GA-Serie "Die Sonntagskicker" Einwechslung: Fußballvereine als Integrationsmotor

BERGHEIM · Wer Fußball spielt, wird nicht an seiner Herkunft gemessen. Sali aus Albanien und Hamidi aus Afghanistan sind aus ihrer Heimat geflüchtet. Schnell fühlten sie sich in ihren neuen Jugendmannschaften wohl.

 Da staunen seine Mitspieler vom SV Bergheim nicht schlecht: Flüchtlingskind Sali dribbelt geschickt um die Hütchen.

Da staunen seine Mitspieler vom SV Bergheim nicht schlecht: Flüchtlingskind Sali dribbelt geschickt um die Hütchen.

Foto: Wolfgang Henry

Sie dribbeln um Hütchen, springen über Hindernisse und vollenden mit einem Torschuss. Der Trainingsbetrieb der Jugendmannschaften des SV Bergheim und des SV Lohmar ist nach der Winterpause wieder voll im Gange. Mit dabei: Sali aus Albanien und Hamidi aus Afghanistan.

Donnerstagnachmittag. Sportplatz des SV Bergheim. Wenn man das Training der F-Jugend beobachtet, kommen Erinnerungen an die eigene Kindheit hoch. Sieben- und Achtjährige, die voller Elan und Spielfreude über den Platz laufen, den Ball jagen und gerne miteinander Blödsinn machen. Sie wollen einfach nur Fußball spielen. Egal mit wem, egal woher. Die angespannte politische Situation in unserem Land, aber auch in ihrer Heimat ist für sie nicht greifbar. Weder für Sali, noch für Hamidi, und genausowenig für die Kinder, die hier aufgewachsen sind. Und das ist gut so.

Sali kommt aus Albanien. Gemeinsam mit seinen Geschwistern und seinem Vater flüchtete er im November 2015 nach Deutschland. Seitdem spielt er in der F-Jugend des SV Bergheim. Sein großer Bruder Maringlen schnürt die Fußballschuhe in Bergheims B-Jugend. Der Jugendleiter und F-Jugend-Trainer Karl Arnold freut sich über die Neuen. Insbesondere der kleine Sali hat es ihm angetan: „Sali ist der perfekte Straßenfußballer.“ Weiter schwärmt er: „Er ist unser bester F-Jugend-Spieler. Der macht alle nass und kann richtig gut mit dem Ball umgehen.“

Insgesamt kicken fünf Flüchtlinge beim SV Bergheim. Alle besitzen eine Spielgenehmigung, die zur Teilnahme an Meisterschafts- und Pokalspielen berechtigt. Nicht selbstverständlich, da es gerade im Seniorenbereich für viele Spieler zu langen Verzögerungen kam, ehe sie in der Meisterschaft mitspielen durften (der GA berichtete).

Jugendsportkoordinator Patrick Severt kann diese Verzögerungen im Jugendbereich nicht entdecken: „Wir finden das Prozedere nicht zu kompliziert. Man hat zwei bis drei Anträge auszufüllen und das ist schnell gemacht. Das kann so bleiben.“ Severt weiter: „Sobald ein Flüchtling entscheidet, für uns spielen zu wollen, wird er normal angemeldet. Einzige Besonderheit ist der Zusatzantrag für die Stadt, die dann die Gebühren für den Spieler übernimmt. Nachdem der Spielberechtigungsantrag zum Fußballverband Mittelrhein geschickt wurde, leitet dieser ihn an den DFB weiter.“

Der DFB prüfe schließlich, ob der Spieler im Herkunftsland höher gespielt habe und ein Lizenzspieler gewesen sei. Sei dies nicht der Fall, würde der Antrag direkt bewilligt, so Severt. Dies zu hören, freut Stephan Osnabrügge, Vizepräsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein (FVM). Im Gespräch mit dem GA zeigt er sich stolz auf die Bonner Vereine, die viel tun, um die Integration zu ermöglichen: „Fußball kennt keine Sprache und keine sozialen Hürden zur Teilhabe. Fußball wird überall auf der Welt nach denselben Regeln gespielt. Wer mit anderen Fußball spielt, wird alleine an seinem Pass und seinem Dribbling gemessen, nicht an Herkunft, Sprache oder Hautfarbe. Unsere Vereine sind ein Integrationsmotor.“

Aussagen, die auf der Entwicklung von Hamidi, D-Jugend-Spieler des SV Lohmar, schon jetzt eindeutig zutreffen. Der Zwölfjährige kam erst vor wenigen Wochen aus Afghanistan. Er wohnt in einem Heim mit besonders vielen Flüchtlingen ohne elterliche Begleitung. Jürgen Hommer, Trainer der D2, erinnert sich noch genau: „Hamidi kam mit wenig bis gar keinen Deutschkenntnissen zum Training. Er hat durch das Abschauen bei den Mitspielern deutliche Fortschritte gemacht.“ Inzwischen besucht Hamidi die Schule. Sein Deutsch verbessert sich stetig. Zu Gast bei seinem Training, wollen er und seine Mitspieler wissen, von welchem Fernsehsender wir denn seien. Die Kamera schüchtert ihn nicht ein. Im Gegenteil. Er und seine Mitspieler versuchen, mit gelungenen Tricks und Pässen vor der Kamera zu imponieren.

Eine Beobachtung, die Jugendsportkoordinator Severt auch bei Sali machen konnte: „In seinen jungen Jahren lernt er sehr schnell Deutsch. Durch das ständige Sehen, Hören und Nachmachen der Mitspieler hat er das Verhalten der anderen Kinder bereits angenommen und sich super integriert.“ Vor dem Training spielt er gemeinsam mit den anderen Kindern Fangen und albert herum. Als Coach Karl Arnold erklärt, dass Sali aus Syrien stamme, meldet er sich zu Wort und korrigiert den Trainer: „Ich komme aus Albanien.“

Doch nicht nur die Kinder profitieren von der Vereinszugehörigkeit, wie Osnabrügge verdeutlicht. „Jeder Verein braucht Nachwuchs. Zudem erweisen sich viele Flüchtlinge als ausgesprochen talentiert“, sagt der FVM-Vizepräsident: „Sie kommen aus Ländern, in denen es kein organisiertes Scouting gibt. So hat jeder Verein, der sich für Flüchtlinge engagiert, die Chance, noch unentdeckte Fußballtalente für sich zu gewinnen.“

Die Geschichten von Sali aus Albanien und Hamidi aus Afghanistan sind Positivbeispiele für die Integrationskraft des Sports. Für die Jungs bringt der Fußball ein Stück Normalität in ihr Leben. Schließlich wollen sie einfach nur dribbeln, springen und Tore schießen.

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