Analyse Stephan Nopp kickte früher in Lessenich und arbeitet nun Bundestrainer Joachim Löw zu

DANZIG · Griechenlands Fußballer sind bis ins Detail durchleuchtet. Analysiert selbst in den biomechanischen Feinheiten ihres Bewegungsablaufs. Letzte Wissenslücken schlossen die DFB-Helfer an der Kölner Sporthochschule am Wochenende in einer Extraschicht.

 Mitarbeiter des Bundestrainers: Stephan Nopp.

Mitarbeiter des Bundestrainers: Stephan Nopp.

Foto: DSHS

Wie Deutschland aber am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) im EM-Viertelfinale gegen den Europameister von 2004 spielen wird, darf Stephan Nopp nicht sagen. "Wenn ich Arzt wäre, hieße das Schweigepflicht", grinst er.

Der 32-Jährige sitzt im Danziger Mannschaftsquartier täglich mit den Trainern Joachim Löw und Hansi Flick zusammen. Er ist praktisch die Schnittstelle zwischen der Nationalelf und einer Kompanie von Analysten an der Sporthochschule. Unter der Leitung von Professor Jürgen Buschmann sezierten dort vor der EM 45 Studenten die deutschen Gruppengegner sowie mögliche Kontrahenten in der K.o.-Runde.

Aus den DVDs von zehn Spielen pro Mannschaft wurden jeweils 1500 Aktionen destilliert, kategorisiert und analysiert. Wenn die Länder-Dossiers fertig sind, umfassen sie rund 500 Seiten. Wie viele Pässe in die Tiefe über 15 Meter spielt der Spanier Iniesta pro Partie? Von wo? Und vor allem: Was wird daraus? So geht Spielbeobachtung im Jahr 2012.

Natürlich hat Lukas Podolski so eine Schwarte nicht unter dem Kopfkissen liegen, um sich auf den nächsten Gegenspieler vorzubereiten. Aus 500 Seiten die wesentlichen Erkenntnisse zu ziehen und das dann auf einer Zehn-Minuten-DVD zu verbildlichen, das ist Nopps Job.

"Im Grunde sitze ich den ganzen Tag am Rechner und schneide Bildmaterial zusammen", sagt er. Der Sportwissenschaftler trug auf diese Weise seinen Teil dazu bei, dass etwa Jerome Boateng bestens auf Cristiano Ronaldo eingestellt war.

"Die Herausforderung ist", sagt Nopp, "aus einer Fülle von Daten ein Bild entstehen zu lassen. Wir versuchen, Erkenntnisse zu visualisieren." Dabei dürfen die Spieler nicht überfordert werden. "Jeder lernt unterschiedlich und kann unterschiedlich viel aufnehmen", weiß Nopp. "Wenn man einen Spieler mit Informationen überfrachtet, erreicht man genau das Gegenteil."

Dass der DFB beim Scouting auf die Hilfe der Sporthochschule zurückgreift, ergab sich im August 2005. Damals klingelte um 1 Uhr nachts Buschmanns Telefon in seinem Bonner Haus. Am anderen Ende der Leitung: Uli Voigt, sein ehemaliger Spieler beim 1. FC Godesberg und mittlerweile beim DFB für die Betreuung der elektronischen Medien verantwortlich.

Nach einem Länderspiel in Holland hatten sich der damalige Bundestrainer Jürgen Klinsmann und sein Stab gefragt, wie die vorbereitende Analyse des Gegners optimiert werden könnte. Und Voigt hatte da eine Idee.

Es gehört zu den skurrilen Geschichten des Fußballs, dass das Scouting des größten Einzelsportverbands der Welt bei einem Bonner Kreisligisten auf den Weg gebracht wurde. Buschmann, Voigt und Nopp haben nämlich eine gemeinsame Vergangenheit bei Rot-Weiß Lessenich. Mittlerweile spielt Nopp allerdings nicht mehr im Verein. "Erst beim Betreuerkick hier in Danzig habe ich wieder Feuer gefangen."

Normalerweise arbeitet das Kölner Team DFB-Chefscout Urs Siegenthaler zu. Der Schweizer konnte aus gesundheitlichen Gründen allerdings nicht zur EM fahren. "Wir telefonieren täglich", erzählt Nopp, dessen Stelle an der SpoHo inzwischen vom DFB bezahlt wird.

Dass sich das lohnt, steht außer Frage. Zweifler könnten allein mit dem Verweis auf die WM 2006 überzeugt werden. Der berühmte Zettel, den Torhüter Jens Lehmann während des Elfmeterschießens gegen Argentinien zu Rate zog, war nämlich mit Informationen aus Köln bekritzelt.

Auch gegen die Griechen könnte es morgen wieder zu einem Elfmeterschießen kommen. Doch über deren bevorzugte Ecken verrät Stephan Nopp keinen Ton. Schweigepflicht.

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