Mit zwei PS über die Wiese Das G-A-Team testet Gespannfahren

Alfter · Kathrin Nitschke versucht sich für das G-A-Team in Sportart Nummer fünf: Gespannfahren beim Reit- und Fahrverein in Alfter. Als erfahrene Reiterin sollte die Aufgabe für sie eigentlich eine leichte Übung sein.

Weitläufige Wiesen, ein idyllisch gelegener Reitplatz und hin und wieder das Schnauben eines Pferdes – es ist ein bisschen wie Nachhausekommen, als ich das Gelände des Reit- und Fahrvereins Alfter betrete. Durch meine Arbeit ist die Zeit leider zu rar geworden, um mein Hobby Reiten weiter zu betreiben. Heute geht es aber auch um eine ganz andere Sparte des Pferdesports – das Gespannfahren. In meiner Vorstellung ein eher gemütlicher und entspannter Sport.

„Auch wenn du dich mit Pferden auskennst, wirst du merken, dass der Fahrsport wesentlich mehr Konzentration und Anstrengung erfordert, als man denkt“, erklärt Wilhelmine Freiberg-Heidl, Fahrwartin des Vereins. Meine Selbstsicherheit gerät ins Wanken. „Wenn sich mehrere hundert Kilo Pferd vor deinem Wagen in Bewegung setzen, ist der Sport nicht ganz ungefährlich. Die Pferde zu kontrollieren und zu steuern erfordert Geschick und auch viel Training“, so Freiberg-Heidl. Ich schaue mich um und erblicke die beiden Shetlandponys „Jerry“ und „Tami“, die mir mit ihren vielleicht einem Meter Rückenhöhe wie eine lösbare Aufgabe erscheinen. Trainerin Andrea Kannegießer scheint meine Gedanken zu lesen: „Die kannst du nicht selber fahren, das sind unsere Turnierponys. Wenn die rennen, dann rennen die. Vielleicht kannst du nachher mal als Gewicht auf den Wagen.“

Beim Gespannfahren unterscheidet man zwischen den drei Disziplinen Dressur-, Hindernis-, und Geländefahren. Auch wenn andere Sparten des Reitsports bekannter sind, erfreut sich der Fahrsport zunehmender Beliebtheit, auch bei großen Turnieren wie dem CHIO in Aachen. Wenn Kutschen mit zwei, vier oder mehr davor gespannten Pferden in hohem Tempo Brücken überwinden, Wassergräben durchfahren oder einen Slalom umrunden, applaudieren die Zuschauerreihen begeistert. Mit Michael Freund ist einer der erfolgreichsten Gespannfahrer ein Deutscher.

So weit bin ich natürlich noch lange nicht. Als erstes muss ich an das Fahrlehrgerät. Ein Trainingsgerät bestehend aus zwei Leinen, an deren Ende jeweils zwei Gewichte hängen, die den Zug durch das Pferd simulieren sollen. Die Trockenübungen habe ich bitter nötig – die Führung der Leinen hat nämlich mit der Zügelführung beim Reiten gar nichts zu tun. Kannegießer lehrt das Fahren nach dem System von Benno von Achenbach aus den 1920er Jahren, das auch heute noch als universell einsetzbarer Bewertungsmaßstab im internationalen Fahrsport gilt. So übe ich die richtige Haltung und Führung der Leinen, mal mit Peitsche, mal ohne. Danach bin ich bereit für den Praxistest mit dem Gespann.

"Ein Pferd ist kein Sportgerät"

Das fällt deutlich größer als erwartet aus – zwei belgische Kaltblüter warten mit ihrem Besitzer Christian Filippi auf ihren Einsatz. Weil „Stella“ gerade mal drei Jahre alt ist und erst in diesem Jahr angefahren wurde, läuft sie mit dem erfahrenen „Bobby“ im Gespann und transportiert uns zum Fahrplatz des Vereins. Hier erwartet mich ein Parcours aus Kegeltoren. „Im Parcours musst du zwischen den Pylonen hindurchfahren, ohne dass die darauf abgelegten Tennisbälle herunterfallen“, erklärt Filippi. Ich beginne mit einfachen Lenkübungen, in großen Bögen rechts und links um den Platz herum. Da „Bobby“ und sein 700-Kilo-Azubi „Stella“ brav auf meine Richtungsvorgaben reagieren und sogar die Kommandos für Lenkung, Gas und Bremse kein Problem sind, werde ich wagemutig. Immer schneller und in immer engeren Wendungen durchfahre ich den aufgebauten Parcours. Nur einmal werfen wir einen Ball hinunter.

Die hohen Temperaturen an diesem Tag machen aber nicht nur uns Fahrern zu schaffen. „Ein Pferd ist kein Sportgerät. Beim Fahren ist man ein Team, und das bedeutet auch, Rücksicht aufeinander zu nehmen“, erklärt Kannegießer. Für mich ist nun das Lenken vorbei, ich darf mich als Groom des Ponygespanns von Franziska Reintges versuchen, die von Kannegießer trainiert werden. In so hohem Tempo bewältigen sie den Kegelparcours, dass einem die Bedeutung des Beifahrers, des sogenannten Grooms, auf der Kutsche gleich klar wird. In schnellen und engen Kurven stabilisiert er die Kutsche und sagt in Geländeprüfungen häufig den Weg durch den Parcours an. Den Weg kenne ich zwar nicht, aber als Gewicht mache ich mich ganz gut, je schneller wir werden, desto enthusiastischer lege ich mich ins Zeug. Und als sich am Ende des Trainings die Ponys zufrieden im Staub wälzen, wird mir wieder einmal bewusst, wie schön der Sport mit einem tierischen Partner ist.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort