Ins Schwarze getroffen Das G-A-Team testet Fechten

Bonn · GA-Redakteurin Sabrina Bauer hat sich beim Olympischen Fechtclub in Bonn im Degenfechten versucht und eine Lektion über den eigenen Mut erteilt bekommen.

Mut. Das ist eine Charaktereigenschaft, über die ich mir im Alltag kaum Gedanken mache. Auf der Fechtbahn entscheidet sie allerdings über Sieg oder Niederlage. „Das war gut. Du warst mutig“, sagt Trainer Tobias Gayk zu mir. Ich nehme die Fechtmaske vom Gesicht und atme tief durch. Ich habe gerade mein erstes Duell hinter mich gebracht. Marie, Nachwuchsfechterin, 13 Jahre alt, hat mich mit nur einem Punkt Vorsprung besiegt. Fünf zu vier. Eine Niederlage für mich, trotzdem muss ich lächeln. So langsam verstehe ich, was Fechter wie Marie oder Gayk an dieser Disziplin fasziniert.

Für das G-A-Team teste ich an diesem Nachmittag Degenfechten beim Olympischen Fechtclub (OFC) im Sportpark Nord. Hier trainiert die deutsche Nachwuchselite im Fechtsport. Es ist der Bundesstützpunkt im Damendegen und Herrenflorett sowie auf Landesebene der Trainingsstandort für alle Waffen – Degen, Florett und Säbel. Für mich umgibt den Sport etwas Elitäres, ähnlich wie Ballett oder Geigenunterricht. Ein Sport der Gentlemen. Unwillkürlich muss ich an alte Mantel- und Degenfilme denken. „Es ist kein elitärer Sport mehr, das ist vorbei“, sagt Gudrun Nettersheim, Präsidentin des OFC. Trotzdem kommen die meisten wegen genau dieser Faszination: „Oft schicken die Eltern ihre Kinder zum Training, wenn die Kinder Ritterspiele spielen“, so Nettersheim.

Fast eine Stunde hat die Präsidentin für das Anlegen meiner Fechtausrüstung anberaumt: Fechthose, Unterziehweste, Brustschutz, Jacke, lange Wollstrümpfe, Handschuh und Maske. Gayk, Trainer der Herren- und Damenmannschaft, begutachtet mein Outfit und schickt mich zurück in die Umkleidekabine – die Jacke ist zu kurz. Ein falscher Treffer könnte – im äußerst unwahrscheinlichen Fall – gefährlich werden. Bei meiner bisherigen Verletzungsquote bin ich Gayk für diese Entscheidung dankbar. Selbst bei den Übungen an der Wand muss jeder Sportler seine Maske tragen – für den Fall, dass die Waffe bricht und die Spitze unkontrolliert umherfliegt.

Zuerst gibt es Einzeltraining

Komplett und risikoarm angezogen, erwarte ich gespannt mein erstes Duell. Während ich bei den meisten meiner Testsportarten einfach mitmachen konnte, bekomme ich beim OFC erst einmal Einzelunterricht. Mein erster Gegner ist niemand Geringerer als – die Hallenwand. Ich setzte die Maske auf und stelle mich darauf ein, durch das dunkle Netz nur wenig zu erkennen. Zu meiner Verwunderung blenden meine Augen das Hindernis vor meinem Gesicht nach kurzer Zeit vollständig aus.

Die Kreise vor mir an der Wand versuche ich, präzise zu treffen. Nur zu treffen, reicht nicht. Im Idealfall muss sich der Degen durchbiegen, während der Arm durchgestreckt ist. Erschwerend kommt die Beinarbeit hinzu, die so gar nicht zur Aktion meines Waffenarms passen will. Eigentlich ist es nur ein kurzer Schritt nach vorne – die Schwierigkeit besteht darin, den Abstand zwischen den Füßen exakt zu halten. Klingt leichter, als es ist – zumindest für mich.

Gayk korrigiert mich geduldig, bis wir zu nächsten Schwierigkeitsstufe übergehen – der Variante mit Ausfallschritt. Erst danach geht es an einen lebendigen Gegner: Gayk zeigt mir im Duell die verschiedenen Varianten, einen Angriff zu parieren. Nach nicht einmal einer halben Stunde Training zittert meine Hand sichtbar. Ich kann den Arm mit der Waffe kaum anheben, ohne dass er sich unkontrolliert bewegt. „Versuche, den Degen nur mit Daumen und Zeigefinger zu halten und erst beim Angriff zuzupacken“, rät mir der 34-Jährige. Um mich herum sind die Vereinsmitglieder bereits in Zweikämpfe vertieft.

Eine Leuchttafel zeigt die Treffer an

Rund 200 Mitglieder, vornehmlich Kinder und Jugendliche, zählt der Verein. Durch die Masken wirken die Athleten allerdings wie unnahbare Figuren. Auch ich soll nach dem Crashkurs in Angriff und Abwehr mein erstes richtiges Duell bestreiten – gegen Marie, Schülerin des Sportinternats. Dafür werde ich mit der Bahn verkabelt. Durch meine Jacke und den Handschuh wird ein Kabel gezogen, mit der Waffe verbunden und auf der anderen Seite in ein Kabel am Hallenboden gesteckt. Eine Leuchttafel an der Wand zeigt mittels der Farben rot und grün die Treffer für die jeweilige Seite an. Rot bedeutet einen Punkt für Marie, grün für mich. Beim Degenfechten zählt der gesamte Körper als Trefferfläche, bei Säbel und Florett nur Bereiche des Oberkörpers.

An meinem Rücken spüre ich einen leichten Zug des Kabels. Ich umklammere den Pistolengriff des Degens, meine Hand zittert sichtbar. Ich versuche, den Griff soweit zu lockern, dass sich die Finger entspannen können, mir die Waffe aber nicht aus der Hand gleitet. Dann wagt Marie den ersten Angriff. Mein Blick geht zur Wand. Rot – der erste Punkt für Marie. Mit der Maske wird der Gegner zu einem uneinschätzbaren Gegenüber. Versteckt sie doch jegliche Mimik, aus der man den nächsten Zug des Gegners ablesen könnte. Wie soll ich dabei einschätzen, wann der Gegner einen Vorstoß wagt? Ich konzentriere mich auf die Bewegungen und greife an. Grün. „Jeder entwickelt seinen eigenen Stil“, erklärt mir Gayk später. Lächelnd setze ich die Maske ab. Wenn ich etwas aus dem Training mitnehme, dann ist es, mutiger zu sein.

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