65. Geburtstag Wessinghage: "Größte Zweifel" beim Kampf gegen Doping

Bad Wiessee · Die Rente ist noch kein Thema: Der einstige Lauf-Star Thomas Wessinghage hat auf seiner Homepage einen Schopenhauer-Spruch vorangestellt: "Bewegung ist nicht alles im Leben, aber ohne Bewegung ist alles nichts."

 Thomas Wessinghage wird 65 Jahre alt.

Thomas Wessinghage wird 65 Jahre alt.

Foto: Peter Kneffel

Er rannte einst gegen Sebastian Coe, hält seit über 36 Jahren den deutschen 1500-Meter-Rekord, hat als Mediziner Karriere gemacht - und ist immer noch topfit. "Mir bleibt Zeit, die Berge hoch und runter zu laufen. Also eher rennen als wandern", sagt Thomas Wessinghage.

Am Mittwoch feiert der frühere Europameister und 22-fache deutsche Meister seinen 65. Geburtstag. Die Leichtathletik und auch ihre Dopingproblematik beschäftigen den Chefarzt, Direktor und Geschäftsführer dreier Kliniken in Bad Wiessee am Tegernsee auch heute noch.

"Ich habe schon vor vielen Jahren gesagt, dass man das fast nicht lösen kann. Es ist und bleibt ein Wettlauf zwischen jenen, die diese Technologie produzieren und anwenden und jenen, die sie nachweisen", erklärt Wessinghage. Zu den Funktionären habe er nur noch ein "dosiertes" Vertrauen: "Ich habe keine Zweifel, dass die nationalen Verbände die Kontrollinstanzen wie NADA und WADA unterstützen. Aber ich habe größte Zweifel, ob das international so ist."

Der gebürtige Hagener lief am 27. August 1980 in Koblenz die 1500 Meter in 3:31,58 Minuten. Zwischen 1972 und 1986 hatte Wessinghage 67 internationale Einsätze für den Deutschen Leichtathletik-Verband - auch das ist Rekord. Er war 1982 Europameister über 5000 Meter, zudem viermaliger Hallen-Europameister über 1500 Meter. Eine Olympia-Medaille blieb ihm bei den Teilnahmen 1972 in München und 1976 in Montreal versagt. 1980 in Moskau gab es einen Boykott, 1984 bremste ihn ein Fußbruch.

Für den langjährigen Bundestrainer Paul Schmidt war Wessinghage als Weltklasse-Athlet "pflegeleicht und unwahrscheinlich zielstrebig." Schmidt erinnert sich natürlich an dessen zahlreiche Erfolge, aber vor allem an eines: "Wenn er zu mir ins Auto stieg und wir ins Trainingslager flogen, saß er immer hinten und hatte seine Medizinbücher dabei."

Heute hält der Orthopädie-Professor Wessinghage Vorträge, Vorlesungen und veranstaltet Laufseminare und wird auch manchmal gefragt: Wie war das den damals zu Ihrer Zeit - mit Doping? "Gewisse Dinge wie EPO gab es damals nicht. Aber Tests schon, ich habe ja die Anfangszeit der Kontrollen erlebt", sagt er. "Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Doping hat damals schon eine gewisse Rolle gespielt. Aber ich habe damals viele Wochen im Jahr mit meinen Konkurrenten verbracht, die waren genauso sauber wie ich." Natürlich wisse er von den Blutdoping-Vorwürfen an Finnlands viermaligen Olympiasieger Lasse Viren. Aber er habe bei Kontrollen oft neben Konkurrenten wie Neuseelands Lauf-Legende John Walker gesessen und sich gesagt: "Da läuft nix, der wird genauso getestet wie ich."

Seinen einstigen britischen Rivalen Sebastian Coe hat Wessinghage erst im vergangenen Jahr getroffen. Natürlich beobachtet er dessen Karriere als neuer Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF genau. Coes Vorgänger Lamine Diack, dem der Brite jahrelang als Vizepräsident diente, soll in Paris der Prozess gemacht werden. Dem Senegalesen werden Geldwäsche und Bestechlichkeit vorgeworfen.

Unter Coes Führung hat die IAAF Russland wegen des Dopingskandals von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. "Das Problem Russland ist fast nicht lösbar angesichts dieser politischen Verwicklungen und Interessenskonflikten der Verbände", sagt Wessinghage. Coe sollte man Zeit geben. "Bisher habe ich das Gefühl, dass er diese genutzt hat."

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