FIFA-Chefermittler schmeißt hin - Blatter "überrascht"

Berlin · Mit dem Rücktritt von Chefermittler Michael Garcia steht die von zahlreichen Skandalen erschütterte FIFA vor einem einzigen Scherbenhaufen.

 FIFA-Chefermittler Michael Garcia ist zurückgetreten. Foto: Walter Bieri

FIFA-Chefermittler Michael Garcia ist zurückgetreten. Foto: Walter Bieri

Foto: DPA

Frustriert und entnervt reagierte der frühere US-Staatsanwalt am 17. Dezember auf den laxen Umgang des Fußball-Weltverbandes mit dem Korruptionsskandal um die umstrittenen WM-Vergaben 2018 an Russland und 2022 an Katar. Garcia beklagte einen "Führungsmangel" innerhalb der FIFA und richtete scharfe Attacken gegen den deutschen Richter Hans-Joachim Eckert. UEFA-Präsident Michel Platini wertete die Entwicklung als "weiteres Versagen" der FIFA. Der angeschlagene FIFA-Chef Joseph Blatter zeigte sich lediglich "überrascht" von Garcias Schritt.

Tatsächlich gerieten Blatter und sein Kabinett vor der Exekutivsitzung in Marrakesch noch stärker in Bedrängnis. Seit Wochen wehrt sich die FIFA vehement gegen die Veröffentlichung des 430-seitigen Garcia-Reports zu möglichen Korruptionsfällen rund um die beiden WM-Vergaben. Sogar der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger hat sich als Mitglied der FIFA-Exekutive für eine Publikmachung stark gemacht.

"Kein unabhängiges Governance Komitee, Ermittler oder Schiedsgericht kann die Kultur einer Organisation ändern. Durch die Entscheidung Eckerts vom 13. November 2014 ist mein Vertrauen in die Unabhängigkeit der rechtsprechenden Kammer verloren gegangen", erklärte Garcia. Er sei zu dem Schluss gekommen, dass seine Rolle in diesem Prozess beendet sei. Der 53-Jährige war innerhalb der FIFA-Ethikkommission für die Ermittlungen zuständig, Eckert hat den Vorsitz der rechtssprechenden Kammer. Garcia zog damit die Konsequenzen aus der Entscheidung der FIFA vom Dienstag, den Einspruch des Amerikaners gegen Eckerts Bericht zurückzuweisen.

Der krisenerprobte Blatter gab sich kämpferisch. "Ich bin überrascht über die Entscheidung von Herrn Garcia", sagte der 78-Jährige. "Die Arbeit der Ethikkommission wird trotzdem weitergehen und in den nächsten zwei Tagen ein zentraler Punkt der Diskussionen beim Meeting der Exekutive sein." Heftige Kritik an der FIFA kam auch von Blatters Gegenspieler Platini. "Wir wollten alle Transparenz, aber dies ist ein weiteres Versagen der FIFA", sagte der Chef der Europäischen Fußball-Union der BBC. Jérôme Champagne, der bislang einzige Gegenkandidat Blatters für die Wahl zum FIFA-Chef im Juni 2015, sagte: "Das ist ein Rückschritt. Wann werden wir beginnen, das Image der FIFA wieder zu verbessern?"

Garcia hatte mögliche Korruptionsfälle rund um die beiden WM-Vergaben untersucht, in einem 430 Seiten langen Bericht zusammengefasst und an Eckert weitergegeben. Der Münchner Richter sah nach einer ersten Durchsicht der Akten aber "keine gravierenden Verstöße" bei den Bieterverfahren zu den WM-Turnieren - und erntete für diese Einschätzung weltweite Kritik und Unverständnis.

Garcia legte noch am selben Tag Einspruch gegen Eckerts 42-seitigen Bericht ein. Dabei monierte er zahlreiche unvollständige und fehlerhafte Darstellungen der Tatsachen und Schlussfolgerungen. Die FIFA-Berufungskommission unter dem Vorsitzenden Larry Mussenden von den Bermudas sah dies anders und wies am Dienstag den Einspruch zurück. Die Berufung sei aus formalen Gründen "unzulässig". Es habe sich bei dem sogenannten Eckert-Bericht nicht um einen "Schlussbericht" nach den Statuten des FIFA-Ethikreglements gehandelt, teilte die FIFA mit. Daher sei Eckerts Stellungnahme "weder rechtsverbindlich noch anfechtbar".

Dass es in dieser Causa noch zu einer Wende kommt, glaubt Garcia nicht: "Zumindest auf absehbare Zeit wird die Entscheidung Eckerts zur Ausschreibung der WM 2018/2022 als letztes Wort so stehen bleiben." Ob sein Report komplett, in Auszügen veröffentlicht oder zumindest den Mitgliedern der FIFA-Exekutive zugänglich gemacht wird, soll an diesem Donnerstag und Freitag auf der Exko-Sitzung entschieden werden.

Garcia war im Juli 2012 zum Vorsitzenden der Ermittlungskammer ernannt worden und hatte sofort seine groß angelegten Ermittlungen eingeleitet. Mehrfach hatte der Top-Jurist die Abgabe seiner Ergebnisse bei Eckert verschoben. 75 Interviews in zehn Ländern wurden geführt, 200 000 Seiten geschrieben. Das Resultat: Vor der skandalumwitterten Doppelvergabe am 2. Dezember 2010 in Zürich gab es sehr wohl Verfehlungen.

Garcia machte sogar vor Fußball-Größen wie Franz Beckenbauer nicht halt. Der "Kaiser" war zwischenzeitlich sogar schon von allen Funktionen im Fußball suspendiert worden. Nach Garcias Rücktritt scheint die Ethikkommission mehr denn je in Frage gestellt zu sein. Die Glaubwürdigkeit der FIFA ist ohnehin massiv beschädigt.

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Ethik-Komitee der FIFA

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