Betrugsvorwürfe in der Bezirksliga Sind Manipulationen im Amateurfußball gang und gäbe?

Bonn · Der Manipulationsversuch beim FSV Neunkirchen-Seelscheid hat hohe Wellen geschlagen. Für den Verband handelt es sich um einen Einzelfall, für viele Vereinsvertreter ist der Betrug jedoch nichts Neues.

 Grafik zum Thema Spielmanipulation im Amateurfußball.

Grafik zum Thema Spielmanipulation im Amateurfußball.

Foto: GA

Der Blick auf die Uhr, dann zurück auf das Spielfeld. Es laufen die letzten Minuten – es fehlt noch ein Tor. Ein Tor zum Sieg, ein Tor zum Klassenerhalt. Zittern, obwohl der Ausgang der Partie schon lange feststeht. Denn der Sieg und damit der Klassenerhalt sind eingeplant. Nicht eingeplant, geplant. Vereinbart. Abgesprochen.

Verschobene Spiele zum Saisonende – ein Mythos, der sich in den Anekdoten des Amateurfußballs hält, wie das Bier danach und der übergewichtige Ausputzer. Dabei sind sie laut Vereinsvertretern aus der Region keine Seltenheit. Klassenerhalt oder Aufstieg – für das nötige Kleingeld alles machbar, und das offenbar unabhängig von der Leistungsklasse.

Vor wenigen Tagen meldete der Bezirksligist FSV Neunkirchen-Seelscheid einen Vorfall dem Fußballverband Mittelrhein (FVM). Ein Unbekannter hatte – wie berichtet – dem FSV Geld geboten, wenn das Team am vorletzten Spieltag seine Partie gegen den abstiegsbedrohten Club Umutspor Troisdorf verliert. Nach der Darstellung des FSV-Vorsitzenden Norbert Schneider soll ein „nicht bekannter Herr“ auf der FSV-Platzanlage erschienen sein. Da ein Vorstandsmitglied der Neunkirchen-Seelscheider anwesend war, soll der Unbekannte diesem angeboten haben, wenn der FSV gegen Umutspor verliere. Neunkirchen-Seelscheid meldete den Vorfall dem FVM – dieser ermittelt. Umutspor weist alle Vorwürfe zurück, bestreitet Kenntnis vor der Aktion zu haben.

„Natürlich kommt so etwas immer wieder vor“

„Es handelt sich definitiv um einen Einzelfall. In den vergangenen fünf, sechs Jahren hat es keinen ähnlichen Fall gegeben“, so Markus Müller, Vorsitzender des Verbandsspielausschusses des FVM. Das Meinungsbild vieler Vereinsvertreter sieht anders aus. „Ich könnte mir vorstellen, dass da der eine oder andere etwas durcheinander wirft. Es gibt sicherlich ab und an Motivationsanreize, die zumindest nicht strafbar sind“, so Müller. Wenn beispielsweise eine Mannschaft einer anderen einen Kasten Bier für einen Sieg verspricht.

Schenkt man den Äußerungen einiger Fußballer Glauben, sind Manipulationsversuche von der Kreisklasse bis hin zu den höheren Amateurligen gang und gäbe. „Natürlich kommt so etwas immer wieder vor“, sagt ein ehemaliger Spieler eines Bonner Vereins. „Wir haben das auch schon gemacht.“ Demnach sei es vor einigen Jahren am letzten Spieltag zu einem Derby gekommen. „Mit einem Sieg wären wir aufgestiegen.“ Um den Erfolg in trockene Tücher zu bringen, sollte mit einer Finanzspritze nachgeholfen werden. Tatsächlich gab es eine Absprache zwischen zwei vereinsnahen Fußballfreunden. Eine vierstellige Summe sollte den Aufstieg schon vor dem Spiel perfekt machen. Doch der Gegner spielte nicht mit, führte zur Halbzeit sogar. „Da wurde in der Kabine noch mal vorgesprochen“, sagt der ehemalige Spieler.

Und tatsächlich: Im zweiten Durchgang fiel zunächst der Ausgleich. „Der Gegner hat uns schon den einen oder anderen Ball aufgelegt. Aber das Ding wollte nicht rein.“ Ein gegnerischer Abwehrspieler habe dann gesagt, er könne das Tor doch nicht auch noch selbst schießen.Wenige Minuten vor Spielende fiel dann doch der erlösende Siegtreffer.

„Es gab früher doch immer Teams, die sich über Jahre hinweg in den letzten Spielen gerettet haben und von ganz unten durch überraschende Siege und seltsame Ergebnisse auf einen Nichtabstiegsplatz geklettert sind“, sagt ein Trainer, der auch heute noch in Bonn aktiv ist. „Wir waren für so etwas eigentlich nicht empfänglich. Wir sind mal einem Verein entgegengekommen, weil wir am letzten Spieltag die Positionen ausgelost haben. Der Gegner hat dann aber trotzdem nicht mehr als ein Unentschieden hinbekommen.“

Manche Siege haben ein Geschmäckle

Die Hemmschwelle ist niedrig, das Prozedere leicht. Ein Trainer ist schnell angesprochen, Verband und Schiedsrichter bekommen es nicht mit. Darüber gesprochen wird nicht – eine Art Ehrenkodex. Gehört haben jedoch alle davon. „Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es am Ende der Saison mitunter erstaunliche Ergebnisse gibt“, so Müller. „Aber auch da muss man abwägen, woran es liegt: Sind Mannschaften zum Ende der Saison vielleicht nicht mehr motiviert oder gibt es Spieler, die schon bei einem anderen Verein unterschrieben haben und dann nicht mehr alles geben?“ Ein flächendeckendes Problem sieht der Verband laut Müller jedoch nicht.

Aber: Nahezu jeder angesprochene Vereinsvertreter kennt ähnliche Vorkommnisse – ob als Täter oder Opfer. „Ob wirklich eine Manipulation vorlag, kann ich natürlich nicht sagen“, erinnert sich ein ehemaliger Vereinsvorstand an den Abstieg seiner ersten Mannschaft. „Aber, wenn der Vorletzte auf einmal den souveränen Tabellenführer deutlich besiegt, hat das schon ein Geschmäckle. Für uns bedeutete das den Abstieg.“ Auf der anderen Seite stehen die Täter. „Das kannst du doch gar nicht verhindern“, sagt der ehemalige Fußballer aus Bonn und gibt zu: „Wenn du die ganze Saison auf ein Ziel hinarbeitest und dann hängt es von dem einen Spiel ab, warum nicht ein wenig nachhelfen?“

Die Antwort des FVM ist deutlich: „Spielmanipulation ist natürlich alles andere als ein Kavaliersdelikt. Es handelt sich um einen groben Verstoß gegen die Regularien und wird dementsprechend bestraft“, sagt Müller. „Je nach Fall kann das eine Geldstrafe oder einen Punktabzug nach sich ziehen.“ Bei abgesprochenen Resultaten auf dem Sportplatz sind dem Verband oft die Hände gebunden. „Ein flächendeckendes Kontrollsystem ist natürlich nicht möglich. Da sind wir auf die Hilfe der Spieler und Vereine angewiesen“, sagt Müller. „Aber es gibt Maßnahmen, die wir ergreifen, die wir aber – da bitte ich um Verständnis – hier nicht öffentlich machen.“

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