Szenekenner Jos Hermens über Doping "Heute sind die Deutschen alle sauber"

MOSKAU · Am Freitagnachmittag im Foyer des Moskauer Golden Ring Hotels, wo ein roter Teppich ausgerollt ist: Über ihn flanieren vor und während der Leichtathletik-WM die deutschen Athleten. Sabrina Mockenhaupt strahlt mit der durchs Fenster einfallenden Sonne um die Wette.

 Interessenvertreter der Athleten: Jos Hermens erklärt, er glaube an saubere Athleten.

Interessenvertreter der Athleten: Jos Hermens erklärt, er glaube an saubere Athleten.

Foto: dpa

"Gut geht es mir, ich freue mich richtig auf mein Rennen", sagt das Laufsternchen von der LG Sieg, das jahrelang für Köln startete, mit Blick auf das 10.000-m-Finale der Frauen (Sonntag, 19.05 Uhr). Björn Ottos Trainer Michael Kühnke lässt im Vorübergehen wissen: "Ihm geht es gut. Alles fit."

Längst nicht alles ist eitel Sonnenschein in der olympischen Kernsportart, die angesichts zahlreicher Dopingaffären darum kämpft, nicht nur noch als bloßer Zirkus wahrgenommen zu werden. Vor allem in Deutschland. Auch Jos Hermens steht auf dem roten Teppich. Der 63 Jahre alte Holländer zählt zu den Szenekennern.

Selbst einst Weltrekordler im Stundenlauf, erfolgreicher Leichtathletik-Manager seit Jahrzehnten, unter anderem für Äthiopiens Weltstar Haile Gebrselassie. Hermens hat ein anderes Treffen im Hotel. Wo Athleten sind, ist auch Hermens. Kein Wunder: Mehr als 100 WM-Starter aus aller Welt lassen sich von ihm und seiner Agentur Global Sports Communication betreuen. Er ist Marktführer.

Hermens polarisiert. Kontakte zum spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes soll er haben. Hermens hat auch dopingverdächtige Athleten gemanagt. "Ich habe nicht die Kontrolle, was der Einzelne macht", sagt der Holländer. Eine Vielzahl der von ihm betreuten Athleten schlägt regelmäßig im niederländischen Nijmwegen ihr Europa-Domizil auf.

Sie wollen beraten werden, auch in Fragen zum Thema Ernährung und Doping. "Ja, es gibt eine Liste mit sicheren Nahrungsergänzungsmitteln", räumt Hermens ein. Als eine Art Vorsichtsmaßnahme, erklärt er, weil Nahrungsergänzungsmittel ja nicht per se verboten sind. Viele Mineral- und Vitaminpräparate weisen allerdings nicht deklarierte Bestandteile auf, die zu den verbotenen Substanzen zählen.

Wer nicht aufpasst, tappt unversehens in die Dopingfalle. Das bereitet Prof. Wilhelm Schänzer und seinen Mitarbeitern am Biochemischen Institut in Köln schon lange Sorgen. Deshalb gibt es seit einigen Jahren die so genannte "Kölner Liste", die für Athleten unbedenkliche Nahrungsergänzungsmittel nennt - genauestens bezeichnet nach Produktions-Chargen, die vom Kölner Institut analysiert worden sind, für jeden abrufbar im Internet.

"Viele Athleten lassen inzwischen ganz die Finger davon", sagt Hermens, der diesen Verhaltens- auch als Bewusstseinswandel interpretiert. Ein solcher hatte den suspendierten US-Sprintstar Tyson Gay offenbar noch nicht erfasst. Der Sprint sei so etwas wie der Radsport innerhalb der Leichtathletik. Aber die großen Dopingnetzwerke gehörten der Vergangenheit an, meint der Manager. "Es gibt keine Labore wie Balco mehr", so Hermens in Anspielung auf die ehemalige kalifornische Giftküche, die unter anderem den gestürzten Superstar Marion Jones versorgte.

Während es der Leichtathletik dieser Tage kommunikativ nicht gelingt, die Dopingwolken zu vertreiben, sind ihre Sportler im Kopf möglicherweise schon einen Schritt weiter, als die Öffentlichkeit glaubt. "95 Prozent der 2000 Athleten, die hier an den Start gehen, sind sauber.

Dafür lege ich die Hand ins Feuer", versichert Hermens. Und: "Die Deutschen sind heutzutage alle sauber, das war ja bekanntlich nicht immer so." Er meint es ernst, auch den ersten Teil des Satzes - und sollte es wissen. Nicht nur für seine eigene aktive Zeit, denn um die Jahrtausendwende vertrat er unter anderem die dopingbelastete deutsche 400-m-Läuferin Grit Breuer.

Das böse D-Wort dominierte auch die offizielle Eröffnungs-Medienrunde des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV). 50 Meter weiter über den roten Teppich, quer durch das Foyer des Golden Ring Hotels, glaubt auch DLV-Präsident Clemens Prokop Anzeichen eines Wandels erkannt zu haben.

"Die Dopingfälle sind ein positives Zeichen. Qualität und Quantität der Kontrollen haben sich verbessert", sagt er: "Das spricht für die Glaubwürdigkeit unserer Sportart." Die neue Athletengeneration habe "erhöhtes Vertrauen" verdient: "Das gilt insbesondere für die deutsche Mannschaft." Deren Vertreter mussten binnen eines Jahres 1461 Trainingskontrollen über sich ergehen lassen, hinzu kamen für unter den Top 20 der Welt platzierte Athleten etwa 100 zusätzliche Kontrollen durch den Weltverband.

Die deutschen Sportler in einer neuen Vorreiterrolle? Wäre schön. Denn unbestritten ist, was Prokop ohne Differenzierung in Ost und West auch erwähnte: "Wir haben in Deutschland allen Grund für eine besondere Sensibilität. Mir ist nicht bekannt, dass Doping andernorts so perfektioniert worden wäre wie damals bei uns."

Die Athleten wirken derweil relaxt - und glaubwürdig: "Leute, die nichts mit Sport zu tun haben, urteilen sowieso pauschal: die sind alle voll", sagte der Leverkusener Zehnkämpfer Michael Schrader: "Meine Freunde und meine Familie glauben, dass ich sauber bin."

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