Interview mit Mattias Ekström "Die DTM ist kein Händchenhalten"

Bonn · Auf dem Nürburgring startet die DTM am heutigen Samstag in das vorletzte Saison-Wochenende. Mit 14 Punkten Rückstand auf Youngster Pascal Wehrlein befindet sich Altstar Mattias Ekström im Kampf um die Gesamtwertung in Lauerstellung. Vor dem Rennen sprachen Gerhard Mertens und Simon Bartsch mit dem Audi-Piloten.

 So wie beim Sieg in Spielberg will der Schwede auch am Saisonende jubeln.

So wie beim Sieg in Spielberg will der Schwede auch am Saisonende jubeln.

Foto: dpa

Herr Ekström, es geht in die heiße Phase. Die letzten beiden Saisonwochenenden stehen an. Vor den Läufen auf dem Nürburgring liegt das Fahrerfeld sehr eng beieinander. Was wird am Ende den Ausschlag geben?
Mattias Ekström: Jeder ist für sein eigenes Glück verantwortlich. Ich wünsche mir nur, dass das Qualifying eine faire Vorstellung wird. Dort werden doch immer strategische Spielchen gespielt. Pascal Wehrlein soll seine saubere Runde bekommen und nicht meckern, dass jemand vor ihm gefahren ist. Und ich will auch eine faire Runde haben und nicht, dass zufällig ein Mercedes-Fahrer vor mir fährt.

Im vergangenen Jahr sind Sie auf dem Nürburgring bereits in der zweiten Runde ausgeschieden, Sie haben in der Eifel aber auch schon zwei Mal gewonnen. Wie ist ihr Verhältnis zu der Rennstrecke?
Ekström: Ich mag den Nürburgring. Es ist ein besonderes Gefühl, dort zu fahren. Er ist ein Mythos und wird es immer bleiben. Da der Parcours in seiner Beschaffenheit der Strecke in Moskau sehr ähnelt, bin ich zuversichtlich, dass wir dort ein gutes Setup haben werden.

Wie wahrscheinlich ist es denn, dass Mattias Ekström nach den beiden Rennen am Nürburgring die Fahrerwertung wieder übernommen hat?
Ekström: Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Es ist auch nicht mein Ziel. Ich will am Ende der Saison vorne sein. Deswegen werde ich ein wenig strategisch fahren. Am liebsten würde ich am ersten Tag ein gutes Ergebnis haben und am zweiten Tag hinsichtlich der Performance-Gewichte ein schlechteres. So will ich die Lücke ein wenig schließen und trotzdem mit fairem Gewicht nach Hockenheim fahren.

Sie sprechen das Reglement an. Wie fair ist es, dass Hersteller je nach Rennergebnis Gewicht zulegen müssen oder verlieren?
Ekström: Man will ein Feld haben, das eng beieinander ist. Aber es gibt immer Vor- und Nachteile. Dieses Jahr wurden viele Fünf-, sogar Siebenfach-Siege eingefahren. Diese Wochenenden tun mir als Sportler im Herzen weh. Da leiden auch die Fans. Das schwankt viel zu doll. Da müssen die Chefs am Ende des Jahres drüber reden. Die Unterschiede sind dann nicht mehr nachvollziehbar. Weder für den Sportler noch für die Medien noch für den Fan.

Es muss doch enttäuschend sein zu wissen, dass ich ein Auto fahre, mit dem ich nicht gewinnen kann?
Ekström: Ich habe so oft in meinem Leben verloren. Ich hatte auch Jahre, in denen ich chancenlos war. Wenn ich in einem schwachen Auto, für ein schwaches Team fahre oder selbst schwach bin, dann habe ich es auch verdient zu verlieren. Dann musst du dich halt steigern. Dennoch bin ich ein Gegner von dieser Regelung. Beim Red Bull Ring in Spielberg habe ich zum Beispiel aufgrund meiner Leistung gewonnen. Aber trotzdem bekomme ich fünf Kilo für das nächste Rennen. Dabei war der Unterschied nicht das Auto, sondern der Fahrer. Insofern ist das nicht hundertprozentig korrekt.

Mit dieser Regelung soll ja auch die Spannung für die Fans erhöht werden. Haben Sie den Eindruck, dass die DTM bei den Zuschauern falsch wahrgenommen wird?
Ekström: Viele Fans kommen zu mir und beschweren sich, die Hersteller würden vorab den Sieger aussuchen. Das ist nicht so. Man versucht, ein sportliches Reglement herzustellen, das für alle fair ist. Aber wenn der Wettbewerb anfängt, das Qualifying beginnt, dann hasst man den Gegner. Das ist brutaler Kampf. Das ist kein Händchenhalten. Da geht es um Zweikämpfe. Wenn die Fans solche Zweikämpfe sehen, realisieren sie, dass es ernst ist und um etwas geht.

Im August hat der Funkspruch von Wolfgang Ullrich für Zündstoff gesorgt. Ullrich hatte über Funk Timo Scheider aufgefordert, Robert Wickens von der Strecke zu drängen. Ist seitdem das Klima zwischen den Fahrerlagern vergiftet?
Ekström: Man kann das vielleicht mit einer Roten Karte beim Fußball vergleichen. Das Spiel geht trotzdem weiter und zwei Spiele später ist das vergessen. Das ist auch nicht anders bei uns. Wie oft schreit ein Trainer im Spiel, wenn die Emotionen hochkochen? Das passiert dauernd. Bei uns hat das Fernsehen aber Funkaufnahmen. Emotionen sind im Sport normal.

Bei den Motorsport-Fans hat es die Aufmerksamkeit erst Recht auf die DTM gerichtet.
Ekström: Wenn nichts passiert, gibt es bei den Fans auch keine Erinnerungen an packende Szenen. Ich gehe in jedes Überholmanöver, als wäre es mein letztes. Unser Chef sagt vielleicht etwas, das er besser nicht gesagt hätte. Andere fahren sich in die Karren, dass die Fetzen fliegen. Das sind Beispiele, die die Fans wahrnehmen und sagen, ich kann sehen, dass es ernst ist. Würden wir nur Händchen halten und die Gegner einfach vorbeilassen, dann würden doch alle sagen, dass ist ein Zirkus. Es ist aber vollblutiger ernst.

Die Wasserflaschen-Affäre hat dagegen bei vielen Fans für Kopfschütteln gesorgt.
Ekström: Wir fahren nach einem Reglement. Jeder will das Maximale rauskitzeln. Wenn du über die Grenze gehst, geht es manchmal übel zu Ende - ob bewusst oder unbewusst. Es war das beste Rennen meiner Karriere, an meinem 35. Geburtstag, und der Sieg wird mir genommen. Diesen Geburtstag werde ich nie vergessen. Aber darüber vergieße ich keine Träne mehr. Ich hatte nicht alles im Griff. Man muss sein Umfeld schulen. Wir sind durch die Affäre ein besseres Team geworden. Ich bin auch auf niemanden böse. Denn die Verantwortung liegt letztendlich beim Fahrer.

Ähnlich wie viele andere Motorsportler sind auch Sie im Kartsport groß geworden. Wieso haben Sie sich für die Tourenwagen entschieden?
Ekström: Meine Eltern und ich haben früh festgestellt, dass uns für den Formel-Sport die Finanzen fehlten. Mein Ziel war es aber auch, der beste Tourenwagenfahrer der Welt zu werden. Da hat die Reise angefangen. Ich hab nie das Gefühl gehabt, dass ich etwas verpasst habe. Ich bin Rallye-WM, Nascar, Race of Champions oder die Supercars in Australien gefahren. Ich habe eine tolle Karriere gehabt. Wenn das morgen vorbei wäre, kann ich sagen, ich bin stolz auf das, was ich geschafft habe. Vom Urwald in Schweden zur Fomel 1 ist es ja auch ein großer Schritt. Ein konkretes Angebot habe ich ohnehin noch nie bekommen.

Beim Race of Champions haben Sie das Formel-1-Idol Michael Schumacher zwei Mal geschlagen. Ist das für Sie etwas Besonderes?
Ekström: Die Momente habe ich genossen. Die Monate danach habe ich festgestellt, dass es eine Bestätigung für die Fans ist. DTM-Sieger zu sein, bedeutet für den Otto-Normal-Verbraucher nichts. Aber wenn man zwei Mal den Schumacher schlägt, dann verstehen die Leute, wie gut man wirklich ist.

Sie fahren nun seit mehr als 20 Jahren und haben in dem Zeitraum so viel gewonnen. Ab wann halten Sie sich nicht mehr für konkurrenzfähig?
Ekström: Ich warte darauf, dass das kommt. Meine Freundin hat mir am Anfang der Woche gesagt: "Schau mal, du hast ein weißes Haar bekommen". Sie hat es rausgezupft. Wir haben es uns gemeinsam angeschaut, und dann hat sie gesagt: "Nee, ist doch blond". Aber Spaß beiseite: Irgendwann kommt sicher der Tag, wo ich sage: Ja, das war es. Aber momentan genieße ich es noch. Ich fühle keinen Nachteil. Ich habe Spaß am Fahren.

Sie sind ja auch erfolgreich. Im Moment belegen Sie in der Gesamtwertung den zweiten Platz. Ist der dritte Gesamtsieg Ihrer Karriere möglich?
Ekström: Wir haben 14 Punkte Rückstand, aber nur zweieinhalb Kilogramm Unterschied im Gewicht. Das heißt, es ist eine große Aufgabe, die Lücke zu schließen, ohne für das Finale in Hockenheim zu viel Gewicht zu bekommen. Wenn wir mit weniger als zehn Punkten Rückstand und einem Gewichtsunterschied innerhalb von fünf Kilo dort hinfahren, ist alles drin.

Dann kommt es im Oktober zum finalen Showdown. Sie wissen, wie sich der Gesamtsieg anfühlt. Was geht auf dem Podest in dem Sieger vor?
Ekström: Das ist der Moment, wo man realisiert, dass es alle Anstrengungen und alle Zeit wert war. Das ist wie eine Droge, die keine Droge ist. Gänsehaut von den Zehenspitzen bis in die Haare. Das Gefühl, die Meisterschaft zu gewinnen, kann man sich nicht kaufen. Zwei, drei Mal im Jahr gibt es Tage, da kann ich das in meinen Träumen reproduzieren. Das kann ein Geräusch oder ein Geruch verursacht haben.

Gibt es einen Titel, der für Sie immer besonders bleiben wird?
Ekström: Der erste Titel ist immer speziell. Davon habe ich ja in meiner Kindheit geträumt. So schön das war, so komisch war es auch. Du willst auf den Mount Everest, aber wenn du oben warst, fragst du dich, wo es jetzt hingeht. Nach dem ersten Erfolg habe ich für einen kurzen Moment nicht gewusst, was ich machen soll. Es war ermüdend mit der ganzen Pressearbeit und Ähnlichem. Es gab nur den kurzen Moment, in dem ich den Erfolg genießen konnte. Das war das Highlight, danach ist es kein Highlight mehr. Du willst nur noch auf die Couch, dir die Wiederholung ansehen. Es hat bei mir dann eine ganze Weile gedauert, bis ich wieder hungrig war. Aber dann greifst du mit Vollgas an und sagst dir: Mensch, dass schaffe ich nochmal. Denn dieser kurze Moment auf dem Podium, wenn du nass vom Champagner im Goldregen den Pokal in die Luft stemmst - dieser Moment ist jede Mühe wert.

Zur Person

Mattias Ekström (37) fährt seit 2001 in der DTM für Audi. Seitdem feierte der Schwede unter anderem zwei Meisterschaften (2004, 2007) und drei zweite Plätze (2005, 2011, 2014).

Ekström gilt als Multitalent, im Formel-Rennsport ist er allerdings nie unterwegs gewesen. Schlagzeilen machte der Schwede 2013. An seinem Geburtstag feierte er auf dem Norisring einen großen Sieg, wurde aber disqualifiziert. Sein Vater hatte ihn beim Jubel noch vor dem Wiegen mit Wasser übergossen. Ein Regelverstoß.

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