Doping im Sport Wenn der Fuchs über Hühner wacht

Bonn · Die Anti-Doping-Agenturen fordern klare Gewaltenteilung im Kampf um mehr Sauberkeit im Sport. In Bonn wurde diese Forderung nun bei einer Tagung ausformuliert.

 Von Resignation keine Spur: Nada-Chefin Andrea Gotzmann zeigte sich in Bonn kämpferisch.

Von Resignation keine Spur: Nada-Chefin Andrea Gotzmann zeigte sich in Bonn kämpferisch.

Foto: picture alliance / dpa

Nur völlige Unabhängigkeit macht eine wirkungsvolle Dopingbekämpfung möglich. Diese Erkenntnis ist nicht neu, doch mündet sie nun in eine in dieser Deutlichkeit neue Forderung nationaler Anti-Doping-Organisationen nach klarer Gewaltenteilung im weltweiten Bemühen um mehr Sauberkeit und Chancengleichheit im Sport.

In Bonn wurde diese Forderung ausformuliert. Kein Entscheidungsträger einer Anti-Doping-Organisation soll demnach gleichzeitig ein Amt oder eine Funktion innerhalb einer Sport- oder Sportevent-Organisation innehaben dürfen. So wollen es die Vertreter der 18 nationalen Agenturen, die auf Einladung der in der Bonner Heussallee ansässigen Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland in der Bundesstadt tagten.

„Ich bin nach wie vor erschüttert über das, was in den vergangenen beiden Jahren bekannt geworden ist“, sagte die Nada-Vorstandsvorsitzende Andrea Gotzmann am Donnerstag vor Journalisten in Bonn. Die 59-Jährige bezeichnete den Skandal um die enthüllten Dopingpraktiken in Russland als „traurigen Höhepunkt“. Die frühere Basketball-Nationalspielerin wirkte dennoch kämpferisch wie selten: „So wie bisher kann und darf es nicht weitergehen.“ Resignation sieht anders aus.

Konkret kritisierten die Chefs der in Bonn vertretenen nationalen Anti-Doping-Organisationen, darunter der durch die konsequente Verfolgung im Fall des gestürzten Radsport-Idols Lance Armstrong renommierte US-Amerikaner Travis Tygart, vor allem die vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) Anfang Oktober ausgearbeiteten Vorschläge zur Reform des weltweiten Anti-Doping-Kampfes. Damals war beschlossen worden, dass eine neue Einheit der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) das Management der Dopingkontrollen vom IOC und den Fachverbänden übernehmen solle. Gleichzeitig wurde aber der Einfluss der Olympier gesichert, weil Wada-Präsident Craig Reedie auch IOC-Mitglied ist. „Wir können nicht den Fuchs den Hühnerstall bewachen lassen“, sagte Tygart: „Entscheidungsträger müssen absolut unabhängig vom Sport sein.“

Deutlich wurde, dass die Dopingbekämpfer sich so deutlich wie nie zuvor von IOC-Präsident Thomas Bach distanzieren. In ihrer gemeinsamen Erklärung forderten die Nada-Vertreter von Bach ein „Bekenntnis zu einem vom Sport unabhängigen Anti-Doping-Kampf“. Tygart meinte mit Blick auf Reedies Doppelfunktion in Wada und IOC: „Wir sprechen nicht über Personen, sondern über Positionen.“ Und: „Wenn das Herrn Reedie einschließt, muss er seinen Platz in allen Entscheidungsebenen räumen.“

An der Effektivität des Anti-Doping-Kampfs sind angesichts der am Donnerstag von der Nada präsentierten Zahlen weiterhin Zweifel erlaubt (siehe Infobox). Auch wenn das Dopingproblem nie komplett zu lösen sein wird: Ein Konstrukt, wie jetzt in Bonn gefordert, würde dem Kampf gegen die Leistungsmanipulation eine glaubwürdigere Grundlage geben.

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