Pause für Bonner Fechter Fabio Murru Vom eigenen Wachstum ausgebremst

Bonn · Fabio Murru ist eine der großen Hoffnungen des deutschen Fechtsports. Doch aufgrund des eigenen Heranwachsens musste er eine lange Pause einlegen.

Ernüchternd, geradezu enttäuschend liest sich die Bilanz der deutschen Fechterinnen und Fechter bei den Olympischen Spielen in Rio. Null Medaillen standen nach Abschluss aller Wettkämpfe auf der Habenseite. Sorgen um die Zukunft des Traditionssport? Bestimmt – sie sollten aber im Rahmen bleiben. Das liegt auch an Nachwuchstalenten wie Fabio Murru vom Olympischen Fechtclub Bonn (OFC).

Im Spätsommer 2016 zeigt sich das Wetter noch einmal von seiner besten Seite. Fabio treibt es dennoch nicht nach draußen. Der 13-Jährige will in die Halle. Zum Fechten, seinem „zweiten Leben“, wie er sagt. Vier Mal pro Woche kommt er in die OFC-Trainingshalle im Bonner Norden. Dorthin, wo Fechtgrößen wie Benjamin Kleibrink, Peter Joppich und Imke Duplitzer geformt wurden. Hier schraubt auch Fabio an seinen Erfolgen. Zweifacher Deutscher Juniorenmeister ist der Degenfechter bereits.

Sein junges Alter wurde ihm allerdings auch schon zum Verhängnis. Im Winter 2015 schmerzt sein linkes Knie zunehmend: „Ich habe viel Sport getrieben und irgendwann tat es extrem weh“, sagt Fabio. Seine Mutter fährt mit ihm ins Krankenhaus. Die Diagnose: Morbus-Osgood-Schlatter – benannt nach den Medizinern Robert Osgood und Carl Schlatter. Keine typische Sportverletzung, sondern vielmehr dem eigenen Heranwachsen in der Pubertät geschuldet.

„Der Morbus-Osgood-Schlatter ist eine schmerzhafte Durchblutungsstörung an der knöchernen Vorderseite des Schienbeinkopfes, genau dort, wo die Patellasehne, die Verbindung von Kniescheibe zum Schienbeinkopf, ansetzt“, erklärt Doktor Christian Paul, Chefarzt der Orthopädie und Unfallchirurgie im Bonner Waldkrankenhaus. „Es sind nur Jugendliche mit noch nicht abgeschlossenem Wachstum betroffen, bevorzugt Jungen zwischen elf und 15 Jahren, wenn nicht sportlich aktiv, dann meist übergewichtig oder die Kombination von Gewicht und Sport.“ Aber auch Fehlpositionen der Kniescheibe könnten begünstigend auf die Entstehung sein.

Bevorzugt, sagt Paul, trete der Morbus-Osgood-Schlatter bei Sportarten auf, bei der häufige Start-Stop-Bewegungen durchgeführt werden. Wie beispielsweise im Fechten. Für Fabio beginnt mit der Diagnose eine wochenlange Leidenszeit. Viel mehr als sein Knie schmerzt die Tatsache, dass Schonung angesagt ist. „Ich wollte es gar nicht wahrhaben“, sagt der Schüler des Bad Godesberger Aloisiuskollegs. „Ich dachte erst: 'Es guckt ja keiner zu, dann kann ich ja weiter Sport machen'“. Als er erfährt, dass ihm ein Gips droht, um dies zu verhindern, kommt er zur Vernunft. Nur die Arme kann er in der Folge trainieren.

„Dem pubertierenden Jugendlichen wird die Leidenschaft weggenommen“, sagt Andreas Stommel, Leiter und Physiotherapeut des Bonner Zentrums für ambulante Rehabilitation. „Der Osgood-Schlatter kann aber nur dann ausheilen, wenn wirklich das Training reduziert wird.“ Das bestätigt auch Paul: „Die erste Stufe der Behandlung ist immer die körperliche Schonung.“ Wichtig sei laut Stommel vor allem eine gute Zusammenarbeit zwischen Physiotherapeut, Trainer und Eltern des jungen Athleten. „Nur wenn dieses Netzwerk zusammenarbeitet und man dem Jugendlichen gemeinsam klarmacht, dass er keine Verletzung oder Erkrankung hat, sondern ein Pro᠆blem, das mit seinem pubertierenden Alter zu tun hat, kann Verständnis beim Sportler hervorgerufen werden“, sagt der Experte.

Die Zeit, in der kein sportartspezifisches Training möglich ist, hängt laut dem Mediziner Paul in erster Linie von der Schmerzintensität ab. „In der Regel sind Schonungsphasen von drei bis sechs Wochen ausreichend.“ Aber: „Extreme Formen können bei Verschleppung der Therapie auch zu Ausfallzeiten von Monaten führen“, sagt er. „Nach der Pause war ich schmerzfrei“, sagt Fabio. Zumindest vorerst. Im Frühjahr 2016 wirft ihn ein Patellaspitzensyndrom zurück. Ebenfalls im linken Knie. Eine Folge seines Morbus-Osgood-Schlatters? Mediziner Paul schließt das aus: „Das Patellaspitzensyndrom ist eine andere Form der Überlastung, nämlich das Gegenstück zum Osgood-Schlatter“, so der Experte. „Oft treten die Beschwerden auch mal abwechselnd auf. Patellaspitzensyndrome können auch Erwachsene haben, da die Patella, die Kniescheibe, als Umlenkrolle funktioniert und die gesamte Last dort anhängig ist“ sagt er.

Fabios Genesung des Patellaspitzensyndroms verläuft gut, er geht regelmäßig zur Physiotherapie. Mit Erfolg: Anfang Juni wird er in der B-Jugend deutscher Meister. Und vielleicht irgendwann sogar Olympiateilnehmer.

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