GA-Serie Sonntagskicker SSV-Trainer trifft auf seinen Lebensretter

Siegburg/Bonn · Während eines Fußballspiels bricht Siegburgs Co-Trainer Christian Schöpper mit einem Herzstillstand zusammen. Schiedsrichter Sener Tasdemir rettet ihm das Leben. Mediziner raten zu zyklischen Untersuchungen.

 Ein freudiges Wiedersehen: Siegburgs Co-Trainer Christian Schöpper (links) mit seinem Lebensretter Sener Tasdemir.

Ein freudiges Wiedersehen: Siegburgs Co-Trainer Christian Schöpper (links) mit seinem Lebensretter Sener Tasdemir.

Foto: Wolfgang Henry

Die Umarmung ist innig, der Blick vielsagend. Das ein Trainer einen Schiedsrichter dermaßen herzt, ist selbst im Amateur-Fußball eine Seltenheit. In diesem Fall aber nur verständlich. Christian Schöpper, Co-Trainer des Siegburger SV, hat dem Referee Sener Tasdemir viel zu verdanken. Nicht weniger als sein Leben.

Rückblick: Es läuft die 34. Spielminute des Kreisliga-Spiels zwischen dem SV Eitorf 09 und der Zweitvertretung aus Siegburg, als Schöpper am Spielfeldrand zusammenbricht. Schiedsrichter Tasdemir handelt sofort, unterbricht die Partie und eilt zur Hilfe. Er löst die Zunge des Ohnmächtigen und beginnt mit der Herzmassage sowie Mund-zu-Mund-Beatmung. Mit Erfolg: Schöpper wird per Helikopter in eine Bonner Klinik gebracht. Er überlebt.

Mittlerweile steht der 32-Jährige wieder neben dem Platz. Nun trifft der Übungsleiter zum ersten Mal seit dem Unglück auf seinen Lebensretter. „Eine Woche zuvor habe ich noch meinen Geburtstag gefeiert“, so Schöpper. „Jetzt habe ich einen zweiten Geburtstag.“ Schiedsrichter Tasdemir ist nicht ohne Grund nach Siegburg gekommen. Neben dem Wiedersehen mit Schöpper erhält Tasdemir, der seinen Lebensunterhalt bei einem Logistikkonzern verdient, eine Ehrung aus den Händen des Vorsitzenden des Fußballverbandes Mittelrhein (FVM), Alfred Vianden. Und: Aufgrund der Vorkommnisse in Eitorf hat sich der SSV dazu entschlossen, einen Defibrillator am Vereinsheim aufzuhängen.

Neuer Kunstrasenplatz an der Gesamtschule

Eine Maßnahme, die der Verband unterstützt. „Der FVM hat seit nunmehr fast vier Jahren mit Defib Deutschland einen Kooperationspartner an seiner Seite, mit dem wir für unsere Mitgliedsvereine ein spezielles Vereinsangebot erarbeitet haben“, heißt es von Seiten des Verbandes. Um den Vereinen das Gerät zu ermöglichen, gibt es einen Vorzugpreis sowie zwei Zahlungsvarianten: einmal per Direktkauf, einmal per Mietkauf mit monatlicher Rate. Im Fall des SSV handelt es sich um eine Dauerleihgabe. Eine lohnende Investition – die Überlebenschance steigt um ein Vielfaches. Im Fall Schöpper ist es auch ohne Defibrillator gut ausgegangen. Doch das ist nicht immer der Fall.

Ortswechsel. Ein wenig verlassen wirkt das Gelände an der Sebastianusstraße. Bis vor wenigen Wochen standen hier noch die Fressbuden, Schausteller und Fahrgeschäfte von Pützchens Markt. An diesem Tag stehen selbst die Fußballtore an einen Zaun gelehnt. Aufbruchstimmung. Nicht mehr lange, und der TuS Pützchen wird seine Heimspiele auf einem neuen Kunstrasenplatz an der Gesamtschule austragen. Jahrzehnte lange wurde hier Fußball gespielt. Mit der alten Anlage verbindet der Verein jedoch nicht nur positive Erinnerungen.

Im März 2016 verstarb hier der Torwart der 4. Mannschaft. Während des Spiels gegen Boluspor erlitt der 54-Jährige einen Herzinfarkt. Auf dem Weg ins Krankenhaus verstarb er. Ursula Hildebrandt von der Sportambulanz der Uniklinik Bonn kann nicht für diesen Fall sprechen, grundsätzlich kann so ein dramatischer Zwischenfall in den meisten Fällen aber verhindert werden. „Man kann viele dieser Erkrankungen ganz leicht in präventiven Untersuchungen sehen und somit einen tödlichen Zwischenfall vermeiden“, so die Medizinerin.

Plötzlicher Herztod ist keine Seltenheit

Gerade in diesen Tagen kehren in Pützchen die Erinnerungen an den Vorfall von damals zurück. „Natürlich ist das Thema präsent“, sagt der 1. Vorsitzende des TuS, Peter Heidinger. „Das berührt nach wie vor die Vereinsmitglieder. Der Verstorbene erfreute sich großer Beliebtheit.“ Als Erinnerung hängt ein Foto im Vereinsheim.

Der plötzliche Herztod ist im Sport keine Seltenheit. Selbst bei vermeintlich gesunden Athleten. Mehrere Hundert Menschen sterben laut Deutscher Herzstiftung jährlich daran. Die Ursachen sind unterschiedlich. Von der hypertrophen Kardiomyopathie, eine genetisch bedingte krankhafte Verdickung der Herzmuskulatur der linken Herzkammer, über Rhythmusstörungen bis hin zur Herzmuskelentzündung. Bei Schöpper lag genau diese Erkrankung vor. „Ich habe eine Erkältung verschleppt“, so der Co-Trainer.

Diese führte zur Entzündung und schließlich zum Herzstillstand. „Ich habe, ehrlich gesagt, keine Erinnerung mehr an die Situation. Erst die Notaufnahme ist mir wieder präsent.“ Für den 32-Jährigen ist jetzt erst einmal Pause angesagt. Drei bis vier Monate muss er sich erholen, bevor er wieder Sport treiben darf. Im Vergleich zu zwei weiteren Tagen Erholung nach einer Erkältung ein hartes Los. Doch für den Laien sind die Kriterien, wann mit dem Sport wieder begonnen werden darf, nicht immer erkennbar. Hildebrandt mahnt zur Ruhe. Man solle in den Körper reinhorchen.

Reanimationsschulung noch nicht Teil der Ausbildung

In Pützchen gibt es auch mehr als ein Jahr nach dem tragischen Zwischenfall keinen Defibrillator. Das hat aber logistische Gründe. „Es ist weiterhin geplant, einen Defibrillator zu besorgen. Allerdings hat sich die Lage bei uns ein wenig geändert, da wir in Zukunft umziehen“, so Niklas Obendörfer, der Abteilungsleiter „Senioren“ beim TuS. „Vom Platz am Gelände von Pützchens Markt geht es für uns bald auf einen neuen Kunstrasenplatz an der Gesamtschule Bonn Beuel. Dort sollen dann zwei bis vier Container stehen, in einen davon wird ein Defibrillator gehängt.“ Dieser soll gemeinsam mit der Gesamtschule angeschafft werden.

Schöpper wurde durch die Hilfe des Schiedsrichters gerettet. Eine Reanimationsschulung ist allerdings noch nicht Teil der Ausbildung. „Alles, was lebensrettend ist, ist natürlich sinnvoll. Schiedsrichter sind ebenso wie Mit- und Gegenspieler, Trainer, Betreuer und Zuschauer allgemein in der Verantwortung, einem hilfebedürftigen Menschen in ihrem Umfeld zu helfen“, so eine Sprecherin des FVM. „Der FVM wird im Rahmen einer Kooperation mit der Deutschen Herzstiftung allen Aktiven und Mitarbeitern im FVM, den Kreisen und Vereinen die Möglichkeit bieten, an Schulungen der Herzstiftung teilzunehmen.“

Für Hildebrandt ist eine verpflichtende Sporttauglichkeitsuntersuchung der Hobby-Fußballer eine ebenfalls effektive Maßnahme.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort