American Football "Börrindschör" - schweigsamer Schwabe vor NFL-Karriere

Chicago · Aus Deutschland direkt in die National Football League NFL - das hat noch keiner geschafft. Moritz Böhringer könnte dies nun gelingen. Der 22 Jahre alte Wide Receiver von den Schwäbisch Hall Unicorns hat gute Chancen, von einem NFL-Club verpflichtet zu werden.

 Der Schwabe Moritz Böhringer hat gute Chancen, von einem NFL-Club verpflichtet zu werden.

Der Schwabe Moritz Böhringer hat gute Chancen, von einem NFL-Club verpflichtet zu werden.

Foto: Manfred Löffler

Moritz Böhringers American-Football-Karriere als steilen Aufstieg zu beschreiben, ist fast noch untertrieben. Was erst vor fünf Jahren in der Jugend der Crailsheim Titans begann, könnte für ihn nun in einem der 32 Clubs der National Football League NFL enden.

Beim Draft in Chicago, der Auswahl der besten Nachwuchsspieler, gilt Böhringer als jemand mit reellen Chancen auf eine Verpflichtung. Der 22 Jahre alte Wide Receiver wäre der erste Deutsche, der es aus der German Football League GFL in die Beletage schaffen würde. Und er wäre zugleich der erste Profi aus Germany, der auf einer so genannten Skill Position im Angriff zum Einsatz käme. Die derzeitigen fünf deutschen NFL-Akteure sind Blocker oder Verteidiger.

Vergangene Saison spielte Böhringer noch für die Schwäbisch Hall Unicorns. Ginge es nach ihm, trägt er ab September das Trikot der Minnesota Vikings durch die NFL-Arenen. Der Star des Teams heißt Adrian Peterson. Und der Runningback war derjenige, der Böhringer zum American Football brachte. "Als ich erstmals Football geguckt habe, war es ein Highlight-Video auf Youtube. Wie er mit dem Ball rennt und die Geschwindigkeit faszinieren mich", sagt Böhringer.

Ein Highlight-Video war es letztlich auch, dass ihn in die NFL-Spur brachte. Ein Bekannter hatte Spielausschnitte zusammengestellt und sie auf Youtube hochgeladen. In London sah Aden Durde das Video. Er spielte einst Linebacker bei den Hamburg Sea Devils in der NFL Europe und arbeitet nun daran, mehr Europäer in die USA zu bringen.

Durde kontaktierte Böhringer zu Jahresbeginn via Facebook, fragte an, ob der Lust hätte, bei einem Trainingslager in Florida mitzumachen. "Ich hab's zuerst ignoriert und gar nicht Ernst genommen, gedacht, der will mich verarschen", erinnert sich Böhringer. Als er schließlich am 29. Februar in den Flieger Richtung Florida stieg, versprach er seinen Eltern, zwei Wochen später wieder daheim zu sein.

Aus den zwei Wochen sind mittlerweile zwei Monate geworden. Böhringer schwitzte und schuftete im Trainingslager und überzeugte beim so genannten Pro Day im März zahlreiche NFL-Scouts. Bei diesem Talente-Test geht es um Athletik, Schnelligkeit, Football-Verständnis. "Morritz Börrindschör", dieses völlig unbekannte 1,95 Meter große und 100 Kilogramm schwere Muskelpaket, bestach mit allem. Er hat ein ruhiges Naturell, doch sobald der Maschinenbaustudent aus Aalen auf dem Football-Feld steht, ist er kaum zu stoppen.

Der schweigsame Schwabe sprach in den vergangenen Wochen nicht nur mit zahlreichen NFL-Clubs, sondern bekam auch ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit in der US-Presse. Die Zeit vor der Draft ist jene, in der ständig und ausführlich über die Top-Talente berichtet wird. Einige von ihnen sind Spieler, die schon an der High School gezielt auf den Weg in die NFL vorbereitet werden und später am College bereits Star-Status haben.

Auf Böhringer trifft nichts dergleichen zu. Er spielte tausende Kilometer entfernt in einer Liga, deren Niveau in Amerika mitunter belächelt wird. Dennoch erschienen über ihn umfangreiche Artikel auf NFL.com oder sogar in der "Sports Illustrated". Im renommierten Wochen-Magazin wurde er als "mysteriöser Deutscher" betitelt, der "am Beginn von etwas Großem stehen könnte".

Doch wie weit kann es jemand in der NFL tatsächlich bringen, der es nicht gewohnt ist, komplizierte Pass-Wege zu laufen oder sich gegen eine aggressive Pass-Verteidigung zu behaupten? Experten trauen Böhringer zu, zwischen der vierten und siebten Runde gedraftet zu werden. Es wäre die Krönung seiner Blitz-Karriere. Vom Football-Neuling in die NFL - in gerade einmal fünf Jahren.

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