Kommentar zur Klitschko-Niederlage Time to Say Goodbye

Meinung | London · Anthony Joshua und Wladimir Klitschko lieferten sich in Wembley einen spektakulären Fight. Mit dem besseren Ende für Joshua. Doch auch Klitschko sollte sich nicht nur als Verlierer sehen. Ein geeigneter Zeitpunkt, den Hut zu nehmen, findet GA-Redakteur Simon Bartsch.

 Wladimir Klitschko verliert nach technischem K.o in der elften Runde.

Wladimir Klitschko verliert nach technischem K.o in der elften Runde.

Foto: Axel Heimken

Schwer gezeichnet stand Wladimir Klitschko noch Minuten nach der bitteren Niederlage gegen Anthony Joshua im Ring. Über dem linken Augen ein tiefer Cut, sein Blick leer - der 41-Jährige wirkte ratlos. Der Brite hatte Klitschko die Grenzen aufgezeigt und ist nun stolzer Träger dreier WM-Gürtel. Klitschko kassierte dagegen die zweite Niederlage in Serie. Und doch geht der Ukrainer nicht als der große Verlierer aus dem Kampf hervor. Im Gegenteil: Trotz seiner fünften Ko-Niederlage hat es der 41-Jährige seinen größten Kritikern noch einmal eindrucksvoll gezeigt. "Er sei zu alt, suche sich nur Fallobst für seine Kämpfe aus, sein Boxstil sei zu eintönig", wurde ihm immer wieder unterstellt. Zu Unrecht.

Mit Joshua trat Klitschko gegen den aktuell besten Schwergewichtler im Box-Zirkus an. Und brachte diesen an den Rande einer Niederlage. Topfit und dank taktischer Raffinessen schickte Klitschko den 27-jährigen Londoner vor 90.000 Briten in Wembley in der sechsten Runde zu Boden. Zum ersten Mal in seiner Profi-Karriere wurde Joshua angezählt, taumelte Minuten lang durch den Ring. Möglicherweise hätte Klitschko den Kampf zu diesem Zeitpunkt beenden können, offenbar hat er die Situation falsch eingeschätzt. Vielleicht war der Olympiasieger von 1996 auch deswegen noch lange nach dem Kampf ungewohnt konsterniert.

Er wolle sich nun erstmal Zeit nehmen, wich er allen Fragen über seine sportliche Zukunft aus. Die soll sich der Champion gönnen und dann die Größe haben, trotz Niederlage abzutreten. 15 Jahre lang hat Klitschko den Box-Sport dominiert. Er kämpfte tatsächlich gegen Fallobst, weil es zeitweise aber auch nur dieses auf dem Markt gab. Nun muss sich auch ein Klitschko eingestehen, dass es einen Besseren gibt.

Selbst wenn der Ukrainer noch einmal die Muße hat, sich auf den vertraglich zugesicherten Rückkampf gegen Joshua vorzubereiten - er als Doktor der Sportwissenschaft sollte es besser wissen. Joshua ist 27 Jahre alt, boxt erst seit neun Jahren und ist dennoch bereits Olympiasieger und nun Weltmeister in drei Verbänden, Weltmeister mit einer absolut weißen Weste. 19 Kämpfe, 19 Siege, 19 Knockouts - dem Briten gehört die Gegenwart. Und ganz sicher auch die Zukunft. Er wird sich körperlich und taktisch weiterentwickeln, seine Lehren aus dem Klitschko-Kampf ziehen, um dann vermutlich noch stärker zurück in den Ring zu steigen.

Für Klitschko könnte der Rückkampf in einem Desaster enden. Dann lieber mit dem Gefühl abtreten, es seinen größten Kritikern im letzten Kampf gezeigt zu haben und sich eingestehen, dass die Zeit für den Abschied nun gekommen ist. Das hat Größe, die Größe eines wahren Champions.

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