FIFA im Kreuzfeuer der Kritik - "Nichts mehr im Griff"

Marrakesch · Joseph Blatter war kurz angebunden, als er im edlen Fünf-Sterne-Hotel La Mamounia zur zweitägigen Sitzung der FIFA-Exekutive in Marrakesch eintraf. Hinter verschlossenen Türen herrschte beim mstrittenen Boss des Fußball-Weltverbandes und seinen Kollegen dann größter Redebedarf.

 Michael Garcia trat als FIFA-Chefermittler zurück. Foto: Walter Bieri

Michael Garcia trat als FIFA-Chefermittler zurück. Foto: Walter Bieri

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Nach dem Rücktritt von Chefermittler Michael Garcia ist die FIFA noch stärker ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Das Konstrukt der Ethikkommission scheint gescheitert und die Forderungen - sogar aus den eigenen Reihen - nach einer Veröffentlichung des Garcia-Reports zu möglichen Korruptionsfällen rund um die WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar werden immer lauter.

Die FIFA-Krise entwickelt sich auch zum Problem für das deutlich reformwilligere Internationale Olympische Komitee, dem Blatter als FIFA-Boss angehört.

Während noch die weniger brisanten Themen auf der Tagesordnung in Marokko standen, wurde in Hinterzimmergesprächen das Vorgehen beim neuerlichen PR-Desaster abgesteckt. Am 19 Dezember soll über den Antrag von Theo Zwanziger entschieden werden, den Garcia-Bericht zu veröffentlichen. Blatter führte Gespräche mit allen Präsidenten der Konföderationen. Die seit Wochen andauernde Blockadepolitik wird längst nicht mehr von allen Mitgliedern getragen.

"Es ist an der Zeit, möglichst große Teile des Reports zu veröffentlichen, soweit dies juristisch möglich ist. Wer nichts zu verstecken hat, sollte auch nicht besorgt sein, was am Ende dabei rauskommt", forderte FIFA-Vize Jim Boyce. Bislang hat nur ein ganz kleiner Kreis die Ermittlungen zu Gesicht bekommen.

Der Garcia-Report hat sich längst zum Eigentor der FIFA entwickelt, nachdem der deutsche Richter Hans-Joachim Eckert als Vorsitzender der rechtssprechenden Kammer nach Durchsicht der Akten "keine gravierenden Verstöße" bei den WM-Vergaben festgestellt hatte und durch die FIFA in seiner Einschätzung auch bestätigt worden war.

Ein Vorgang, der scharfe Kritik hervorrief. UEFA-Boss Michel Platini sprach von einem weiteren Versagen der FIFA. FIFA-Integritätsberater Mark Pieth bezeichnete den Garcia-Rücktritt als "Schlag für den Reformprozess" und Anti-Korruptions-Expertin Sylvia Schenk fordert den Abgang des umstrittenen Präsidenten Joseph Blatter.

"Es wird deutlich, dass die FIFA nichts mehr im Griff hat. Das war vorher schon so, aber jetzt wird es noch deutlicher. Irgendwann muss auch das letzte Kongressmitglied merken, dass Blatter überhaupt nichts mehr steuert und dass weder Glaubwürdigkeit noch Ruhe mit ihm zu finden ist", sagte die Leiterin der Arbeitsgruppe Sport von Transparency International Deutschland der Deutschen Presse-Agentur. Wer Blatter dies noch zutraue, müsse an Wunder glauben.

Im Mai 2015 will sich der dann 79-jährige Schweizer für eine weitere Amtszeit zur Wahl stellen. "Wenn Blatter nicht nur den Garcia-Rücktritt und die Kritik übersteht, sondern auch wiedergewählt wird, sollten wir alle aufgeben", spottete der frühere englische Fußball-Star Gary Lineker auf Twitter.

Das Konstrukt der Ethikkommission sei laut Schenk gescheitert. "Die FIFA hat zwei renommierte Personen verbrannt. Garcia hat für sich den Ausstieg mit Rückgrat geschafft, Hans-Joachim Eckert steht ziemlich begossen da", ergänzte Schenk, die die Rolle des Münchner Richters kritisch sieht. Eckert hätte niemals seinen Bericht machen dürfen. Er habe sich zu sehr auf das Strafrecht zurückgezogen. Dabei sei es seine Aufgabe gewesen, eine ethisch-moralische Bewertung abzugeben.

Den Posten Garcias dürfte der Schweizer Staatsanwalt Cornel Borbely einnehmen, die Glaubwürdigkeit der Kommission wird er aber kaum wieder herstellen können. "Garcias Rücktritt ist eine weitere Entblößung der selbstschützenden Korruption innerhalb der FIFA. Die FIFA hat keine Ethik. Ihre Regeln sind eine Farce", sagte Phaedra Almajid, ein früheres Mitglied des WM-Bewerbungskomitees von Katar. Almajid, die gegenüber Garcia ausgesagt hatte, sieht durch den Eckert-Bericht die Vertraulichkeit verletzt.

Schenk befürchtet, dass der Tiefpunkt bei der FIFA noch nicht erreicht ist. "Ich habe mich schon ein paar Mal gefragt, ob es noch schlimmer geht. Bisher hat es die FIFA immer noch steigern können. Ich traue ihr da noch viel zu", betonte Schenk, die aber die leise Hoffnung hat, dass innerhalb der Exekutive ein Umdenken stattfindet.

Zwischen dem Krisenmanagement der FIFA und des Internationalen Olympischen Komitees liegen laut Schenk Welten. "Das IOC ist ein Musterbeispiel, wie man es machen sollte, auch wenn es weiter Probleme gibt. Die FIFA hat viel zu lange gewartet." Die FIFA-Krise könne dabei auch dem IOC bei seinem Reformprozess zunehmend Probleme bereiten, schließlich sei Blatter als FIFA-Boss auch Mitglied des IOC. "Da gibt es noch andere Kandidaten wie Leichtathletik und Handball. Das ist eine Herausforderung für das IOC", sagte Schenk.

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