Telekom Dome Manuel Charr bezwingt Kevin Johnson nach Punkten

BONN · Profiboxen ist mehr als nur der Faustkampf zweier mehr oder minder austrainierter Gegner. Boxen ist auch Show - große Töne sind an der Tagesordnung. Kampfansagen werden verteilt, Provokationen ausgesprochen und Versprechen gegeben. Versprechen, denen man nicht immer allzu viel Glauben schenken muss.

Auch Manuel Charr hatte im Vorfeld seines Kampfes gegen Kevin Johnson am Samstagabend im Telekom Dome einige Versprechen gegeben. Er wolle der erste sein, der Kevin Johnson zu Boden schickt. Vielleicht hat der 34-jährige Amerikaner auch deshalb schon vor dem Kampf die Qualität des Ringbodens geprüft. Obwohl sich ein K.o. nahtlos in die einseitigen und frühzeitig beendeten Vorkämpfe eingereiht hätte, dieses Versprechen konnte Charr nicht halten. Während alleine vier der fünf Vorkämpfe bereits in der ersten Runde entschieden wurden, schenkten sich die Kontrahenten des Hauptkampfes nichts.

Kein Wunder, für beide Sportler ging es um die möglicherweise letzte Chance, noch einmal einen WM-Kampf vor die Brust zu bekommen. Die Uhr näherte sich der eins, als Charr nach einer langen Nacht als Punktsieger die Arme in die Höhe reckte. "Es war ein hartes Stück Arbeit, aber ich bin glücklich, dass alles so gut geklappt hat", sagte der 29-Jährige.

Die Wertungen der Punktrichter fielen mit von 98:92, 98:92 und 97:93 allerdings ein wenig zu deutlich zu Gunsten des Wahl-Kölners aus. Johnson hielt nicht nur den Attacken des gebürtigen Libanesen stand, in den ersten Runden gab der 34-Jährige den Ton sogar an. Dementsprechend unzufrieden war Johnson mit dem Ergebnis der Punkterichter: "Ich bin mit der Entscheidung nicht einverstanden. Ich bin der Gewinner. Das passiert wenn man im Niemandsland boxt", so Johnson: "Meine Rechte war sehr effektiv. Ich weiß noch immer nicht, warum der Kerl nicht umgefallen ist."

[kein Linktext vorhanden]Auch in der Ecke des "Koloss von Köln" wurde es hektisch. Immer wieder forderten die Trainer den Jab, den sie als effektive Waffe ausgemacht hatten. Doch Charr hörte nicht. "Wenn man zu viel will, verkrampft man. Die Muskeln wollen dann nicht mehr", sagte der spätere Sieger. Johnsons krachender rechter Haken in der fünften Runde weckte Charr offensichtlich auf.

Manuel Charr vs. Kevin Johnson
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Der 29-Jährige dominierte fortan den Gegner von der Mitte des Rings und war mit einigen schweren Haken und Jabs erfolgreich. Auch Johnson traf vereinzelnd, aber nicht mehr so effektiv. Charr zog das Tempo an, landete die härteren Treffer und darf verdient weiter vom WM-Kampf zum Ende des Jahres träumen. "Kevin ist kein einfacher Gegner. Er ist sehr erfahren. Alles in allem, bin ich sehr zufrieden", sagt Charrs Trainer Clive Salz.

Nicht immer zufrieden waren dagegen die rund 4000 Zuschauer mit dem Vorprogramm. Und das, obwohl Charr versprochen hatte, Bonn mit einer großen Show rocken zu wollen. Die vor Wochen angekündigten Musik-Acts Percival Duke und Bahar traten gar nicht erst auf. In weiser Vorahnung? Das Publikum buhte Sänger Fancy nach seinem "Greatest-Hits-Medley", bei dem er jeden vermeintlichen "internationalen Erfolg" selbst kommentierte, gnadenlos aus. Vielleicht auch, weil der Musiker die Zuschauer herzlich im Megadome Köln/Bonn begrüßt hatte.

Der 80er-Jahre-Sänger verabschiedete sich mit den Worten: "Ihr müsst ja hier nicht stehen und singen. Bonn, Ihr seid scheiße." Auch bei den restlichen Live-Acts wollte in der Halle nicht so richtig Stimmung aufkommen. Und selbst die Vorkämpfe ließen zu wünschen übrig. Ein Kämpfer gab bereits mit dem ersten Gong auf, drei wurden in der ersten Runde zu Boden geschickt. Der fünfte Kampf endete ebenfalls aufgrund einer Verletzung frühzeitig. Viel Wartezeit, die glücklicherweise von Ringrichter Gregor König mit netten Sprüchen überbrückt wurde: "Sie glauben auf Pützchens Markt wird länger geboxt? Sie haben recht." Und nach Fancys Show-Einlage sprach er davon, "wieder richtige Musik" per Band einzuspielen.

Doch der Hauptkampf entschädigte. Es war ein spektakulärer, aber nicht hochklassiger Fight. Auch wenn Charr den Amerikaner nicht ausknockte, er bewies, dass er zu recht in der Top-Ten des Box-Verbandes WBC geführt wird. Der "Diamond Boy gab unterdessen ein weiteres Versprechen. "Ich werde zurück nach Bonn kommen. Der Telekom Dome ist eine gute Halle für Boxkämpfe. Hier wird es eine weitere Box-Gala geben", sagte Charr. Das Versprechen eines Profiboxers. Doch in diesem Fall will man es ihm abnehmen.

Am Boxring

Bis kurz vor Beginn stand die Box-Gala auf wackligen Beinen. Die Veranstalter hatten es offenbar versäumt, einen bei Veranstaltungen in dieser Größenordnung benötigten Notarzt zu organisieren. Dieser wurde kurzfristig einberufen. Die Ringpfosten wurden nach dem ersten Kampf auf Wunsch der WBC-Verantwortlichen mit Handtüchern gepolstert.

Der erste Kampf der Gala wurde kurzfristig abgesagt, da die beiden Boxer Badien Hasso und Kwanku Opuko ihre Boxtauglichkeit nicht nachweisen konnten. Enad Licina und der Deutsche Meister im Halbschwergewicht, Sebastian Real, waren auf der ersten Pressekonferenz ebenfalls als Kämpfer angekündigt, tauchten aber ähnlich wie die Musiker Percival Duke und Bahar im Abendprogramm nicht mehr auf.

Die fünf Vorkämpfe wurden allesamt frühzeitig beendet. Aliaksandr Abramenka hielt sich ganze 43 Sekunden auf den Beinen und baute seine traurige Kampfbilanz auf 17 Siege gegenüber 44 Niederlage und einem Unentschieden aus. Der Tscheche Rudolf Murko bringt es in 71 Profikämpfen auf 66 Niederlagen.

Laut der Polizei Bonn wurde ein gewisser Personenkreis der Zuschauer als besonders kritisch eingestuft. Zudem sorgte Manuel Charr mit einem Droh-Video gegen den Rapper Bushido für zusätzlichen Zündstoff. Nach Polizeiangaben blieb alles friedlich.

Unterstützt wurde Manuel Charr nicht nur von seinem neuen Promoter Prince Kay One. Ebenfalls anwesend waren unter anderem seine ehemaligen Big-Brother-Mitbewohner Georgina Fleur, Sarah Joelle Jahnel als Nummern-Girl und Natalia Osada sowie Ebby Thust, Schalke-Trainer Jens Keller sowie die Baskets-Spieler Venas Veikalas, Andrej Mangold und Steve Wachalski.

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