Nationalspieler Martin Strobel Der stille Chef der deutschen Handballer

Berlin · Handball-Nationalspieler Martin Strobel macht bei der Heim-WM das, was er kann – und plötzlich noch viel mehr: Er macht sogar Tore. Dabei war er eigentlich schon zurückgetreten.

Ein Zweitligaspieler bei einer WM – das ist in etwa so, wie mit einem DTM-Auto in der Formel 1 zu fahren. Aber Martin Strobel hat spätestens gegen Frankreich gezeigt, dass er jede Menge PS unter der Haube hat.

Strobel dirigierte gegen den Weltmeister, variierte und initiierte. Er entwickelte sogar Torgefahr, was keineswegs sein Kerngeschäft ist. Viermal ging der Regisseur mit einer Entschlossenheit in die französischen Abwehrlücken, die man selten bei ihm sieht. Vier Treffer in vier Versuchen – das ist eine ganze Menge bei einem Mann, der bis dahin in 143 Länderspielen 163 Tore erzielt hatte, also 1,14 im Schnitt.

Strobel ist der Chef im Team. Nicht im klassischen Sinne als Wortführer, aber als Mann in der Rückraummitte bestimmt er zwangläufig, wo’s langgeht. Der Mittelmann sagt die Spielzüge an, bestimmt das Tempo und den Rhythmus. Das macht Strobel zunehmend besser, aber für die lauten Töne sind andere zuständig. „Stimmt“, sagt der Mann vom HBW Balingen-Weilstetten, „ich bin nicht der Lauteste, aber ich äußere meine Meinung, und die hat in der Regel Hand und Fuß.“

Der 32-Jährige war längst, nämlich Ende 2016, aus der Nationalmannschaft zurückgetreten, als ihn im Herbst 2018 ein Anruf von Bundestrainer Christian Prokop erreichte. Prokop begann ganz unverbindlich mit der Frage, wie’s denn so gehe, und kam erst später zum Kern. „Er hat gefragt, ob ich mir die Nationalmannschaft noch zutraue“, erzählt Strobel. „Bei einer Heim-WM musste ich danach nicht lange überlegen. Aber gerechnet hatte ich nicht mehr damit.“ Zumal gerade Michael Kraus, der Weltmeister von 2007, für sich warb, dessen Vorstoß später ein Handbruch ausbremste.

Strobel ist leise, aber keineswegs ohne Selbstbewusstsein. „Ich kann dem Spiel Struktur und Ruhe geben, ich kann das Spiel im Fluss halten“, sagt er über sich selbst. Er wusste nach Prokops Anruf jedoch auch sofort, dass er Nachholbedarf hatte. „Natürlich ist da weniger Robustheit und Schnelligkeit in der 2. Liga. Da musste ich während der Lehrgangstage aufholen.“

Mit Erfolg. Die Leistung gegen Frankreich charakterisierte DHB-Vize Bob Hanning nun mit einem Wort: „Großartig.“ Bei der EM in Kroatien vor einem Jahr war die Rückraummitte noch eine große Baustelle gewesen. Strobel besetzt die Position jetzt konstant und verlässlich mit wenigen Pausen, die ihm mal Steffen Fäth, mal Fabian Wiede ermöglichen. „Das ist die größte Neuheit in unserem Spiel gegenüber Kroatien“, sagt Hanning. „Dort hatten wir keine Struktur auf Rückraummitte. Wir haben also einen klassischen Spielmacher gesucht – und gefunden.“

Finden musste Strobel eigentlich niemand mehr. Er war ja immer da, meist sogar am selben Ort. Seit 2005 spielt er professionell Handball, fünf Jahre beim TBV Lemgo, ansonsten in Balingen. Selbst als die Schwaben 2017 in die 2. Liga abstiegen, hielt er dem Verein die Treue. „Das war zuerst bitter“, erinnert er sich. „Dann aber habe ich mir gesagt: Es wäre schön, wenn wir gemeinsam wieder nach oben kommen.“ Aktuell sieht es gut aus, denn Balingen führt die Tabelle an.

Am 10. Februar wird der Rückraumspieler mit seinem Club beim HSV Hamburg antreten. Ob als Medaillengewinner oder gar Weltmeister, mag er nicht sagen. Nur so viel: „Wenn wir als Mannschaft zusammenstehen, können wir weit kommen.“ Es sind die leisen Töne, die Martin Strobel charakterisieren.

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