Fußball und Gewalt Nur ein kleiner Schritt zur extremen Rechten

Bonn · Der Kölner Politikwissenschaftler Richard Gebhardt referierte in Bonn über die politisch motivierte Hooliganszene.

Mann im Hogesa-Pullover – einer von rund 500 Hooligans und Neonazis, die am 8. Oktober in Dortmund demonstrierten. 2000 Polizisten waren im Einsatz.

Mann im Hogesa-Pullover – einer von rund 500 Hooligans und Neonazis, die am 8. Oktober in Dortmund demonstrierten. 2000 Polizisten waren im Einsatz.

Foto: picture alliance / dpa

Bilder, die man nicht so leicht vergisst: Hunderte grölende Krawallbrüder vor dem Hauptbahnhof, ein umgekippter Polizeiwagen und machtlos wirkende Ordnungshüter. Als sich im Oktober 2014 mehr als 3000 Hooligans in Köln versammelten, um unter dem Motto „Hooligans gegen Salafisten“(HoGeSa) gegen radikalen Islamismus zu demonstrieren, kam es zur Straßenschlacht mit der Polizei. Die Bilder der aus dem Ruder gelaufenen Demonstration sorgten bundesweit für Aufsehen, hatte man die politischen Tendenzen und die Gewaltbereitschaft eines Teils der schwarzen Schafe vom Spielfeldrand doch lange Zeit nur hinter Stadionrängen gewähnt.

Bei einem vom DGB-Kreisverband Bonn/Rhein-Sieg in Kooperation mit dem Hochschulinformationsbüro (HiB) und dem AStA der Universität Bonn organisierten Vortrag in der Universität Bonn nahm nun der Kölner Politikwissenschaftler und Publizist Richard Gebhardt das Phänomen der politisch motivierten Hooligan-Szene unter die Lupe und gab Empfehlungen für Vereine, Polizei und Politik.

„Ich gehe seit 30 Jahren ins Stadion und bin selbst Fußballfan“, sagte Gebhardt. „Dabei will ich beim Besuch eines Fußballspiels Politik eigentlich vergessen.“ Doch seitdem die Hooligans für rechtsextreme Positionen auf die Straße gehen, sei alles anders geworden. „Wobei gesagt werden muss, dass nicht jeder Hooligan ein Neonazi ist“, erklärte Gebhardt. Der Schritt von der Hooligan-Szene zur extremen Rechten sei jedoch klein. Denn laut Gebhardt beruft sich die Szene auf die selben schwammig formulierten Werte, die auch Neonazis für sich in Anspruch nehmen: „Disziplin“, „Ehre“ und „Treue“. Hinzu kommt die Gewaltbereitschaft in beiden Lagern.

„Hooligans sind eigentlich unpolitisch“

Aus diesen Gründen liebäugeln die Subkulturen seit Jahren miteinander. Szene-Berühmtheiten wie Siegfried Borchhardt, Gründer des Dortmunder Fanclubs „Borussenfront“ und aufgrund seiner Gesinnung „SS-Siggi“ genannt, zeigen auf öffentlichen Veranstaltungen Präsenz und dienen als Werbeikonen der Szenen. „Dabei sind Hooligans eigentlich unpolitisch und nicht zu verwechseln mit den Ultra-Gruppierungen“, erklärte Gebhardt. Die Ultras haben ihren Ursprung im Italien der 90er-Jahre, richten sich gegen die Kommerzialisierung des Fußballs, verzichten auf Gewalt und definieren sich selbst als antirassistisch.

Bei einigen Hooligan-Gruppierungen jedoch bekommt der Sport eine völkische Dimension, Spieler mit Migrationshintergrund werden nicht geduldet. In NRW hat sich vor allem in Dortmund, Düsseldorf und Aachen eine Szene mit rechten politischen Tendenzen entwickelt. Im Osten Deutschlands stellen Hooligans bei Pegida-Demonstrationen derweil sogar die Ordner. „Die Kampfzone wurde von den Stadien auf die Straße ausgeweitet“, stellte Gebhardt fest.

Um dem Problem Herr zu werden, rät Gebhardt den Vereinen, das Personal vor Ort durch DFB-Schulungen vorzubereiten und Fanprojekte zu stärken. „Zudem sollten bestimmte rechtsextremistische Marken wie 'Thor Steinar' bei den Vereinen sanktioniert werden“, rät Gebhardt. Polizei und Politik sollten das Gesamtfeld des Rechtsextremismus im Auge behalten. „In den letzten Jahren kann man eine gesellschaftliche Entwicklung beobachten“, sagte der Wissenschaftler. „Am wichtigsten ist aber immer die Fanszene vor Ort.“

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