National Hockey League Nummer Eins auf den zweiten Blick

New York · Die Nummer Eins drückt es eindeutig aus. Nichts kommt vor ihr und alles steht hinter ihr. Thomas Greiss trägt sie seit dieser Saison bei den New York Islanders aus der National Hockey League (NHL).

 Der Torwart der New York Islanders: Thomas Greiss.

Der Torwart der New York Islanders: Thomas Greiss.

Foto: dpa

Selten aber schien eine Nummer deplatzierter auf dem Rücken eines Torwarts, denn dem gebürtigen Füssener haftet in der besten Eishockey-Liga der Welt wie kaum einem anderen der zweifelhafte Ruf des klassisches Back-ups an – der namenlosen Nummer zwei. Manchmal aber ist das Glück doch mit den Tüchtigen und die Sache mit der Nummer Eins erschließt sich auf den zweiten Blick.

Der zweite Blick hat sich für Thomas Greiss ergeben, weil sein Glück das Pech eines anderen war. New York ist für den geborenen Füssener nach Sane Jose, Phoenix und Pittsburgh seit 2006 die vierte Station in der NHL. Nichts deutete vor der Saison und seiner Unterschrift unter einen Zweijahreskontrakt darauf hin, dass sich an seinem Status etwas ändern sollte. „Ich bin hinter Jaroslav Halak die klare Nummer Zwei, aber hier hat mir das Gesamtpaket am besten gefallen. Ich bekomme meine Einsätze, um ihn zu entlasten“, erklärte Greiss seine Entscheidung.

Wie so oft kommt es anders, als gedacht. Weil den Slowaken Halak Verletzungen plagten, absolvierte Greiss die Hälfte der 82 Hauptrundenspiele. Der Deutsche war es auch, der das erste Spiel im neuen Barclays Center in Brooklyn machen durfte, den ersten Sieg dort einfuhr und so für einen unvergessenen Moment sorgte. In seinen 41 Partien fing Greiss 1107 von 1197 Schüsse, was einer Quote von 92,5 Prozent entspricht. Nicht schlecht für einen mit einer Million Dollar Jahressalär noch unterbezahlten Ersatzmann.

So erarbeitet sich ein Torwart das Vertrauen seiner Mitspieler: „Er gibt uns in jedem Spiel die Chance, das Eis als Sieger zu verlassen“, lobt Islanders–Kapitän John Tavares den Goalie. „Thommie ist unglaublich – jedes Mal, wenn er spielt, ist er so ruhig und hilft uns. Es färbt auf uns ab. Er gibt uns Sicherheit“, sagt Verteidiger Johnny Boychuk. Auch Coach Jack Capuano weiß, was er an Greiss hat: „Er hat das Vertrauen, was wir in ihn gesetzt haben, mehr als verdient. Er ist aus unserem Team nicht weg zu denken!“

So half der Bayer, der im Alter von 16 Jahren nach Köln ging und bei den Haien seinen Durchbruch schaffte, den Islanders in die Playoffs. Im zarten Alter von 30 Jahren bestritt Greiss in der Serie gegen die Florida Panthers mit der tschechischen Eishockey-Legende Jaromir Jagr dann tatsächlich sein erstes Playoff-Spiel in der NHL, weil Halak die Leiste zwickte. Der Traum, der 2006 mit dem Wechsel von Köln nach Kalifornien begonnen hatte, war wahr geworden.

„Greisser, Greisser“ hallte dann es am vergangenen Montag durch das Barclays Center, als die Islanders mit 2:1 nach zweimaliger Verlängerung der vierte und entscheidende Sieg gegen Florida gelang. „Thomas hat uns in der Serie gehalten, bis wir unser Spiel gefunden haben“, meinte Tavares. Wahrscheinlich erinnerte sich der Kapitän dabei auch an Spiel fünf in Florida. 1:1 stand es da nach 60 Minuten. In der achten Minuten der Verlängerung gab es einen Penalty für die Panthers. Aleksander Barkov lief an, aber Greiss wehrte den Rückhandversuch des gebürtigen Finnen glänzend – eine von 47 Paraden. Im sechsten Spiel hielt der Deutsche 41 von 42 Schüssen, ehe John Tavares in der zweiten Verlängerung nach 91 Minuten für die Entscheidung sorgte.

„Es ist großartig. Du bekommst nicht oft diese Gelegenheiten. Wenn du dann die Chance hast, musst du sie beim Schopfe packen“, kommentierte Greiss, dass er die Islanders zum ersten Playoff-Sieg nach 23 Jahren führte. Jetzt kennt jeder in der NHL seinen Namen. „Sie nennen ihn drüben schon die deutsche Wand, die deutsche Mauer. Es ist wirklich unglaublich, was er fängt“, sagt Franz Reindl. Der Präsident des Deutschen Eishockey Bundes schaut sich, wann immer es geht, die Höhepunkte der NHL-Spiele an, in denen Greiss oft die Hauptrolle spielt. Und die Reise des so ruhigen Goalies ist noch nicht zu Ende. Im ersten Viertelfinalspiel bei Vorjahresfinalist Tampa Bay siegte New York mit 5:3 – dank seiner überragenden Nummer Eins Greiss.

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