 Unterstützer, auch den DFB. Wir müssen die neue Situation bedenken. Vor allem muss er selbst entscheiden, ob er mit der Belastung die Kandidatur aufrechterhalten kann", sagte Niersbach. Wie der englische Verband forderte er unverzügliche Sitzungen der internationalen Spitzengremien bereits in der kommenden Woche.

Die Sanktionen gegen Blatter und Platini sind die Resultate der Ermittlungen der Ethik-Untersuchungskammer, detaillierte Gründe darf das Gremium nicht veröffentlichen. Zudem wurde FIFA-Generalsekretär Jérôme Valcke ebenfalls für 90 Tage suspendiert, Präsidentschaftskandidat Chung Mong Joon wurde für sechs Jahre gesperrt und muss 100 000 Schweizer Franken zahlen.

Die Ermittlungen gegen den Südkoreaner waren im Januar 2015 eröffnet worden, ihm werden Verstöße gegen vier Artikel des FIFA-Ethikcodes im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 zur Last gelegt. Er war bis 2011 auch Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee und strebte wie Platini die Nachfolge Blatters an. "Das ist das eklatanteste Scheitern der Justiz", klagte Chung, der gegen die Sperre Einspruch einlegen will. "FIFA ist wie die sinkende Titanic."

Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte vor zwei Wochen ein Strafverfahren gegen Blatter unter anderem wegen des Verdachts der "ungetreuen Geschäftsbesorgung" eingeleitet. Im Kern geht es um eine Millionen-Zahlung an Platini und TV-Geschäfte mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner, der WM-Rechte für die Karibik für 600 000 Dollar und damit deutlich unter dem Marktwert erhalten haben soll. "Die Entscheidung der Ethikkommission basiert auf einem Missverständnis der Aktionen der Schweizer Bundesanwaltschaft", hieß es in der Stellungnahme von Blatters Anwälten.

Von der UEFA gab es erst spät die erste Stellungnahme. Platini hatte für Dienste zwischen Januar 1999 und Juni 2002 erst knapp neun Jahre später von Blatter zwei Millionen Schweizer Franken erhalten. 2011 unterstützten die UEFA-Verbände unter der Führung von Platini den Schweizer im Wahlkampf gegen den Katarer Mohamed bin Hammam. Platini wurde von der Schweizer Bundesanwaltschaft als Auskunftsperson vernommen.

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