Nibali, Astana und der Generalverdacht

Lignan-sur-Orb · Es herrschte große Betriebsamkeit beim Astana-Team. Ein derartiges Medienaufkommen wie am zweiten Ruhetag im feinen Chateau de Lignan war in der Vergangenheit nie ein gutes Zeichen beim kasachischen Radrennstall.

 Vincenzo Nibali ist stolz auf seine Leistung. Foto: Nicolas Bouvy

Vincenzo Nibali ist stolz auf seine Leistung. Foto: Nicolas Bouvy

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Wie etwa beim spektakulären Dopingfall von Alexander Winokurow vor sieben Jahren. Diesmal blieben aber entsprechende Schreckensmeldungen aus. Vielmehr hielt der neue Tour-Regent Vincenzo Nibali im Schlossgarten im Schatten riesiger Platanen Hof. Und der Italiener blieb entgegen der vergangenen Tage von einem Kreuzverhör in Sachen Doping verschont.

Nur sein Teamchef, pikanterweise jener damalige Übeltäter Winokurow, musste am Montag zu den Sünden der Vergangenheit Stellung beziehen. "Wir sind seit 2009 in der MPCC (Anm.: Bewegung für glaubwürdigen Radsport). Wir arbeiten viel für die Sauberkeit im Radsport und folgen dem Reglement. Seit fünf, sechs Jahren hat sich einiges verändert", antwortete der Olympiasieger mit dem umstrittenen Ruf auf die Frage, was er aus dem Jahr 2007 gelernt habe, und was er seinem Team weitergebe.

Astana und Doping ist nur schwer auseinanderzuhalten. Das Team bietet ja auch jede Menge Angriffsfläche. Neben Winokurow arbeitet in Giuseppe Martinelli jener Mann als Sportdirektor, der einst Marco Pantani in der dunklen EPO-Zeit 1998 als bisher letzten Italiener zum Toursieg geführt hatte. Und in Dimitri Fofonow ist ein weiterer überführter Betrüger in der Teamführung integriert.

Der Sizialiner Nibali war noch nicht auffällig geworden, mal abgesehen von den Anschuldigungen einer möglichen Zusammenarbeit mit Dopingarzt Michele Ferrari vor fünf Jahren, die aber vor Gericht nicht aufrecht zu erhalten waren. Tony Martin hält die Skepsis gegen seinen italienischen Kollegen für unfair. "Den Generalverdacht finde ich unpassend. Nibali bringt seit Jahren kontinuierlich gute Leistungen. Es gibt keinen Grund für Misstrauen", sagte der dreimalige Zeitfahr-Weltmeister, der seinen Vertrag beim belgischen Rennstall Omega Pharma-Quickstep bis Ende 2016 verlängert hat.

Dopingfragen hin oder her - der Gesamtsieger der Tour de France 2014 wird mit ziemlicher Sicherheit Nibali heißen. Vor den letzten Hindernissen in den Pyrenäen ab Dienstag sind keine ernsthaften Rivalen mehr in Sicht. 4:37 Minuten beträgt der Vorsprung des 29 Jahre alten Astana-Kapitäns vor dem Spanier Alejandro Valverde. Ein spektakulärer Dreikampf war der Tour durch die Stürze von Vorjahressieger Chris Froome (Brüche an beiden Händen) und dem zweimaligen Champion Alberto Contador (Schienbeinbruch) entgangen.

Nibali sieht seinen möglichen Gesamtsieg dadurch aber nicht abgewertet. "Ich hätte den Sieg verdient und nicht gestohlen. Es tut mir leid für Froome und Contador, aber ich habe in der ersten Woche gezeigt, dass ich super vorbereitet bin. Ich bin von Jahr zu Jahr als Rennfahrer gewachsen und habe mich weiterentwickelt", betonte der "Hai von Messina", der die Etappen in Sheffield, La Planche des Belles Filles und Chamrousse gewann. Der Toursieger sei der beste Fahrer der Welt.

"Aber das ist nur eine Momentaufnahme", ergänzte Nibali. Doch träumen will er noch nicht. "Mein Vorsprung ist komfortabel, aber ich muss gut darauf Acht geben. Es kommen noch sehr gefährliche Etappen. Ich darf mir keine Krise erlauben." Wie etwa am Dienstag, wenn es über den Portet de Bales geht oder danach bei den Bergankünften in Saint-Lary Pla d'Adet und Hautacam.

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