IAAF-Chef Coe setzt Zeichen: Müssen Schiff stabilisieren

Monte Carlo · Mitten im größten Dopingskandal der Leichtathletik-Geschichte hat Chef-Reformer Sebastian Coe ein längst überfälliges Zeichen in eigener Sache gesetzt.

 Sebastian Coe hört bei Nike auf. Foto: Olivier Anrigo

Sebastian Coe hört bei Nike auf. Foto: Olivier Anrigo

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Zufällig einen Tag vor Ablauf seiner 100-Tage-"Schonfrist" als Präsident verkündete der Lord seinen Rückzug als Marken-Botschafter des Sportartikel-Konzerns Nike. "Der gegenwärtige Geräuschpegel wegen dieser Rolle ist nicht gut für die IAAF und nicht gut für Nike", sagte der 59 Jahre alte Brite auf einer lange geplanten IAAF-Councilsitzung in Monte Carlo.

Auslöser für Coes eher erzwungene Entscheidung dürfte die umstrittene Vergabe der WM 2021 an die US-Stadt Eugene sein. Eher en passant ließ der zweimalige Olympiasieger in einer IAAF-Erklärung ("Declaration of interests") mitteilen, dass er als britischer NOK-Präsident nach den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro zurücktreten wird. Seine zentrale Botschaft für die olympische Kernsportart dürfte konsensfähig sein: "Wir müssen hart arbeiten, um das Vertrauen wiederherzustellen und die wahren Werte und das Potenzial der Leichtathletik unter Beweis zu stellen."

Der Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF war wegen seiner Rolle als Nike-Berater immer stärker in die Kritik geraten. Schon auf seiner ersten Pressekonferenz als neuer Chef - am 19. August in Peking - war Coe darauf angesprochen worden - und hatte abgewunken: Das sei bekannt und kein Problem. Auch sein Chefposten bei der einflussreichen Sportmarketing-Firma CSM nicht. Doch der Druck wurde immer größer.

"Ich glaube nicht, dass es einen Interessenskonflikt gab", betonte Coe, er habe keine Lobbyarbeit betrieben. Er habe diesen Schritt deshalb nicht - wie oft gefordert - schon früher vollzogen, weil er sich zunächst mit seinen Council-Kollegen beraten wollte. Die Ethikkommission der IAAF habe zudem keinen Einspruch in dieser Sache eingelegt.

Treibende Kraft für die Eugene-Entscheidung war der damals noch amtierende IAAF-Präsident Lamine Diack, der inzwischen wegen Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der Vertuschung von Dopingfällen angeklagt wurde. Coe war als IAAF-Vize acht Jahre lang enger Vertrauter und Wegbegleiter des Senegalesen.

Nicht nur in Statements hat sich der smarte Brite inzwischen von dem zwielichtigen Afrikaner abgesetzt. Den Vertrag über das ständige Präsidenten-Apartment im noblen Fünf-Sterne-Hotel "Fairmont" in Monte Carlo habe er gleich nach seiner Amtsübernahme gekündigt. Auch das Chefbüro "Villa Miraflores" sei geschlossen worden, das dort bisher tätige Personal musste ins Hauptquartier am Quai Antoine umziehen, teilte die IAAF mit.

Die Weltmeisterschaften 2021 waren im April dieses Jahres vom Weltverband - ohne vorheriges Bewerbungsverfahren - überraschend Eugene zugesprochen worden. Nike ist sehr eng mit dem Standort Eugene verbunden. Ein Zufall? Einen Tag vor der Sitzung des Councils hatte der Präsident des schwedischen Verbandes, Björn Eriksson, gefordert: "Das stinkt und muss untersucht werden."

Coe räumte aber ein, dass seine Entscheidung auch mit seiner Absicht zu tun habe, "das Schiff, das in jüngster Zeit ziemlich heftig ins Schlingern geraten ist, zu stabilisieren". Ein klarer Hinweis darauf, dass seine Zukunft auf der Kommandobrücke der IAAF vor allem vom Erfolg der dringend notwendigen Reformen abhängt: Käpt'n Coe muss den Kurs halten, wenn die Erneuerungen nach den zahlreichen Dopingaffären - mit gigantischem Ausmaß in Russland - und Korruptionsskandalen gelingen soll.

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