Basketball-Bundesliga Hagen rutscht in die Insolvenz

BONN · Der nächste Gegner der Telekom Baskets befindet sich in erheblicher finanzieller Schieflage. Der Traditionsverein will aber am Sonntag in Bonn antreten und die Saison zu Ende bringen

Im vergangenen März spielte Topscorer David Bell mit Hagen zuletzt in Bonn. Das Spiel am Sonntag könnte für geraume Zeit das letzte NRW-Derby im deutschen Basketball sein.

Im vergangenen März spielte Topscorer David Bell mit Hagen zuletzt in Bonn. Das Spiel am Sonntag könnte für geraume Zeit das letzte NRW-Derby im deutschen Basketball sein.

Foto: Jörn Wolter

Einen kuriosen Eintrag wird es wohl bald in der Tabelle der Basketball-Bundesliga (BBL) geben. Dann wird der derzeitige Tabellenletzte Phoenix Hagen, der bisher noch kein Spiel gewinnen konnte, also null Punkte aufweist, sogar mit vier Punkten ins Minus rutschen. Wie das möglich ist? Die Hagener haben der BBL mitgeteilt, dass sie heute beim Amtsgericht in Hagen einen Insolvenzantrag stellen werden.

„Sobald der schriftliche Nachweis des Insolvenzantrags vorliegt, werden dem Club gemäß Paragraf 17 der BBL-Spielordnung in der Tabelle automatisch vier positive Wertungspunkte abgezogen. Sollte Phoenix Hagen zu diesem Zeitpunkt über weniger als vier positive Wertungspunkte verfügen, ist ein Negativvortrag möglich“, teilte die BBL mit.

Aus Bonner Sicht ist diese dramatische Entwicklung bei dem Traditionsverein aus dem südöstlichen Ruhrgebiet besonders interessant, da die Hagener am Sonntag (18 Uhr, Telekom Dome) bei den Telekom Baskets Bonn gastieren. Sorgen, dass es möglicherweise zu einer Absage des Spiels kommt, machte sich Baskets-Präsident Wolfgang Wiedlich gestern nicht. „Hagen wird die Saison nach meinen Informationen geordnet zu Ende spielen“, sagte Wiedlich.

Damit liegt er wohl richtig. „Unsere Zielsetzung ist, die Saison zu Ende zu spielen“, erklärte der neue Geschäftsführer Patrick Seidel gegenüber der „Westfalenpost“. Deshalb hat der Verein eine Planinsolvenz beantragt, um damit das Heft des Handelns in der eigenen Hand zu behalten. Der vom Gericht bestellte Insolvenzverwalter wird nur beratend auftreten. Die alte Geschäftsführung bleibt bei der Planinsolvenz im Amt.

Klar ist aber, dass Hagen massiv Kosten wird einsparen müssen, und das wird nur mit Abstrichen am Spielerkader möglich sein. Von einer sportlichen Rettung ist in Hagen deshalb auch keine Rede mehr. Es geht nur noch darum, die restlichen 29 BBL-Spieltage so gut es geht abzuwickeln und geordnet in die zweite Liga abzusteigen.

„Die Planungen sind ganz klar auf die Pro A ausgerichtet. Wer sagt, wir bleiben in der Liga, macht sich etwas vor“, sagte Seidel der „Wesfalenpost“. Hagen will es den Gießen 46ers nachmachen, die vor dreieinhalb Jahren mitten in der Saison Insolvenz beantragt hatten und nach dem Verlust von Punkten und einiger Leistungsträger abstiegen waren, um sich dann aus der Pro A wieder hochzuarbeiten.

Ein vorzeitiger Rückzug Hagens aus der Bundesliga hätte dagegen gravierende Folgen. Der Traditionsstandort, der schon bei der Gründung der Bundesliga dabei war und wo Brandt Hagen einmal deutscher Meister und zweimal Pokalsieger wurde, würde fürs Erste in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Sollte die nächste Saison ohne Hagen stattfinden, „wäre das sehr, sehr schade“, so Baskets-Präsident Wiedlich: „Man muss sich das einmal vorstellen: Im bevölkerungsreichsten Bundesland gäbe es dann nur noch Bonn auf der Bundesliga-Landkarte. Leverkusen, Düsseldorf und Köln sind ja schon weg. Das rheinische Derby ist längst ausgestorben, und das letzte NRW-Derby in Bonn findet dann am Sonntag statt.“ Eine andere Frage ist für Wiedlich, „was da so kurz nach Saisonbeginn schiefgelaufen ist, aber das ist nun Aufgabe der BBL, das herauszufinden“.

In einer Mitteilung der BBL zeigte sich Geschäftsführer Stefan Holz über das Vorgehen und das Handeln der Phoenix-Verantwortlichen irritiert: „Die Zahlen, die uns im Oktober fristgerecht vorgelegt wurden, haben sich im Vergleich zu denen aus dem Juli erheblich negativ verändert. Wie es dazu kommen konnte, werden wir nun mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter aufarbeiten.“ Dass nach der vergangenen Saison, in der der Club gegen Mitteilungspflichten verstoßen und im Zuge dessen einen Sanierungsplan vorgelegt hatte, in der Kürze der Zeit erneut ein großes Delta entstanden ist, sei, so Stefan Holz, „nicht nachvollziehbar und nicht mit dem Fair-Play-Gedanken vereinbar“.

In der BBL-Mitteilung heißt es weiter, dass sich zunächst der Gutachterausschuss und dann der Lizenzligaausschuss zeitnah mit den neuen Planzahlen auseinandersetzen und diese dann bewerten werde. Erst wenn genau geklärt ist, wie es zu der Situation kommen konnte, wird entschieden, ob Phoenix Hagen weitreichendere Konsequenzen der Liga befürchten muss. Dies könne, teilte BBL-Sprecher Dirk Kaiser mit, im gravierendsten Fall auch ein Lizenzentzug sein.

Als Gründe der finanziellen Misere gibt Phoenix-Geschäftsführer Seidel in der „Westfalenpost“ einen Rückgang bei den Zuschauerzahlen und „rückläufige Sponsoreneinnahmen“ an – das vor dem Hintergrund eines ohnehin sehr engen Etats. Phoenix soll zuletzt massiv Altschulden abgebaut haben, war schon in der vergangenen Saison wegen Verstößen mit Punktabzug und einer Geldbuße bestraft worden, hatte die Lizenz für die laufende Saison nur unter strengen Auflagen erhalten und war gegenüber der BBL zur größtmöglichen Transparenz verpflichtet worden.

Am Zuschauerrückgang – es kamen im Schnitt 600 Fans weniger zu den Heimspielen – ist neben der sportlichen Misere offenbar auch eine deutliche Erhöhung der Ticketpreise schuld. Das daraus resultierende Minus, es sollen rund 50.000 Euro sein, erklärt die Schieflage allerdings nur zu einem geringen Teil.

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