Überzeugend und stark: Leichtathleten auf WM-Kurs

Ulm · Robert Harting, Betty Heidler, David Storl: Fünf Wochen vor Beginn der WM in Moskau lebt die deutsche Leichtathletik in erster Linie von ihren starken Werfern.

Die Seriensieger mit Diskus oder Kugel waren bei den deutschen Meisterschaften in Ulm die einzigen, die auch im internationalen Maßstab überzeugten. Trotzdem sagte DLV-Cheftrainer Idriss Gonschinska: "Das war eine gute Standortbestimmung auf dem Weg zur WM."

Immerhin durfte sich der Coach auch über einige beachtliche Weiterentwicklungen in anderen Bereich freuen. Julian Reus wurde zum Sprintkönig dieser Meisterschaften, weil er über 100 Meter in 10,14 Sekunden die schnellste Zeit der DM-Geschichte lief und am folgenden Tag auch über 200 Meter mit der persönlichen Bestzeit von 20,36 Sekunden als insgesamt 44. Athlet die WM-Norm erfüllte.

Weitspringer Alyn Camara besiegte in einem herausragenden Wettkampf den amtierenden (Sebastian Bayer) und den ehemaligen Europameister (Christian Reif). Schließlich wurde der Olympia-Zweite Björn Otto mit 35 Jahren noch zum ersten Mal deutscher Freiluft-Meister im Stabhochsprung.

"Die Nationalmannschaft ist auf einem guten Weg. Die Neuformierung unseres Teams hat erfolgreich begonnen", sagte Thomas Kurschilgen, Sportdirektor des Deutschen Leichtathletik-Verbandes.

Die aussichtsreichsten Titelkandidaten für Moskau bleiben die Werfer. Diskus-Olympiasieger Robert Harting siegte zunächst beim Diamond-League-Meeting in Paris, ehe er nur 20 Stunden später auch seinen siebten nationalen Titel gewann. "Ich bin müde, aber habe gesiegt. Deutscher Meister zu werden ist wichtig, es ist ein sehr repräsentativer Titel", sagte der Berliner nach seinem Erfolg mit 67,95 Metern, mit dem er sich auch bei Martin Wierig (66,10) für die überraschende Niederlage in Ostrau revanchierte.

Christina Obergföll steckte die Doppelbelastung nicht so gut weg. Einen Tag nach ihrem Sieg in Paris wurde die in der Diamond League noch unbesiegte Speerwerferin nur Zweite hinter Linda Stahl (63,70).

Hammerwurf-Weltrekordlerin Betty Heidler gewann ihre neunte deutsche Meisterschaft in Serie, Diskuswerferin Nadine Müller ihre fünfte. Die WM-Zweite ist ein gutes Beispiel dafür, wie nahe einige Talente den Etablierten mittlerweile gekommen sind. Sie gewann mit 64,17 Metern nur knapp vor Junioren-Weltmeisterin Anna Rüh (63,79).

Bei den Kugelstoßern hat der Generationswechsel längst stattgefunden. Der 35-jährige Ralf Bartels wurde nur Dritter und hielt bei seiner letzten deutschen Meisterschaft nicht mehr mit dem 13 Jahre jüngeren David Storl mit. Der Weltmeister wurde nach seiner Brustmuskel-Zerrung rechtzeitig fit und stieß erstmals in diesem Jahr weiter als 21 Meter (21,04). "Heute ist bei mir viel Druck abgefallen. Das war ein Schritt in die richtige Richtung", sagte er.

Dieser Satz galt auch für die Sprinter. Der 25-jährige Reus sprach von einem "perfekten Wochenende", weil er seinem starken Lauf über 100 Meter auch noch die viertbeste 200-Meter-Zeit der deutschen Leichtathletik-Geschichte folgen ließ. "Bestzeit im Endlauf ist bombastisch", meinte der Leipziger, der aber auch klarstellte: "Viel Feiern ist nicht drin. Schon morgen geht es mit dem Training weiter."

Neben Reus ging fast unter, dass Verena Sailer in 11,09 Sekunden die zweitschnellste 100-Meter-Zeit ihrer Karriere lief. "Die Sprinter können wieder ein Wörtchen mitreden in Europa", sagte sie.

Für Stabhochspringer Otto war sein erster deutscher Meistertitel unter freiem Himmel etwas ganz Besonderes. Der deutsche Rekordhalter siegte mit 5,80 Metern vor Raphael Holzdeppe (5,75) und Tobias Scherbarth (5,70). "Erst in der Halle, heute im Freien: Jetzt bin ich komplett. Das macht natürlich Laune", meinte der Routinier.

Die Weitspringer stahlen den "Stabis" allerdings etwas die Show, denn der Erfolg von Camara war so überraschend wie spektakulär. Mit seinem letzten Sprung über 8,15 Meter zog der 24-Jährige noch an Bayer vorbei, der ebenfalls gerade erst mit seinem besten Versuch (8,04) die Führung übernommen hatte. "Bei dieser Konkurrenz ist der Sieg nicht selbstverständlich. Das sorgt für eine neue Situation im Weitsprung", sagte der erste deutsche Meister seit 2005, der nicht Bayer oder Reif (7,90) heißt. Bayer bleiben jetzt nur noch zwei Wettkämpfe, um die von Reif und Camara längst erfüllte WM-Norm (8,25) bis zum letztmöglichen Datum am 29. Juli auch noch zu schaffen. "Wenn's klappt, dann klappt's. Wenn nicht, dann nicht. Ich werde mir für die WM-Norm kein Bein ausreißen", sagte er.

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