Pferdesport Frauen haben bei nationalen Titelkämpfen zwei Versuche

Balve · Ob Olympische Spiele, WM, EM oder Weltcup - überall kämpfen Reiter und Reiterinnen in einem Wettbewerb gegeneinander. Nur bei den nationalen Titelkämpfen gibt es ein Kuriosum.

 Otto Becker, der Cheftrainer der deutschen Springreiter.

Otto Becker, der Cheftrainer der deutschen Springreiter.

Foto: Friso Gentsch

Von Gleichberechtigung kann keine Rede sein. Bei den deutschen Meisterschaften in Balve sind die Frauen an diesem Wochenende wieder klar im Vorteil.

Die Springreiterinnen dürfen bei den Titelkämpfen im Sauerland gleich zweimal versuchen, einen Titel zu gewinnen. Die Männer haben hingegen nur eine Möglichkeit. "Ich finde das super", sagt Meredith Michaels-Beerbaum und lacht vergnügt.

Ausgerechnet in der einzigen Olympia-Sportart, in der Männer und Frauen gegeneinander antreten, gibt es einmal im Jahr eine Ausnahme. Die Springreiterinnen haben ihren eigenen Wettbewerb, dürfen aber auch in der Männerkonkurrenz starten. "Als ich nach Deutschland gekommen bin, fand ich das Reglement auch komisch", sagt die in Los Angeles geborene Michaels-Beerbaum: "In den USA gibt es so etwas nicht."

1999 und 2001 wurde die Reiterin deutsche Meisterin. Vor zehn Jahren gewann Michaels-Beerbaum in Balve ihren ersten von zwei Titeln bei den Männern. Die 48-Jährige findet dieses Kuriosum des Sports inzwischen "nicht schlecht", aber immer noch erstaunlich. An diesem Wochenende reitet die ehemalige Nummer eins der Weltrangliste mit Calle bei den Männern. Ebenfalls gemeldet sind zwei weitere Frauen: Katharina Offel und Jörne Sprehe.

"Es ist eine gute Chance für Frauen, die noch nicht so stark sind", sagt Michaels-Beerbaum über die Damen-Konkurrenz. Wegen einer Verletzung eines anderen Pferdes verzichtet sie in diesem Jahr auf einen Doppel-Start.

Auch Bundestrainer Otto Becker bezeichnet sich selbst als "Verfechter" der für Außenstehende merkwürdig wirkenden Meisterschaft. "Das ist für viele Reiterinnen Motivation und ein wichtiges Ziel im Jahr", sagt Becker: "Das hat sich bewährt." Ein Beispiel ist Simone Blum, die 2016 mit Alice bei den Frauen gewann - und vor einem Jahr bei den Männern.

"Für meine Karriere war es ein absolutes Sprungbrett", sagt die Reiterin aus dem bayerischen Zolling. Inzwischen gilt Blum als heiße Kandidatin für die WM im September in den USA. Wegen einer Verletzung ihrer zum Weltklassepferd gereiften Stute Alice reitet sie in diesem Jahr in Balve nur bei den Frauen mit Con Touch.

Eine Änderung der antiquiert anmutenden Regelung "steht nicht zur Diskussion", sagt der Bundestrainer. 2001 war das noch anders. Die getrennte Meisterschaft sollte abgeschafft werden. Aber es gab einen Aufstand der Amazonen. Der Vorstoß des Springausschusses, die seit der DM-Premiere 1959 getrennten Wertungen aufzuheben, war nach starken Protesten der Reiterinnen gescheitert. "Der Sturm der Entrüstung war zu groß", sagte damals der Ausschuss-Vorsitzende Henrik Snoek.

Das Privileg der Frauen, das es selbst bei den nationalen Titelkämpfen im Jugend- und Juniorenbereich nicht gibt, gilt daher immer noch. Die Dressur ist hingegen total emanzipiert. Seit 2009 gibt es eine gemeinsame Wertung.

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