Dramatische Zuspitzung: Ethikkammer will Blatter-Sperre

Zürich · Das bittere Ende von Joseph Blatter als Chef des Fußball-Weltverbands scheint endgültig besiegelt. Die Untersuchungskammer der FIFA-Ethikkommission forderte nach Aussage von Blatter-Berater Klaus Stöhlker eine provisorische Sperre von 90 Tagen für den 79 Jahre alten Schweizer.

 Joseph Blatter droht die Suspendierung. Foto: Alessandro Della Bella

Joseph Blatter droht die Suspendierung. Foto: Alessandro Della Bella

Foto: DPA

Folgt die rechtssprechende Kammer unter dem Vorsitz des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert diesem Vorschlag, müsste Blatter nach 40 Jahren Funktionärstätigkeit für die FIFA sofort alle Fußball-Aktivitäten einstellen. Laut Stöhlker reagierte Blatter "ruhig" auf die Nachricht. "Er wird morgen im Büro sein", sagte der Berater der Deutschen Presse-Agentur.

Wann die zweite Ethikkammer ihr Urteil fällt, war noch unklar. Nach dpa-Informationen kann dies allerdings schnell geschehen. Dann könnte auch über das Schicksal von UEFA-Präsident Michel Platini befunden werden, dem wegen der umstrittenen Millionen-Zahlung der FIFA aus dem Jahr 2011 ebenfalls Ungemach droht.

Blatter sei nicht offiziell von dem Antrag in Kenntnis gesetzt worden, betonte sein US-Anwalt Richard Cullen. "Wir würden von der Ethikkommission erwarten, dass sie vom Präsidenten und seinen Anwälten hören wollen und die Beweise sorgfältig untersuchen, bevor sie irgendeine Empfehlung für disziplinarische Aktionen abgeben", teilte er mit.

Dass die FIFA-Ethik-Gremien derzeit in Zürich tagen war nur durch eine ungewöhnliche Indiskretion publik geworden. Das Kommissionsmitglied Abdoulaye Makhtar Diop ließ dies am Mittwoch in der senegalesischen Hauptstadt Dakar veröffentlichen. Die Ethikkammer dürfe satzungsgemäß keine konkret laufenden Verfahren kommentieren, betonte Marc Tenbücken, Sprecher der rechtsprechenden Kammer. "Die Ethikkommission führt ihre Verfahren immer sorgfältig, unabhängig und ohne Ansehen der Person oder ihrer Funktion durch", erklärte er allgemein.

Gegen Blatter hatte die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Strafverfahren unter anderem wegen des Verdachts der "ungetreuen Geschäftsbesorgung" eingeleitet. Im Kern geht es um die Zwei-Millionen-Franken-Zahlung an Platini und TV-Geschäfte mit dem früheren FIFA-Vize Jack Warner, der WM-Rechte für die Karibik für 600 000 Dollar und damit deutlich unter dem Marktwert erhalten haben soll. Sollte der seit 1998 die FIFA führende Blatter tatsächlich suspendiert werden, würde sein ebenfalls skandalumwitterter Vize Issa Hayatou aus Kamerun satzungsgemäß vorerst das Amt übernehmen.

Auch UEFA-Chef und FIFA-Vize Platini droht Ärger. Im Korruptionsskandal war der Franzose von den Schweizer Behörden als Auskunftsperson vernommen worden. Der Chef der Europäischen Fußball-Union muss nun den FIFA-Ethikern erklären, warum er für Dienste zwischen Januar 1999 und Juni 2002 erst knapp neun Jahre später von Blatter bezahlt wurde. 2011 unterstützten die UEFA-Verbände unter der Führung von Platini den Schweizer im Wahlkampf gegen den Katarer Mohamed bin Hammam. Platini verteidigte die empfangene Zahlung mehrfach öffentlich. Bei einer Suspendierung wären seine Ambitionen auf das FIFA-Amt hinfällig.

Der frühere senegalesische Sportminister Diop betonte zudem, dass das Ethik-Gremium auch den Fall von Chung Mong Joon prüfen will. Der Südkoreaner strebt wie Platini beim Wahl-Kongress am 26. Februar die Nachfolge des scheidenden FIFA-Präsidenten Blatter an.

Chung selbst rechnet mit einer langen Sperre durch die Ethikkommission und würde damit aus dem Rennen um Blatters Nachfolge ausscheiden. Ihm werden Verstöße im Zusammenhang mit Südkoreas gescheiterter Bewerbung für die WM 2022 vorgeworfen. Er war bis 2011 auch Mitglied im FIFA-Exekutivkomitee.

Er wolle "Herrn Blatter wegen Veruntreuung vor Gericht verklagen", sagte der Südkoreaner am Mittwoch in London. "Die FIFA hat sich zu einer korrupten Organisation entwickelt, die den Interessen von einigen wenigen dient", kritisierte er und bezeichnete Blatter als "Heuchler und Lügner".

Der FIFA-Boss selbst ist sich auch weiterhin keiner Schuld bewusst und verteidigte sich mit der gewohnten Strategie. "Die Lage ist nicht erfreulich. Man verurteilt mich vor, ohne Beweise für irgendein Fehlverhalten meinerseits. Eigentlich ist das ungeheuerlich", sagte er in der am Donnerstag erscheinenden Ausgabe der Zeitschrift "Bunte".

Er wolle bis zum außerordentlichen Kongress im Amt bleiben, betonte Blatter, das könnte nun schnell hinfällig sein. "Ich versichere Ihnen, dass ich am 26. Februar 2016 aufhören werde. Dann ist definitiv Schluss. Aber keinen Tag früher", sagte er. Bis dahin werde er kämpfen: "Für mich. Für die FIFA."

Bundesinnenminister Thomas de Maizière forderte schnelle Konsequenzen aus den Vorgängen bei der FIFA. "Als Politiker bin ich zurückhaltend, mich zu Interna bei internationalen Verbänden zu äußern. Hier ist aber ein Zustand erreicht, wo nicht mehr die Zeit da ist, bis Februar zu warten", sagte de Maizière der Deutschen Presse-Agentur. Die Not sei so groß, dass "jetzt hoffentlich entschlossen" Reformen geschehen. Der CDU-Politiker sieht dringenden Handlungsbedarf. "Die Strukturen waren für mich seit längerem ein Problem", sagte de Maizière. Nur diese Strukturen hätten Blatter im Amt gehalten.

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