Interview mit Bundestrainer Wolfgang Heinig "Ich wünsche mir mehr Mut zum Risiko"

MOSKAU · Das deutsche Team hat Erfolg bei der Leichtathletik-WM - die Läufer erlebten durch Sabrina Mockenhaupt und Arne Gabius zwei herbe Enttäuschungen. Die Zielvorgabe erreichten bislang etwa 80 Prozent aller Athleten mit dem Adler auf der Brust, bei den Läufern beträgt die Erfolgsquote nur knapp über 40 Prozent.

 Enttäuschte in Moskau: Sabrina Mockenhaupt.

Enttäuschte in Moskau: Sabrina Mockenhaupt.

Foto: dpa

Sabrina Mockenhaupt konnte sich ihr Aussteigen über 10 000 Meter selbst nicht richtig erklären. Woran lag es aus Ihrer Sicht?Wolfgang Heinig: Sie fühlte sich vorher gut, ist das Rennen richtig angegangen und hatte ihr bestes WM-Resultat vor Augen. Platz acht war drin. Leider hat ihr am Ende der Biss gefehlt.

Die nötige Erfahrung hat sie doch ...
Heinig: Es ist eine Frage der Persönlichkeitsentwicklung. Und da hat Mocki, so leid es mir tut, trotz ihrer 32 Jahre und 36 deutschen Meistertiteln noch Luft nach oben. Das ist nicht alleine ihre Schuld. Die Langstrecke ist durch die große Laufszene in Deutschland ja sehr populär. Wer aber über das nationale Niveau hinaus möchte, muss hart dafür arbeiten und hat es angesichts mangelnder nationaler Konkurrenz schwer.

Vize-Europameister Arne Gabius hat es nicht besser gemacht. Warum ist er im 5000-MeterVorlauf gescheitert?
Heinig: Auch sein Ausscheiden war Kopfsache. Er hat sich unklug verhalten, indem er sich auf der Innenbahn einkesseln ließ.

Kritische Frage an Sie: Hätten Sie als Bundestrainer die beiden nicht besser einstellen müssen?
Heinig: Mocki war gut eingestellt, ihr Ziel ein Top-12-Ergebnis. Dazu muss sie in der Lage sein, ein höheres Anfangstempo zu kompensieren, das wusste sie. Nach 5000 Metern war sie bei 15:48, das wäre auf eine Zeit unter 32 Minuten hinausgelaufen, das kann man von ihr im Moment sicher erwarten.

Und bei Gabius?
Heinig: Wir wussten, dass Arne die letzten zwei Runden stark laufen kann. Sein Missgeschick: Er war an der falschen Stelle, das war unglücklich.

Mockenhaupt und Gabius sind seit Jahren als einzige deutsche Langstreckler international dabei. Wie sieht es an der Basis aus?Heinig: Der deutsche Laufbereich hat auch Potenzial. Es muss uns besser gelingen, den Nachwuchs nach den vorhandenen Erfolgen im U 18- und U 20-Bereich zielgerichteter heranzuführen. Aber leider gelingt der Übergang nach der Schulzeit in den Spitzenbereich zu selten.

Ist die Dominanz der Afrikaner einfach zu erdrückend?
Heinig: Wir geben nicht auf. Leider zeigen wir nicht die Konsequenz der Afrikaner - genauso wenig ist es uns bisher gelungen, eine Konzentration in Trainingsgruppen wie beispielsweise bei den Amerikanern zu erreichen. Wir stürzen uns voller Begeisterung in die Duale Karriere, und dabei wird das Training zweitrangig behandelt. Von vielen Athleten wünsche ich mir ein wenig mehr Mut zum Risiko.

Warum funktioniert die Duale Karriere in anderen Disziplinen, aber nicht im Lauf?
Heinig: In keinem anderen Disziplinbereich gibt es eine vergleichbare weltweite Konkurrenz. Die Werfer etwa kommen aus dem Trainingslager zurück und können danach dem Studium mehr Zeit widmen. weil das Training im Alltag anders ist. Die Läufer brauchen einen längeren Zeitraum der Vor- und Nachbereitung, sprich Regeneration. Eine Gegenfrage: Wer kann nach zwei Stunden Gartenarbeit sofort auf höchstem Niveau geistig anspruchsvolle Arbeit verrichten? Arne Gabius etwa hat auch erst nach Abschluss seines Medizinstudiums ein internationales Niveau erreicht.

Zur Person

Wolfgang Heinig hat zu Jahresbeginn die Rolle als leitender Bundestrainer für die Laufdisziplinen ab der 800-Meter-Strecke aufwärts übernommen. Der 62-Jährige ist auch Heimtrainer von Gesa Krause, der U23-Europameisterin über 3000 Meter Hindernis.

Heinigs aus Leipzig stammende Ehefrau Katrin Dörre-Heinig war eine der erfolgreichsten deutschen Marathonläuferinnen. Beide leben in Erbach/Odenwald.

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