Wellinger ohne Angst nach Kuusamo: Der Sturz ist abgehakt

Kuusamo · Wenn Andreas Wellinger am Donnerstag erstmals wieder auf dem Balken der imposanten Ruka-Großschanze sitzt, wird sein Puls vielleicht für einen Moment in die Höhe schnellen.

 Andreas Wellinger stürzte vor einem Jahr in Kuusamo schwer. Foto: Grzegorz Momot

Andreas Wellinger stürzte vor einem Jahr in Kuusamo schwer. Foto: Grzegorz Momot

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Angst verspürt der Team-Olympiasieger im Skispringen vor der Rückkehr an die Stätte seines Horrorsturzes vor einem Jahr aber nicht. "Ich bin auf diesen Moment vorbereitet und gehe auf die Schanze wie auf jede andere", sagt Wellinger vor dem Weltcup in Kuusamo im Gespräch der Deutschen Presse-Agentur. "Ich freue mich sogar extrem darauf, denn es ist eine meiner Lieblingsschanzen."

Rückblende: Am 29. November 2014 wird Wellinger nach einem zu aggressiven Absprung von einer heftigen Windböe erfasst. Er rudert durch die Luft und knallt mit voller Wucht mit dem Rücken auf den Hang. "Er ist mit so viel Risiko gesprungen, als wolle er dort den Gesamtweltcup gewinnen und hat für seinen jugendlichen Übermut draufgezahlt", sagt Bundestrainer Werner Schuster über das Schock-Erlebnis.

Die Folgen des schweren Sturzes: Der Dritte des Auftaktspringens muss an der Schulter operiert werden, verpasst die Vierschanzentournee und findet nach seinem Comeback bis zum Saisonende nicht mehr zur Topform zurück.

Im Sommer hat Wellinger das Erlebte in intensiven Gesprächen mit dem Trainerstab noch einmal aufgearbeitet und dann endgültig abgeschlossen. "Die Erinnerung wird nie ganz weg sein, weil es ein einschneidendes Erlebnis war", berichtet der 20-Jährige. "Aber es spielt keine Rolle mehr."

Davon ist auch Schuster überzeugt. "Den Sturz kann man nicht wegwischen. Der ist unterbewusst sicher noch präsent, so etwas kann man nicht löschen", erklärt der Österreicher. "Man kann nur versuchen, mit einem klaren Konzept wieder Sicherheit aufzubauen. Das haben wir getan."

Schuster begreift das Negativerlebnis sogar als Chance für Wellinger, der als das größte deutsche Talent seit Jahren gilt und sich nach seinem Abitur nun voll auf den Sport konzentrieren kann. "Das ist deutlich angenehmer, denn der Stress durch die Doppelbelastung fällt weg", erzählt Wellinger.

Bereits mit 17 gibt er im November 2012 sein Weltcupdebüt und wird auf Anhieb Fünfter. Eine Woche später feiert Wellinger mit dem deutschen Team seinen ersten Weltcupsieg - in Kuusamo. "Er hat viele positive Erinnerungen an die Schanze, die gilt es hervorzukramen", sagt Schuster.

2014 folgt in Wisla der erste Weltcupsieg und wenig später in Sotschi Olympia-Gold mit der Mannschaft. Der Sturz markiert dann einen ersten Knick in Wellingers bis dahin steil bergan verlaufener Karriere. "Wenn er das gut verarbeitet, kann ihn das zu einem stärkeren Springer machen. Er ist ja vom Typ her unbeschwert. Wenn er ein bisschen mehr selektiert, wann sich das Risiko lohnt und wann nicht, kann er besser werden", prophezeit Schuster.

Der Saisonauftakt in Klingenthal macht Hoffnung. Sieg mit dem Team, Platz sechs im Einzel - Wellinger war "sehr zufrieden". Das gute Ergebnis hilft für Kuusamo, weil sich die ersten Zehn der Gesamtwertung nicht qualifizieren müssen. "Das gibt mehr Spielraum, sich in Ruhe mit der Schanze zu beschäftigen, sich ohne Druck das Vertrauen zurückzuholen", sagt Schuster.

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