EM der Springreiter Jeroen Dubbeldam wird in Aachen auch im Einzel Europameister

AACHEN · Eigentlich wollte Zenith gar nicht Europameister werden. Jeroen Dubbeldam hatte seine liebe Mühe, den nervösen Wallach in die Soers zu reiten.

 Souverän überquert Jeroen Dubbeldam mit seinem Wallach Zenith ein Hindernis im EM-Parcours.

Souverän überquert Jeroen Dubbeldam mit seinem Wallach Zenith ein Hindernis im EM-Parcours.

Foto: dpa

Das Pferd bockte, legte den Rückwärtsgang ein - 40 000 Zuschauer im imposanten Hauptstadion der Aachener Soers beeindruckten den Wallach. Doch Dubbeldam ist ein exzellenter Reiter, und Zenith hat neben dem Wahnsinn auch Genie zu bieten und trug den Niederländer letztendlich doch in die Bahn und zum Europameister-Titel. Silber ging an Gregory Wathelet mit seinem Conrad de Hus, ein kleines Trostpflaster für das verpasste Rio-Ticket der Belgier. Bronze sicherte sich Simon Delestre auf Ryan de Hayettes. Ein versöhnlicher Abschluss für die Franzosen, die nach der Halbzeit-Führung im Nationenpreis noch auf Platz fünf durchgereicht worden waren.

Als Zenith sich noch zierte, den von Parcourschef Frank Rothenberger kreierten Kurs zu absolvieren, standen die Chancen der deutschen Reiter noch recht gut - vielleicht nicht auf den Sieg, aber doch immerhin auf eine Medaille. Daniel Deußer ging als Erster des Quartetts, das am Freitag Silber geholt hatte, in den Parcours. Doch wie vielen anderen wurde seinem Cornet D'Amour die dreifache Kombination zum Verhängnis. Hier lag die Schwierigkeit der Rothenberger-Aufgabe: Gleich nach dem forsch angerittenen Wassergraben wieder die richtigen Distanzen zu finden. Deußer fand sie nicht, am mittleren Sprung fiel die Stange und am Aussprung der Kombination noch eine weitere. Das war's. Damit waren seine Medaillenchancen dahin.

Meredith Michaels-Beerbaum und ihr Fibonacci, benannt nach einem der bekanntesten Mathematiker des Mittelalters, hatten sich an der Dreifachen ebenfalls verrechnet und kassierten hier einen Fehler. "Das war wirklich knifflig und richtig, richtig schwer nach dem Wassergraben", gab Christian Ahlmann zu Protokoll, der sich seinen Fehler mit Taloubet Z ebenfalls in der dreifachen Kombination leistete. Dergestalt bereits dreifach vorgewarnt, machten sich Ludger Beerbaum und Chiara auf den Weg. Und während sie die neuralgische Stelle des EM-Finales mit Bravour absolvierten, ging wieder ein kollektiver Seufzer durch die Soers. Der Beobachter am Wassergraben hatte sein kleines gelbes Täfelchen gehoben, vier Fehlerpunkte gingen auf das Konto des deutschen Routiniers. "Ich weiß nicht, ob überhaupt schon jemand einen Fehler am Wassergraben hatte", fragte er rhetorisch, sein Gesicht sprach Bände. "Da wäre noch was gegangen, aber jetzt wird es schwierig."

Als vorletzter Starter des ersten Umlaufs blieb Dubbeldam dann auch mit ein bisschen Glück fehlerfrei, denn der zuerst unwillige Zenith klopfte hier und da an, ließ aber alle Stangen liegen. Der Niederländer blies die Wangen auf. Die Chance, als erster Reiter seit Hans Günter Winkler Einzel-Olympiasieger, Europa- und Weltmeister zu werden, bestand weiterhin. Und sie wurde noch ein Stückchen größer, als der bis dahin Führende Sergio Alvarez Moya mit seinem Carlo sich einen Fehler erlaubte und zurückfiel.

Nachdem Deußer wegen einer blutigen Stelle an Cornet D'Amours Flanke aus der Prüfung genommen worden war, brachte zumindest die Amazone im Team Bundestrainer Otto Becker wieder zum Lachen. Ein Null-Fehler-Ritt zum Abschluss bedeutete für sie Rang acht in der Endabrechnung, und auch Christian Ahlmann und Taloubet Z blieben in der letzten Runde fehlerfrei, was Ahlmann als Siebten zum besten Deutschen in der EM-Einzelwertung machte. Ludger Beerbaum fiel mit einem Fehler gleich am ersten Sprung noch auf den zwölften Rang zurück. "Heute war der Wurm drin. Das muss man dann auch mal akzeptieren. In der Weltspitze ist es so eng, da muss alles passen - und das hat es heute nicht", fasste er zusammen. Der Bundestrainer bekannte, dass er die Prüfung im Grunde schon nach dem ersten Durchgang abgehakt hatte: "Meine Gedanken kreisen schon um Rio", sagte der Coach der Silber-Equipe. "Wir müssen uns vor niemandem verstecken", erklärte er. "Ein Sieg ist auf jeden Fall möglich", ergänzte Beerbaum. "Es fehlt uns nur ein kleines bisschen - auch Glück."

Das hatte Dubbeldam - und es trieb ihm die Tränen in die Augen, während er wieder mit Zenith kämpfte, der, erschreckt vom Sieger-Applaus, ein Tänzchen veranstaltete.

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