Tischtennis-WM in Düsseldorf Das Wunder bei der Tischtennis-WM bleibt aus

DÜSSELDORF · Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll und das deutsche Tischtennis-Team haben bei der Heim-WM in Düsseldorf mitreißende Spiele geliefert. Doch ihr Medaillentraum blieb unerfüllt.

 Volle Konzentration beim Aufschlag: Deutschlands Spitzenspieler Dimi-trij Ovtcharov in der Partie gegen Koki Niwa.

Volle Konzentration beim Aufschlag: Deutschlands Spitzenspieler Dimi-trij Ovtcharov in der Partie gegen Koki Niwa.

Foto: AFP

Düsseldorf schien ein guter Platz für ein Wunder zu sein. Wenn sich im Sport krasse Außenseiter durchsetzen oder sich bereits entschieden scheinende Partien noch wenden, bemühen Zuschauer gerne diesen Begriff. Das Wunder von Bern für den Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM 1954 ist legendär. Am Rhein traten Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll und Co. nun an, um bei den Tischtennis-Weltmeisterschaften Außergewöhnliches zu erreichen.

„Es war mein großes Ziel, ins Viertelfinale zu kommen und 120 Prozent abzuliefern gegen irgendeinen Chinesen und hier mit den Zuschauern im Rücken vielleicht das Wunder möglich zu machen“, sagte Ovtcharov. Ihm war die Enttäuschung darüber anzusehen, dass er das in der Stadt, in der er lebt, nicht geschafft hat. Trotz sehr guter Leistung scheiterte er vor 8000 Zuschauern in Messehalle sechs im Achtelfinale am Japaner Koki Niwa knapp mit 3:4 Sätzen (13:11, 9:11, 13:11, 10:12, 5:11, 11:9, 9:11). Vor allem im vierten Satz ließ er bei einer 8:6-Führung eine gute Chance zum Punkten aus.

Der 28-jährige „Dima“ Ovtcharov ist immerhin die Nummer fünf der Weltrangliste, bei den Olympischen Spielen in London 2012 gewann er Bronze. Trotzdem bemüht er die Vokabel vom Wunder – das zeigt, wie weit entrückt von den anderen Spielern eine Nation ist. Bei den vergangenen zehn Weltmeisterschaften gewann das Reich der Mitte 73 von 80 möglichen Goldmedaillen in Einzel, Doppel und Mixed bei Damen und Herren. Die vier Erstplatzierten der Männer-Weltrangliste sind allesamt Chinesen. Um sie zu schlagen, muss alles passen.

Für Ovtcharov tat es das nicht – und so setzte sich für ihn die Reihe der Enttäuschungen bei Welttitelkämpfen fort. In Suzhou 2015 scheiterte er in Runde zwei, in Paris 2013 ebenfalls im Achtelfinale. „Ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich zuletzt gegen einen Spieler gespielt habe, der so viel riskiert und so viel getroffen hat“, sagte der akribische Arbeiter Ovtcharov über Niwa, die Nummer elf der Welt. „Am Ende war es ein Spiel auf Augenhöhe und ich kann mir nichts vorwerfen.“

Das galt auch für Boll. Der Rekordeuropameister setzte die Reihe seiner exzellenten Auftritte bei Weltmeisterschaften fort: Bei den vergangenen drei Wettbewerben erreichte er jeweils das Viertelfinale, 2011 in Rotterdam gewann er Bronze. Auch diesmal scheiterte er als bester Deutscher erst im Viertelfinale am Chinesen Ma Long – Weltranglistenerster und Olympiasieger – mit 2:4 (5:11, 11:8, 4:11, 11:5, 4:11, 9:11). Später sollte der auch das Finale gegen seinen Landsmann Fan Zhendong gewinnen und seinen Titel verteidigen.

„Ich bin schon enttäuscht“, sagte der 36-Jährige. „Nicht über die Leistung, sondern über das Ergebnis.“ Im sechsten Satz vergab der Weltranglistenachte in einer mitreißenden und taktisch geprägten Partie eine 8:4-Führung und verpasste es, Ma Long in den Entscheidungssatz zu zwingen. „Den siebten Satz hätte, glaube ich, jeder gerne gesehen“, fand auch Bundestrainer Jörg Roßkopf. „Man hat schon gemerkt, dass Ma Long ein bisschen nervös geworden ist.“ So aber blieb auch Boll trotz seiner begeisternden Auftritte – nicht nur gegen Ma Long, sondern auch in der Runde zuvor gegen den Portugiesen Marcos Freitas – letztlich nur Blech. Trotzdem: „Das gibt mir wieder Mut“, sagte der Hesse. Er traue sich noch ein paar Jahre auf hohem spielerischen Niveau zu.

Auch Ovtcharov dachte schon weiter. „Ich hatte schon viele harte Niederlagen in meinem Leben, aber sie machen einen stärker. Dafür gibt es auch sehr viele schöne Momente.“ Es kämen noch viele weitere Chancen. „Ich werde nicht aufgeben und es wieder probieren.“ Die nächste WM ist in zwei Jahren in Budapest.

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