Mit Müllbooten den Olympia-Traum retten

Rio · Nadine Stegenwalner ist etwas erleichtert. "Seit zwei Jahren machen wir über den Weltsegelverband Druck, dass die Gewässer gesäubert werden müssen", berichtet die Sportdirektorin des Deutschen Segler-Verbandes vor dem Panorama der Guanabara-Bucht, die in Misskredit geraten ist.

 Die Guanabara-Bucht ist oft mit Müll übersät. Foto: Alex Ferro

Die Guanabara-Bucht ist oft mit Müll übersät. Foto: Alex Ferro

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Hinter ihr liegt friedlich der Zuckerhut, das Wasser stinkt heute auch nicht, davor Segelboote. Heile Welt - wenn man nicht näher das Wasser unter die Lupe nimmt.

Mit großer Spannung war dieser Lackmustest für die Olympischen Spiele in einem Jahr in Rio de Janeiro erwartet worden. Und es gibt zur Halbzeit vorsichtige Entwarnung. Keine Meldungen über kranke Segler. Es gibt extra "Pollution Meetings" und "Medical Meetings". Die Veranstalter beharren darauf, dass die Wettbewerbe nicht verlegt werden in saubere Gefilde - sie setzen auch auf die Kraft der Bilder.

"Es hilft sehr, dass es lange nicht geregnet hat", so Stegenwalner. So wird weniger neuer Müll angeschwemmt. Die Organisatoren haben einen verstärkten Einsatz von Eco-Booten angekündigt, die auf dem Wasser täglich treibenden Müll einsammeln. Plastiktüten und Gegenstände sind ein Problem, wenn sie sich etwa im Schwert oder Ruder verfangen.

Zusätzlich sollen Barrieren Unrat abhalten - der Schiffsverkehr zum großen Hafen von Rio wird gedrosselt. Aber hier laufen viele Abwässer herein, oft sind Ölfilme auf dem Wasser zu sehen. Die Delfine in der umstrittenen Guanabara-Bucht gehören laut Wissenschaftlern zu den kontaminiertesten der Welt. José Lailson Brito von der Universität Rio de Janeiro hat ermittelt, dass die Delfine teils mit Stoffen belastet sind, die eigentlich verboten sind in Brasilien. 1970 habe es noch rund 800 Amazonasdelfine gegeben, heute noch 36 Exemplare.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird auf Anraten der Weltgesundheitsorganisation verschärft das Wasser auf Bakterien und andere Belastungen untersuchen lassen. Aber Stegenwalner betont auch: "Es ist ein wunderbarer Ort. Und für die Einwohner ist das die Chance, dass das Wasser nachhaltig sauberer wird." Zudem können die Segler anders als bei vielen anderen Spielen den Spirit in der Stadt mitbekommen und mit den anderen Athleten im Olympiadorf wohnen.

326 Segler aus 50 Nationen sind bei der letzten großen Generalprobe für die olympische Regatta am Start, sie endet am Samstag. Laser-Vizeweltmeister Philipp Buhl (Sonthofen) betont: "Die Wasserqualität ist im Moment okay. Auf den Außenbahnen am besten, weiter in der Bucht immer noch so dreckig, dass man keine Lust hat, davon Wasser in den Mund zu bekommen." Die Segeltests zeigen, es ist eine Frage des Wetters und der Strömung. Ein Problem ist auch das knapp bemessene Segelfenster von 13 Uhr bis 17.30 Uhr, dann wird es dunkel. Es lässt wenig Spielraum bei Flautenausfällen, meist kann wegen der Thermik nicht vormittags in Rio gestartet werden.

Sportlich ist die Bilanz der deutschen Segler durchwachsen. Buhl liegt im Mittelfeld, beste Crew im Sailing Team Germany sind zur Halbzeit überraschend die Jüngsten. Steuermann Paul Kohlhoff (20) und seine ein Jahr ältere Vorschoterin Carolina Werner aus Kiel haben in der neuen Mixed-Katamaran-Disziplin Nacra 17 sogar die Führung ihres mit Olympiasiegern und Weltmeistern gespickten Feldes übernommen. Das Duo, das vor wenigen Wochen bei der WM in Dänemark mit herausragenden Ergebnissen und Platz fünf den Spitznamen "German Wonder Kids" verpasst bekam, ersegelte bereits drei Tagessiege. Auf dem Wasser werden sie vom neuen britischen DSV-Cheftrainer David Howlett betreut, der zuvor in Großbritannien mit Sir Ben Ainslie den erfolgreichsten Olympiasegler der Sportgeschichte gecoacht hat.

Carolina Werner sagt: "Wir hatten eigentlich gar keinen Trainer für diese Regatta. Dass es nun David Howlett selbst ist, der uns hier betreut, ist eine große Ehre." Zwölf Seglerinnen und Segler aus Deutschland sind in sieben von zehn olympischen Segeldisziplinen am Start. Der Test ist ein wichtiger Fingerzeig: In London 2012 hatten 60 Prozent der Medaillengewinner bei der Testregatta vor Weymouth auch bei der olympischen Regatta am Ende Edelmetall gewonnen.

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