Deutsche Leichtathleten in Zürich Schwache EM-Bilanz - Zwischen Himmel und Hölle

ZÜRICH/BONN · Ein Bild aus dem Vorlauf über 3000 Meter Hindernis spiegelt die große Bandbreite zwischen Erfolgen und Fehlleistungen deutscher Leichtathleten bei den 22. Europameisterschaften. Die eine Läuferin rennt vorneweg, die andere erlebt eine volle Bauchlandung. Es geht um Antje Möldner-Schmidt und Jana Sussmann.

Erstgenannte sorgte am Sonntag für die einzige wirkliche Positiv-Überraschung aus Sicht des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) während der sechs EM-Tage von Zürich. Mit Mut und Entschlossenheit holte sie die letzte der insgesamt vier Goldmedaillen für Deutschland.

Sussmanns spektakuläres Missgeschick taugt als Sinnbild, auch wenn die junge Hamburgerin nicht zu den Enttäuschungen der Titelkämpfe zu rechnen ist, weil sie mit ihren 23 Jahren zu den Optionen auf die Zukunft zählt. Doch andere Fehltritte, zu denen am EM-Schlusswochenende unter anderem der leichtfertige Wechselfehler der Frauen-Sprintstaffel zählte, wogen schwerer und verhagelten dem DLV letztlich die Medaillenbilanz.

Für das im Durchschnitt 25,2 Jahre alte 92-köpfige Perspektivteam für Olympia 2016 standen statt der grob angepeilten rund 16 Edelmetall-Plaketten am Ende lediglich acht zu Buche. Mit den Titeln Nummer drei und vier verhinderten Kugelstoßerin Christina Schwanitz (nebenstehender Bericht) und Möldner-Schmidt (zweite Sportseite) am gestrigen Schlusstag ein Debakel und retteten Rang drei im Medaillenspiegel. Unter dem Strich haben die deutschen Leichtathleten in Zürich ein Wechselbad der Gefühle erlebt - zwischen Himmel und Hölle.

Zu den großen Enttäuschungen zählten die Auftritte der Weitspringer. Sowohl Titelverteidiger Sebastian Bayer mit seinem Aus in der Qualifikation ("Völlig lächerlich und indiskutabel, was ich gezeigt habe") als auch Ex-Europameister Christian Reif als aktuell Weltranglistenzweiter blieben meilenweit von ihren Möglichkeiten entfernt.

Auch die nach ihren Siegen bei der Team-EM im Juni als Medaillenkandidaten gehandelten Mittelstreckler enttäuschten: Homiyu Tesfaye als Fünfter über 1500 Meter sowie Arne Gabius, 2012 noch EM-Zweiter über 5000 Meter hinter Großbritanniens Olympiasieger, Welt- und Europameister Mo Farah. Diesmal wurde Gabius nur Siebter, obwohl er angekündigt hatte, dass "zwischen Platz sechs und eins" alles möglich sei. Eine Option auf die Zukunft: Richard Ringer, der einen der zahlreichen vierten Plätze von DLV-Athleten belegte. "Darauf kann man aufbauen", sagte der 25-Jährige.

DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska warb um Verständnis. "Wir sind mit einem jungen Team auf dem Weg nach Rio", sagte Gonschinska und verwies auf die Vielzahl fehlender Topathleten, darunter die Weltmeister Christina Obergföll (Speerwurf) und Raphael Holzdeppe (Stabhochsprung): "Ich hoffe, dass die Leistungsträger zurückkehren." Ein Satz, der auch als Appell an die inzwischen 33 Jahre alte Obergföll verstanden werden kann, die in diesem Jahr Mutter geworden ist.

Am baldigen Wiedereinstieg Holzdeppes hingegen bestehen keine Zweifel. Der 24-Jährige ist im Jahr eins nach seinem WM-Triumph über den in Zürich ein weiteres Mal dominierenden Franzosen Renaud Lavillenie in eine Formkrise geraten. Zehnkampf-Vizeweltmeister Michael Schrader hatte ebenso aus Verletzungsgründen absagen müssen wie der ehemalige Speerwurf-Weltmeister Matthias de Zordo.

Verlass war in Zürich in erster Linie einmal mehr auf die starken Frauen und Männer - und das war bitter nötig. Nach den Siegen des Diskus-Riesen Robert Harting und des Kugelstoß-Jahrhunderttalents David Storl zum EM-Auftakt lieferten Schwanitz mit der Kugel und die erst 21-jährige Shanice Craft mit dem Diskus zu guter Letzt die Gegenstücke.

"Mein größtes Ziel ist, bei den Olympischen Spielen ganz oben zu stehen", blickte Craft schon einmal in Richtung Rio 2016. Noch hatte ihr mit 64,33 Meter erstrittenes Edelmetall die Farbe Bronze, doch schon bald will die Mannheimerin der überragenden Sandra Perkovic näher auf die Pelle rücken. Die Kroatin sorgte am Samstag mit ihrer Weite von 71,08 Meter für eines der überragenden Einzelresultate der Titelkämpfe.

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